Solarthermie: Mit Gummistiefeln ins Solarzeitalter
Wer sich vor Ort ein Bild von solaren Wärmenetzen machen will, für den sind Gummistiefel derzeit das passende Schuhwerk. Denn wo demnächst Schafe oder Bienen auf Grün- und Blühflächen zwischen Solarkollektorreihen weiden sollen, da ziehen vorerst allrad- und kettengetriebene Baufahrzeuge ihre tiefen, matschigen Fahrspuren. Gleich auf fünf Großbaustellen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg nutzen aktuell Stadtwerke die sonnenarme Saison, um später Solarthermie in Fernwärmenetze einspeisen zu können.
Mit welcher Routine und Geschwindigkeit spezialisierte Solarfirmen heute ein Kollektorfeld mit vielen tausend Quadratmetern aufstellen können, davon überzeugte sich ein Dutzend Pressevertreter samt Kamerateams im November bei den Stadtwerken Ludwigsburg-Kornwestheim. Dort entsteht gerade Deutschlands größte Solarthermieanlage. Eingeladen vom Solnet-4.0-Projekt und der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg staunten die Medienleute nicht schlecht, wie flott ein Großkollektor nach dem anderen in seine vorbereitete Halterung gehoben und von nur zwei Arbeitern mit jeweils einem routinierten Handgriff in seiner Halterung gesichert wird. Immerhin werden jeweils 250 Kilogramm und 13,6 Quadratmeter Kollektorfläche bewegt. Während die Journalisten noch schnell einige Interviews mit Vertretern der Stadtwerke und des dänischen Generalunternehmers Arcon-Sunmark aufzeichnen, hat der kleine Bautrupp im Hintergrund schon eine Fläche in der Größe mehrerer Tennisplätze mit Solarthermie-Kollektoren belegt.
Fließbandarbeit
Ihm voraus arbeiten zwei Männer mit einem kleinen Raupenfahrzeug. Sie rammen GPS-gesteuert die Stützen für die Kollektoren in den Boden. Offenbar weiß die Maschine ziemlich genau, was sie zu tun hat. Und das muss sie auch, denn die präzise Ausrichtung der stählernen Pfosten ist die Voraussetzung dafür, dass der Kollektor später problemlos eingelegt werden kann und mindestens 25 Jahre lang optimal zur Sonne ausgerichtet bleibt.
Wenn es gut laufe, dann könne sein kleiner Trupp 2000 Quadratmeter Kollektoren an einem Tag pflanzen, erzählt Claus Graven, Service- und Installations-Manager bei Arcon-Sunmark. Er hält vor Ort auf den Baustellen die Fäden in der Hand. „Unser Rekord liegt aber bei mehr als 6000 Quadratmeter an einem Tag“, erzählt der Däne stolz.
So gesehen, ließe sich Deutschlands größtes Kollektorfeld für Solarthermie für ein Fernwärmenetz einnerhalb einer Woche aufstellen. Dass es dann doch etwas länger gedauert hat, liegt daran, dass weiter vorn, in der Nähe der künftigen Heizzentrale, die Tiefbaufirma mit der unterirdischen Verrohrung noch nicht so schnell vorangekommen war.
Von einer Baustelle zur nächsten
Die Wartezeit in Ludwigsburg nutzt Graven, um zu den beiden anderen laufenden Arcon-Projekten in Bernburg und Halle zu pendeln. Dort entstehen mehr oder weniger gleichzeitig zwei solare Wärmenetze mit Kollektorfeldern von 5100 und 8600 Quadratmetern.
Eine Nummer kleiner, aber nicht weniger interessant ist die Solar-Baustelle im baden-württembergischen Ettenheim. 1700 m2 Solarkollektoren sollen dort künftig die Heimschule Sankt Landolin mit 1800 Schülern und ein angrenzendes Wohngebiet mit Wärme versorgen. Bereits seit 20 Jahren gibt es dort ein 6-MW-Wärmenetz mit einem großen Holzkessel, zwei Öl-Spitzenlastkesseln und einem Blockheizkraftwerk (BHKW). Betreiber ist die Fernwärme Ettenheim, eine Tochtergesellschaft des Ingenieurbüros Ratioenergie GmbH aus Lörrach, an der die Schulstiftung und die Gemeinde Ettenheim jeweils mit 24,9 Prozent beteiligt sind. Nach zwei Jahrzehnten ist inzwischen das BHKW marode. Deshalb hat Ratioenergie-Geschäftsführer Peter Blaser nach einer Alternative für die Sommerlast gesucht und sie in der Solarthermie gefunden.
Mit Solarthermie ist Blaser seit Jahrzehnten vertraut, aber Ettenheim ist sein weitaus größtes Solarprojekt. „Ich finde, es läuft ziemlich gut“, sagt er über die Bauarbeiten. Eine Überraschung gab es bislang beim Fundament für die beiden jeweils 100 Kubikmeter großen Wärmespeicher, die inzwischen schon stehen. Der Baugrund für die schweren Tanks habe leider nicht gehalten, was er in den Voruntersuchungen versprochen habe. Deshalb sei ein deutlich aufwändigeres Fundament mit entsprechend längerer Bauzeit nötig geworden.
Transportaufgaben
Im Gegensatz zu Ludwigsburg, wo der riesige 2000 Kubikmeter-Speicher als Immobilie errichtet wird, lassen sich Speichertanks im Ettenheimer Format noch gerade so per Lastwagen befördern. Ein Hingucker ist so ein Transport allemal. „Wir haben natürlich im Vorfeld geschaut, in welcher Größe wir etwas transportieren können“, sagt Blaser.
Das galt auch für die zahlreichen Lastwagenladungen mit Großkollektoren made in Finnland. Von der dortigen Fabrik des Herstellers Savosolar haben sie die ersten 2000 Kilometer über die Ostsee und deutsche Autobahnen vergleichsweise einfach überwunden. Auf den letzten Metern zum Aufstellort, die über eine steile, zerfahrene, schlammige Zufahrt führen, war dann aber erstmal Schluss. Savosolar musste feststellen, dass der vorgesehene Traktor etwas zu schwach war. Mit mehr PS ließ sich die Aufgabe dann aber bewältigen, so dass der Kollektoracker im Januar bestellt werden kann.
Deponie als Untergrund
In Potsdam ist diese Phase schon überwunden. Mitte Dezember haben die örtlichen Stadtwerke (EWP) dort ein Solarfeld mit fast 5200 Quadratmetern Röhrenkollektoren des Herstellers Ritter XL solar eingeweiht.
Auch hier habe der Untergrund einer gewissen Zuwendung und Vorbereitung bedurft, berichtet EWP-Energiemanager Christian Lewandowski. So habe der Aushub für die Verrohrung wegen Umweltauflagen abtransportiert werden müssen. Gleichwohl habe die alte Deponie einen ökologischen Wert gehabt. Gestrüpp und Bäume waren auf dem Gelände seit Jahrzehnten ungestört gewachsen. Die musste der Fernwärmebetreiber durch Ausgleichszahlungen kompensieren.
Erst als das Gelände gerodet war, konnte der Bautrupp die Gestelle für die Solarthermie-Kollektoren in den Boden rammen. Nicht überall ging dass aber in dem heterogenen Deponiekörper so glatt wie erhofft. „Etwa 10 Prozent der Profile konnten nicht gerammt, sondern mussten gebohrt werden. Das dauert natürlich länger und ist auch teurer“, berichtet Lewandowski.
Zwar herrscht auch im Potsdamer Solarfeld kein Mangel an Schlamm. Trotzdem konnten Oberbürgermeister Mike Schubert und seine Mitstreiter bei der feierlichen Einweihung der Solarthermie-Anlage ihren Job ohne Gummistiefel erledigen. Die Bauherrin EWP hatte rund um das symbolisch zu durchschneidende grüne Band ein Fuder Sand gestreut.
Dieser Artikel von Guido Bröer ist im Original in der der Zeitschrift Energiekommune – Infodienst für die lokale Energiewende (Ausgabe 1/2020) erschienen. Energiekommune erscheint 12mal pro Jahr zum günstigen Jahres-Abopreis von 29 € (PDF-Abo) bzw. 49,- € (gedruckte Zeitschrift).
Viele Informationen zum Einsatz von Solarthermie in der Fernwärme finden sich auf der Internetseite www.solare-waermenetze.de