Kritik am Referentenentwurf zum Kohleausstiegsgesetz

Wenn es nach dem Entwurf zum Kohleausstiegsgesetz geht, werden Kohlekraftwerke wie diese in Ibbenbüren noch lange am Netz sein.Foto: RWE
Das Solar Cluster Baden-Württemberg kritisiert den Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes.
Das Solar Cluster Baden-Württemberg fordert erhebliche Nachbesserungen am Referentenentwurf zum Kohleausstiegsgesetz. Die Blockade der erneuerbarer Energien müsse ein Ende haben.

In dieser Woche will das Bundeskabinett den Referentenentwurf zum Kohleausstiegsgesetz beschließen. Der zur Abstimmung stehende Fahrplan für die Abschaltung der Kohlekraftwerke weicht jedoch an mehreren Stellen von dem im vergangenen Jahr erzielten Kohlekompromiss ab. Darauf weist das Solar Cluster Baden-Württemberg hin und fordert erhebliche Nachbesserungen. Laut Gesetzesentwurf wird der Ausstoß an Kohlendioxid in den ersten zehn Jahren deutlich weniger verringert als vereinbart: Bis 2030 sollen nur fünf Gigawatt anstatt 20 Gigawatt Leistung abgeschaltet werden. Außerdem sinkt die Anzahl der CO2-Zerifikate nicht im gleichen Umfang wie die Kohleverstromung. „Das verletzt den Geist des Kohlekompromisses und muss korrigiert werden“, sagt Solar-Cluster-Geschäftsführer Franz Pöter. Auch die erneute Blockade erneuerbarer Energien müsse ein Ende haben, so Pöter. Im Gesetzesentwurf fehlt die Aufhebung des 52-Gigawatt-Deckels, der den Ausbau der Photovoltaik verhindert. Ein ähnlicher Hemmschuh droht dem Ausbau der Windstromerzeugung mit der 1.000-Meter-Abstandsregelung.

CO2-Reduktion in den ersten zehn Jahren viel zu gering

Der Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium soll den mit Verbänden und Industrie mühsam erzielten Kohlekompromiss rechtlich umsetzen. Doch es gibt nicht nur inhaltliche Kritik daran: „Wir hatten 22 Stunden Zeit, eine Stellungnahme zu formulieren“, bemängelt Pöter. „Eine Diskussion war wohl nicht erwünscht.“ Aus Sicht des Branchenverbandes ist etwa die CO2-Reduktion in den ersten zehn Jahren viel zu gering: Denn sie unterschreitet die Vereinbarung im Kohlekompromiss deutlich. Laut Kompromiss sollen in jedem Jahr zehn Millionen Tonnen CO2 vermieden werden. Das entspricht einem Abbau von rund zwei Gigawatt Kohlekraftwerksleistung. Im Entwurf stehen jedoch nur 0,5 Gigawatt pro Jahr, ein Viertel des ursprünglich Vereinbarten.

„Es darf nicht sein, dass die Politik einen Referentenentwurf zum Kohleausstiegsgesetz entwirft, dass den finanziellen Rahmen aus dem Kohlekompromiss überschreitet und trotzdem die vereinbarte CO2-Verringerung nur zu einem kleinen Teil umsetzt“, kritisiert Pöter. Wird der Entwurf Gesetz, stößt Deutschland bis 2030 rund 40 Millionen Tonnen mehr CO2 aus – eine große Belastung für das Klimaziel.  

Überschuss an CO2-Zertifikaten droht

Auch nicht alle CO2-Zerifikate der abgeschalteten Kraftwerke sollen laut Referentenentwurf zum Kohleausstiegsgesetz vom Markt genommen werden. Der daraus folgende Überschuss würde künftig den CO2-Preis beim Emissionshandelssystem drücken. Die verbleibenden Kohlekraftwerke könnten dadurch häufiger gewinnbringend am Markt agieren und so mehr Treibhausgas ausstoßen. Darüber hinaus sollen die Strompreise nun doch nicht sinken. Im Entwurf ist dies jedenfalls nicht mehr verpflichtend enthalten. Für die Energiewende ebenfalls negativ zu Buche schlägt: Der Umbau eines Kohlekraftwerks des Betreibers Uniper auf ein klimafreundlicheres Gaskraftwerk wird abgelehnt. Das Argument: 2.000 Arbeitsplätze seien betroffen.

Falsche Argumente Arbeitsplätze und Systemsicherheit

Die aktuellen Rahmenbedingungen haben Folgen besonders für die heimische Windindustriebranche, die seit 2017 bereits rund 35.000 Arbeitsplätze verloren hat – das ist weit mehr als alle derzeitigen Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie zusammen. Ähnlich erging es der Photovoltaik einige Jahre zuvor mit 75.000 verlorenen Jobs. Doch in der Photovoltaik- und Windenergiebranche ist das künftige Potenzial an Arbeitsplätzen im Vergleich zur Kohlebranche weiterhin groß. „Es ist deshalb unverhältnismäßig, den Umbau der Energieversorgung mit Verweis auf Arbeitsplätze in der Kohlebranche zu blockieren“, so Pöter weiter. „Eine kluge Industrie- und Wirtschaftspolitik für die Zukunftsenergien ist dringend erforderlich.“

Auch das Argument Energiesystemsicherheit trägt nicht weit: Trotz eines Ökostromanteils von fast 43 Prozent im Jahresdurchschnitt 2019 und eines 65-Prozent-Anteils über zwei Wochen im März 2019 ist die Netzstabilität in den letzten Jahren weiter gestiegen. Dies zeigt die historisch niedrige Zahl an Netzausfällen im Jahr 2018. Die Bundesnetzagentur bestätigt, dass die Energiewende bisher keinen Einfluss auf die Systemstabilität hat. Auch mit einem höheren Anteil erneuerbarer Energien können die Stromnetze stabil gehalten werden. „Somit ist die Behauptung, vom Kohlekompromiss abweichen zu müssen, um die Systemsicherheit zu gewährleisten, nicht mit Fakten belegbar“, so Pöter. „Sie schürt aber Angst in Bevölkerung und Industrie. Diese unbegründeten Aussagen sind unverantwortlich und volkswirtschaftlich schädlich.“

Sechs Forderungen des Solar Clusters Baden-Württemberg

Der Gesetzesentwurf zum Kohleausstiegsgesetz muss folgende Punkte enthalten:

  • Der im Kohlekompromiss vereinbarte CO2-Minderungspfad muss eingehalten werden. Die Abschaltzeitpunkte der Kohlekraftwerke dürfen daher nicht verzögert und die Reststrommengen nicht erhöht werden.
  • CO2-Zertifikate im Umfang der abgeschalteten Kraftwerke müssen vom Markt genommen werden.
  • Der Staat darf den marktgetriebenen Umbau von Kohlekraftwerken auf Gaskraftwerke nicht verhindern.
  • Der Staat darf den marktgetriebenen Umbau von Kohlekraftwerken auf Gaskraftwerke nicht verhindern.
  • Strompreisreduktion durch anteilige Umfinanzierung der EEG-Umlage im Rahmen der 40 Milliarden Euro
  • 52-Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik steichen, die 1.000-Meter-Abstandsregelung für Wind nicht beschließen
  • Arbeitsplätze in der Solar- und Windbranche nicht zugunsten der Kohleverstromung aufs Spiel setzen

27.01.2020 | Quelle: Solar Cluster Baden-Württemberg | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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