BGH stärkt Mieterstrom in Quartieren
Kann Mieterstrom auch die Straßenseite wechseln, ohne dadurch seinen EEG-Zuschuss zu verlieren? Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof bereits am 12. November 2019 indirekt mit „ja“ beantwortet. Jetzt hat er unter dem Aktenzeichen EnVR 66/18 die Gründe für seine Entscheidung genannt. Der BGH stärkt mit dem Urteil unter anderen Photovoltaik- und BHKW-Mieterstrom in Quartieren.
Es ging um den Fall von 20 Reihenhäusern einer Wohnungseigentümergemeinschaft die beidseits einer Straße auf einem Grundstück liegen. Die Bauträgergesellschaft vermarktet Strom und Wärme eines Blockheizkraftwerks an die Bewohner. Allerdings verweigerte der örtliche Stromnetzbetreiber den Anschluss des Arealnetzes als sogenannte „Kundenanlage“. Er pochte darauf, dass es sich um ein Netz der allgemeinen Versorgung handele – schon deshalb, weil die Kabel eine öffentliche Straße queren.
Charakter der Straße spielt keine Rolle mehr
Zwar hatte bereits die Bundesnetzagentur (BNetzA) entschieden, dass es sich trotz der Straßenquerung um eine Kundenanlage handele. Die sei mit einem gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt anzuschließen. Eine Vorinstanz hatte dies bestätigt, allerdings hatte die BNetzA mit dem Charakter der Straße argumentiert. Diese diene nur der Erschließung des Wohngebietes. Darauf komme es allerdings gar nicht an, stellte der BGH jetzt klar. Der entscheidende Rechtsbegriff des „räumlich zusammengehörenden Gebietes“ sei auch dann erfüllt, „wenn sich die Kundenanlage über mehrere Grundstücke erstreckt und diese Grundstücke so gut wie ausschließlich über die Kundenanlage versorgt werden, sofern die Grundstücke aneinander angrenzen und nicht verstreut liegen und auf diese Weise ein geschlossenes, von den äußeren Grundstücksgrenzen begrenztes Gebiet darstellen.“ Dabei sei es unschädlich, wenn ein so abgegrenztes Gebiet Straßen, ähnliche öffentliche Räume oder vereinzelte, nicht ins Gewicht fallende andere Grundstücke einschließe, welche nicht durch die Kundenanlage versorgt würden.
Auf PV-Mieterstrom übertragbar
Der Rechtsanwalt der Bauträgergesellschaft, Dirk Legler von der Hamburger Kanzlei Günther, betont, dass sich das Urteil insbesondere auch auf Photovoltaik- und KWK-Mieterstroms anwenden lasse. Nach dem EEG und dem KWK-Gesetz ist eine der Voraussetzungen für die Förderung, dass der Strom ohne Netzdurchleitung zu den Letztverbrauchern gelangt. Legler sagt: „Die BGH-Entscheidung bringt aus Sicht der dezentralen Objektversorgung erfreuliche Klarheit und vergrößert die Rechtssicherheit erheblich“.
Der Energierechts-Spezialist freut sich, dass nun die von der BNetzA und dem Oberlandesgericht Düsseldorf entwickelte „feindifferenzierte Kasuistik“ um den Charakter einer Straße nicht mehr von Fall zu Fall abzuarbeiten sei. Derartige Streitigkeiten hätten für die Marktakteure viel Aufwand bedeutet und Planungssicherheit zerstört.
Weitere Informationen: Bundesgerichtshof, Az: EnVR 66/18, www.bundesgerichtshof.de
Dr. Dirk Legler, Rechtsanwälte Günther, Mittelweg 150, 20148 Hamburg, Tel. 040 278494-0, legler@rae-guenther.de
30.1.2020 | Solarthemen | solarserver.de
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