Sven Neunsinger (KfW): Tunesien braucht Photovoltaik statt Gas

Portrait Sven Neunsinger vor Photovoltaik-Freiflächenanlage in Tunesien.Foto: Oliver Ristau
Sven Neunsinger leitet das Büro der KfW in Tunesien.
Sven Neunsinger leitet das Büro der KfW in Tunesien. Die deutsche Entwicklungsbank fördert die solare Stromerzeugung im Land. Oliver Ristau sprach mit ihm für die Solarthemen vor Ort in Tunesien.

Solarthemen: Herr Neunsinger, was macht die KfW in Tunesien in Sachen Photovoltaik?

Sven Neunsinger: Zum einen haben wir das erste Solarkraftwerk des Landes im Auftrag der Bundesregierung und der EU finanziert – sowie den weiteren Ausbau von 10 auf 20 Megawatt. Zum anderen fördern wir seit letztem September Dachanlagen auf öffentlichen Gebäuden für deren eigene Stromversorgung. Es geht um insgesamt 30 Megawatt.

Photovoltaik ist dank des Sonnenreichtums eine Top-Option. Was kann Tunesien tun, um schnell viel zu bauen?

Das Land kann sowohl Ausschreibungen durchführen, damit private Investoren (IPP) aktiv werden, als auch eigene Kraftwerke bauen. Bei der ersten Ausschreibung gab es sehr günstige Angebote. Aber noch ist kein Stromabnahmevertrag (PPA) unterschrieben. Im Detail ist es jetzt wichtig, den Investoren die Sicherheit zu geben, dass die angebotenen Verträge auch eingehalten werden. Die staatlich regulierten Tarife, zu denen der Stromversorger STEG den Strom an Endkunden weiterverkauft, sind noch nicht kostendeckend. Der Staat wird deshalb in irgendeiner Form eine Garantie geben müssen. Weil der Aushandlungsprozess dafür Zeit braucht und der Staat erstmal eine Reputation für PPAs aufbauen muss, macht es Sinn, parallel Kraftwerke in Eigenregie zu bauen. Mit keiner anderen Technologie kann das Land so schnell seine Kosten für importiertes Erdgas reduzieren und so die Handelsbilanz entlasten.

Sicherheit für Investoren

Doch in Tunesien sind die Kassen wie in vielen anderen Ländern klamm. Wie unterstützen Sie das Land konkret bei der Photovoltaik?

Denkbar ist neben direkter Förderung die Kopplung finanzieller Anreize an den Ausbau der PV. Je mehr erneuerbare Energien der Versorger einkauft, desto mehr Förderung erhält er. Das gibt den Investoren Sicherheit, kann Staatsgarantien aber nicht ersetzen.

Deutschland diskutiert über den Import von Solarstrom aus Nordafrika. Brauchen Länder wie Tunesien den grünen Strom nicht dringend selber?

Kurzfristig geht es sicher darum, dass Tunesien seinen eigenen Strombedarf deckt und Gas- durch Solarkraftwerke ersetzt. Wenn das erreicht ist, ist der Export eine sehr interessante Strategie, wenn man das Flächenangebot und das Einstrahlungspotenzial hier betrachtet.

Und solarer Wasserstoff?

Das Thema steht noch ganz am Anfang. Aktuell ist grüner gegenüber grauem Wasserstoff auf Erdgas-Basis noch nicht wettbewerbsfähig. Weil das Wasser in Tunesien knapp ist, müsste man für grünen Wasserstoff zudem Meerwasser mit erneuerbaren Energien entsalzen. Als Zukunftstechnologie zur Dekarbonisierung der Wirtschaft Tunesiens und als Exportgut sollte man die grüne Erzeugung von Wasserstoff in Tunesien aber im Auge behalten.

Machen in Tunesien wie in Marokko auch solarthermische Kraftwerke Sinn?

Für das Land geht es im Moment vor allem darum, einen möglichst günstigen Ausbaupfad zu beschreiten. Mit Blick auf die aktuelle Kostenstruktur von Solarkraftwerken ist die Photovoltaik die Technologie der Wahl. Solarthermische Kraftwerke haben zwar den Vorteil, dass sie speicherbare Energie erzeugen. Aber hierzu gibt es inzwischen kostengünstige Alternativen. Und weil mittags die größte Nachfrage wegen der Klimaanlagen be­steht, ist zudem der Speicherbedarf für Solarstrom bisher noch gering.

19.2.2020 | Interview: Oliver Ristau, Solarthemen | solarserver.de
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