Agrarroboter mit Photovoltaik ersetzt Traktoristen

Agrarroboter mit PhotovoltaikmodulenFoto: Dierk Jensen
Der Agrarroboter versorgt sich selbstständig mit Solarenergie.
In der Landwirtschaft könnte Digitalisierung mit Solarisierung einhergehen. Der dänische Roboter „Farmdroid” mit Photovoltaik-Antrieb sät und hackt selbstfahrend Rüben, Raps und Rote Bete.

Auf einem Feld südlich der dänischen Grenze. Viele große Windmühlen drehen sich behäbig im Wind. Die Sonne scheint april-klar und der Farmdroid dreht stumm seine Bahnen. Und zwar sehr langsam, mit rund einem Kilometer pro Stunde. So ist von Weitem kaum wahrnehmbar, ob sich die selbstfahrende Sämaschine mit der Photovoltaik-Anlage on top tatsächlich fortbewegt. Aber von Nahem erkennt der Beobachter dann doch: Der Agrarroboter fährt und sät Rüben und zwar immer gerade, nie kurvig. Auch Richtungswechsel macht er nie kreisend, sondern nur eckig, indem er sich im Stehen drehend per Funksignal in die gewünschte Richtung bringt.

Präzise Arbeit

Finn Johannsen und Christian Andresen gehen hinter dem sechsreihigen Agrarroboter mit einer Arbeitsbreite von drei Metern in die Knie, greifen mit ihren Händen vorsichtig in den sandigen, sehr trockenen Boden. „Guck, hier liegt ein Rübenkorn und da das zweite”, sagt Christian und misst den Abstand mit dem Zollstock nach. „Passt genau, alle 20 Zentimeter legt der Farmdroid die Körner ab.”

E-Mobile und Agrarroboter

Die beiden sind zufrieden, macht der Roboter doch das, was er vorgegeben bekommen hat. Rund 20 Hektar auf zwei – im Übrigen nicht eingezäunten – Schlägen soll der Roboter in dieser Saison säen. Wenn er damit fertig ist, dann wird er mit wenigen Handgriffen umgebaut, um nach der Saat sofort mit dem Hacken der Fläche zu beginnen. Obschon alles noch im Testmodus läuft, sind Bioland-Landwirt Johannsen und sein Schwager, Geschäftsführer der Solar-Energie An­dre­sen (SEA) GmbH im nordfriesischen Sprakebüll, durchaus zuversichtlich. Während Johannsen zukünftig auch Zuckerrüben in seine Fruchtfolge integrieren will, vertreibt Andresen mit seiner mittelständischen SEA seit Kurzem den solarbetriebenen Farmdroid aus Dänemark.

Landwirtschaft erneuerbar elektrifizieren

Für die SEA GmbH, die in den letzten Jahren Photovoltaik-Projekte mit einer Gesamtleistung von 115 Megawatt auf den Weg gebracht hat und sich in Sprakebüll und der gesamten Region für die E-Mobilität auf Basis erneuerbarer Energien engagiert hat, ist Agrarrobotik ein neues Geschäftsfeld. „Mein Hauptmotiv ist es”, hebt An­dresen hervor, „die Landwirtschaft von den fossilen Energien wegzubringen und sie stattdessen mit erneuerbaren Energien zu elektrifizieren. Und dazu passt der Farmdroid, der mit einem aufmontierten Solarmodul mit einer Leistung von 1,6 kW ausgestattet ist und damit genug Gleichstrom erzeugt, dass der Roboter ständig arbeiten kann.”

Für diese Leistung reicht eine Photovoltaik-Fläche von nur 6,5 Quadratmetern. Dabei kommen die effizienten, monokristallinen 400-Watt-Module vom amerikanischen Hersteller Sunpower zum Einsatz. Da der arbeitende Roboter maximal 800 Watt pro Stunde braucht, kann bei maximaler Einstrahlung theoretisch 800 Watt in die vier unterhalb des Solardachs befindlichen, je 1,2 Kilowattstunden (kWh) speichernden Bleigel-Batterien abgegeben werden. Diese maximal abgespeicherte Energie von 4,8 Kilowattstunden reicht, wenn es dämmert und Nacht wird, für maximal sechs Stunden Antriebsreserve. Mit anderen Worten: Im Mai und Juni kann der Farmdroid rund um die Uhr arbeiten. Allerdings, so schränkt Andresen ein, „mit 20 Hektar Zuckerrüben ist das selbstfahrende Gerät ausgelastet, mehr schafft es nicht.”

Anschaffung rechnet sich

Zumindest energetisch betrachtet klingt das überzeugend. „Wir treiben uns als Landwirte wieder selber an”, bekräftigt denn auch Finn Johannsen. Aber wie rechnet sich das Ganze für ihn? Johannsen überschlägt auf die Schnelle. Der Roboter koste 65.000 Euro, beackert dabei maximal 20 Hektar Zuckerrüben. Der Nordfriese veranschlagt für die Aussaat Kosten von 50 Euro pro Hektar. Dazu kommen noch fünf bis sechs Hackgänge, wodurch er mindestens 2000 Euro Kosten pro Hektar einsparen würde. Summa summarum rund 41.000 Euro pro Jahr. „Allein schon deshalb würde ich den Roboter jedem empfehlen, ist doch die Investition nach dem zweiten Jahr amortisiert”, meint Johannsen. Gleichzeitig warnt er aber auch: „Wer zu digitalen Geräten, ob nun Smartphone oder anderen Instrumenten nun keine Verbindung und gar keine Erfahrungen damit hat, der sollte die Finger lieber vom Roboter lassen.”

Kein Perpetuum mobile

Denn es sollte klar sein, dass auch ein Roboter kein Perpetuum mobile ist. Sondern auch Arbeit macht und Know-how braucht. Dies führt zu der Frage, wie das Ganze eigentlich funktioniert? Christian Andresen versucht es mit wenigen Sätzen zu erklären: Es sei kein Hexenwerk, schickt er voraus. Wichtig für die Steuerung des Farmdroids ist es, dass die zu beackernden Felder präzise vermessen werden. Dafür wird die Technik der sogenannten Echtzeitkinematik verwendet, bei der über eine Spezialantenne die Positionskoordinaten via Satellitensignal in die Software übertragen werden.

Dafür muss der Farmdroid per Schlepper in alle Ecken des Feldes gebracht werden; das nimmt schon mehrere Stunden in Anspruch, muss jedoch nur einmal vorgenommen werden, weil dann die Daten „für immer” eingespeichert sind. Das Programm Simatic übernimmt dann die Wegsteuerung und versendet über SMS an den Landwirt drei Befehle: „Stopp”, „Go” oder „Go to”. Und wenn plötzlich ein Platzregen auf das Saatbeet prasselt und alles verschlämmt? – „Wenn es regnet, bleibt er stehen”, antwortet Andresen, da ein Sensor den Niederschlag messe.

Ziel: 40 Stück pro Jahr

Wowww. Dann ist doch alles paletti, oder? Nicht ganz, gibt es doch noch viele offene Fragen zu Diebstahl, Versicherung, Sicherheit und Datenschutz. Dennoch: Im Jahr 2019 kamen schon zwölf Farmdroids in Dänemark zum Einsatz. „Darunter war ein Kunde, der den Roboter wieder zurückgab, weil er damit nicht klar kam. Ein anderer hat hingegen zwei neue dazu bestellt”, verrät Andresen, der sich in den Kopf gesetzt hat, schon im nächsten Jahr 40 Modelle allein im norddeutschen Bereich zu verkaufen. Wobei der Farmdroid auch für Saat, Hack- und Striegelpflege von Raps, Rote Bete und sogar Zwiebeln geeignet sein soll.

Dabei entbehrt es nicht einer gewissen, sagen wir mal, Brisanz, gerade in Zeiten von Corona, wo alle Welt über Chancen der Digitalisierung redet, über neue, selbstfahrende Agrarroboter zu berichten. Denn gerade die Diskussion darüber, ob trotz des Shutdowns rumänische Saisonarbeiter zum Ernten auf deutschen Spargel- und Erdbeerfeldern per selbstgecharterten Flugzeugen eingeflogen werden dürfen, wirft doch ein besonderes Licht auf den zunehmenden Einsatz von Agrarrobotern.

Es gibt keine Statistik

Den rasenmähenden Roboter im Vorgarten kennt mittlerweile jeder. Unterdessen kann das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) auf Anfrage aktuell nicht beziffern, wie viele selbstfahrende Maschinen auf Deutschlands Äckern schon hacken, mähen, säen oder ernten. Darüber wird bislang noch keine spezielle Statistik geführt. Laut einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2017 nutzt aber mittlerweile schon jeder zweite Landwirt oder Lohnunternehmer digitale Technologien. Dabei ist nicht nur die Automatisierung im Stall (Melkroboter) in der Offensive, sondern auch auf den Feldern.

Neben dem dänischen Farmdroid gibt es noch eine Reihe weiterer Agrarroboter. Stellvertretend ist ein Roboter aus den Niederlanden zu nennen, der Spargel automatisch stechen kann. Allerdings sei, so warnt eine Sprecherin des BMEL, der Einsatz von autonom fahrenden landwirtschaftlichen Maschinen „zurzeit aus juristischer sowie technischer Sicht noch nicht ohne weiteres möglich“. Trotzdem will das Ministerium in den kommenden Jahren für Projekte der Digitalisierung in der Landwirtschaft eine Fördersumme von rund 60 Millionen Euro bereitstellen. Davon sollen allein 50 Millionen für die „digitalen Experimentierfelder” fließen, die vom Kompetenznetzwerk „Digitalisierung in der Landwirtschaft” begleitet werden.

23.4.2020 | Autor: Dierk Jensen
© Solarthemen Media GmbH

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