KIT entwickelt realistischere Sicherheitsprüfungen für Batteriesysteme

Zu sehen ist der Testaufbau des KIT für Sicherheitsprüfungen für Batteriesysteme.Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT
Prüfen von Lithium-Ionen-Zellen unter kritischen Bedingungen: Die am KIT entwickelte Apparatur ist temperierbar und mit Sensorik ausgestattet.
Laut KIT werden bei den derzeitigen Sicherheitsprüfungen für Batteriesysteme tatsächliche Fehlerverläufe nicht untersucht und so bleiben Herstellungsfehler von qualitativ minderwertigen Zellen und deren Risiken unerkannt. Neue Testverfahren sollen Abhilfe schaffen.

Die Entwicklung innovativer Batteriesysteme setzt verlässliche Sicherheitsprüfungen für Batteriesysteme mit den verwendeten Lithium-Ionen-Zellen unter Realbedingungen voraus. An der Entwicklung verbesserter Standards, die für mehr Sicherheit, aber auch für mehr Flexibilität im Batteriedesign sorgen sollen, arbeitet das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Forschungsprojekt „Entwicklung eines Propagations-Prüfverfahrens für Lithium-Ionen-Zellen in Batteriesystemen“ ProLIB nun gemeinsam mit Prüf- und Normungsinstituten sowie mit Partnern aus der Industrie. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert diese Forschung mit mehr als 1,2 Millionen Euro.

Wer sich nicht daran erinnert, wann er das letzte Mal sein Notebook von einem Nagel durchbohrt vorgefunden hat, dem sei versichert: So etwas geschieht eher selten. Trotzdem ist genau das ein heute übliches Vorgehen bei Sicherheitsprüfungen für Lithium-Ionen-Batterien: „Um bestimmte Tests durchzuführen, müssen die Zellen zunächst massiv misshandelt werden“, sagt Anna Smith vom Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT. „Ziel der Anstrengungen ist es, angenommene Worst-Case-Defekte im Inneren der Zellen auszulösen, um deren Verlauf in der Batterie zu beobachten.“ Neben dem Durchbohren mit Nägeln sei es etwa auch üblich, Zellen extrem zu überladen oder zu überhitzen.

Die bei solchen Methoden entstehende Diskrepanz zwischen Sicherheitsprüfungen für Batteriesysteme und einer realistischen Beanspruchung bleibt nicht folgenlos: Tatsächliche Fehlerverläufe sind nicht Gegenstand der Untersuchung und so bleiben Herstellungsfehler von qualitativ minderwertigen Zellen und deren Risiken unerkannt, während eigentlich sichere Zellen benachteiligt werden. „Wenn Batteriesysteme unabhängig von Ihrer Zellqualität für realitätsferne Worst-Case-Szenarien ausgelegt werden, dann macht sie das nicht sicherer, sondern voluminöser, schwerer, weniger nachhaltig und auch teurer als notwendig“, so Smith.

Mehr Sicherheit durch realistischere Prüfverfahren

Grundsätzlich ist die Sorge vor gefährlichen Defekten in Lithium-Ionen-Zellen nicht unbegründet: So können sich Dendriten, also spitze Lithiumablagerungen, an der Anode bilden. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese dann Kurzschlüsse auslösen, und somit letztendlich auch einen Thermal Runaway (eine exotherme Reaktion mit starker, sich selbst beschleunigender Wärmeentwicklung) herbeiführen, ist besonders in Zellen gegeben, die qualitativ niederwertige Zellkomponenten beinhalten. Durch Ausbreitung dieses Fehlers auf benachbarte Zellen (Propagation) folgen im schlimmsten Fall eine Kettenreaktion sowie ein Brand der Batterie. Und jede Steigerung der Energiedichte, um beispielsweise die Reichweite eines vollelektrischen Fahrzeuges zu erweitern oder die Nachhaltigkeit durch weniger Rohstoffeinsatz zu verbessern, wird durch zu grobe Testverfahren erschwert. „Die Widerstandsfähigkeit der Lithium-Ionen-Zelle gegen wirklich gefährliche Defekte, die etwa aufgrund des Zellaufbaus oder der Zellkomponenten je nach Hersteller stark variieren kann, steht viel zu wenig im Mittelpunkt. Vom Thermal Runaway auszugehen ist, als würde man die Sicherheit eines Feuerzeugs ausschließlich an dessen Explosionsverhalten bemessen“, so Smith.

Zurzeit forscht man weltweit an der Verbesserung von Propagationstests. In anderen Forschungsprojekten liegt der Schwerpunkt allerdings darauf, einen Thermal-Runaway reproduzierbarer auszulösen (z. B. mit Lasern) – unabhängig davon, ob eine Zelle ihn in der Praxis tatsächlich eingehen würde. ProLIB ist das bislang einzige Forschungsprojekt, das realitätsnahe und zellspezifische Fehler erforscht. Dabei wollen die Forschenden nun verbesserte Sicherheitsprüfungen für Batteriesysteme ausarbeiten und dieses für neue Normen zu Lithium-Ionen-Batterien in stationären und mobilen Anwendungen nutzen. So wollen sie die bestehenden Lücken in der Normung bezüglich der realistischen Bewertungskriterien für Sicherheit und Qualität von Lithium-Ionen-Batterien schließen. Die neuen Standards sollen einen faireren Wettbewerb ermöglichen, zur Senkung von Rohstoffeinsatz, Entwicklungs- und Produktkosten durch Vermeidung von Überauslegung beitragen und die Sicherheit im Betrieb von Lithium-Ionen-Batterie erhöhen.

13.7.2020 | Quelle: KIT | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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