Einspeisezähler verspätet sich – wer haftet?

Im Hintergrund ein Stromzähler, im Vordergrund GeldscheineFoto: moquai86 / stock.adobe.com
Bei einigen Netzbetreibern kommt es – offenbar aufgrund der Corona-Krise – seit einigen Monaten häufig zu Verzögerungen beim Einbau von Einspeisezählern für Photovoltaik­anlagen. Wer haftet in solchen Fällen für die Einnahmeausfälle von verhinderten PV-Betreibern?

Die Innogy-Tochter Westnetz entschuldigte sich Mitte Juni wegen nicht gelieferter Einspeisezähler in einem Rundschreiben an Installateure. „Durch die aktuell massive Erhöhung der Auftragseingänge sowohl bei Westnetz als auch bei den Paketdienstleistern, kommt es aktuell zu Verzögerungen im Zentralen-Zählerversand (ZZV).” Das Corona-Virus habe enorme Auswirkungen auf die logistische Abfertigung, erläutert Westnetz.

„Jetzt haben wir wenigstens etwas in der Hand, das wir unseren wartenden Kunden zeigen können”, kommentiert Claus Stickann, Geschäftsführer der Rainbows End Solartechnik GmbH in Osnabrück, das Westnetz-Schreiben. Seit Monaten ist er genervt von langen Wartezeiten auf die frühzeitig bestellten Einspeisezähler. Denn Solarteure wie er sind es, die den Unmut der verärgerten Kunden täglich abbekommen. Die müssen teils bei herrlichstem Sonnenschein darauf warten, dass ihre fertig installierten Photovoltaikanlagen endlich Strom produzieren. Die Misere haben den Solarthemen auch andere Installationsbetriebe bestätigt. Und das Problem ist nicht auf das große Netzgebiet von Westnetz beschränkt.

Probleme auch bei Stadtwerken

In Stickanns Einzugsgebiet haben auch einige Stadtwerke Lieferprobleme. „Aber die haben das wenigstens schon im März zugegeben und sich entschuldigt. Für uns ist das gut und wichtig. Wir können das dann beim Kunden kommunizieren und er kann erkennen, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben”, sagt der Solarteur. Seit drei Jahrzehnten ist Stickann im Geschäft; Probleme mit verspäteten Lieferungen der Einspeisezähler habe er in solchem Ausmaß aber noch nie erlebt.

Da stellt sich die Frage, wer für die wochen- und womöglich monatelangen Verdienstausfälle der ausgebremsten PV-Betreiber haftet. Die Innogy-Pressestelle erklärt auf Solarthemen-Anfrage: „Sollte es durch eigenes Verschulden der Westnetz zu Verdienstausfällen bei Anlagenbetreibern kommen, werden wir im Rahmen des EEG dafür haften.”

EEG sichert keinen Ausgleich

Das klingt souverän und kundenfreundlich. Ob PV-Betreibern damit im Streitfall geholfen wäre, ist freilich sehr ungewiss. Denn weder gibt es im EEG klare zeitliche Vorgaben für die Lieferung rechtzeitig bestellter Einspeisezähler, noch kann sicher davon ausgegangen werden, dass dem Netzbetreiber im Streitfall eigenes Verschulden vorzuwerfen ist, wenn dieser auf allgegenwärtige Probleme während der Corona-Pandemie verweisen kann. Aus juristischer Sicht ist die Materie nämlich äußerst komplex. Das geht schon aus der mehrseitigen Antwort der Clearingstelle EEG/KWKG hervor, mit der sie auf Anfrage der Solarthemen zu dem Problem Stellung nimmt.

Das Problem ist dort zwar wohlbekannt. „Tatsächlich richten sich vergleichsweise viele Anlagenbetreiber an die Clearingstelle, um zu fragen, was sie gegen die Verzögerungen bei der Zählersetzung machen können und ob ihnen ggf. Schadensersatzansprüche zustehen. Zu einem förmlichen Verfahren in dieser Sache ist es jedoch bislang nicht gekommen, da die Clearingstelle für die Klärung rein vertraglicher Ansprüche ohne konkreten Bezug auf eine Norm des EEG oder KWKG nicht zuständig ist”, erklären Natalie Mutlak und Alexander Todorovic von der Clearingstelle. Deshalb lasse sich dazu noch keine belastbare Aussage treffen.

Vorrangiger Netzzugang

Zwar bestimme § 8 des EEG, dass Netzbetreiber neue Anlagen „unverzüglich vorrangig (…) an ihr Netz anschließen” müssten. Aber: „Anders als für die Frage des Netzanschlusses gibt es für das Setzen von Zählern keine gesetzlich geregelte Frist oder Vorgabe”. Außerdem ist zu beachten, dass man nach dem Messstellenbetriebsgesetz auch andere als der grundzuständige Netzbetreiber mit der Zählersetzung beauftragen kann.

Messstellenbetreiber haftet

Wenn vereinbarte Fristen für die Zählersetzung nicht eingehalten werden, haftet der beauftragte Messstellenbetreiber. Und zwar nicht nach dem EEG, sondern schlicht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Dies richte sich „ausschließlich nach dem zugrunde liegenden Vertrag in Verbindung mit den Schadensersatznormen des BGB”, so die Clearingstelle. Die Beweislast trifft hier regelmäßig denjenigen, der den Schadensersatz begehrt, also den PV-Betreiber.

Um sich gar nicht erst auf solche Streitigkeiten einzulassen und ihre Kunden zufrieden zu stellen, suchen Installateure einen Ausweg. Sie lassen die PV-Anlage bei Wartezeiten bis zur Zählersetzung einfach stillschweigend im „Probebetrieb” laufen. Dies ist illegal, sofern über einen rückwärtslaufenden Zähler Strom ins Netz eingespeist wird. Aber auch wenn dabei der Wechselrichter – was bei manchen Modellen möglich ist – so programmiert wird, dass keine Überschusseinspeisung stattfindet und Strom nur für den Eigenverbrauch produziert wird, begeben sich PV-Betreiber und Installateur auf dünnes Eis.

Hier habe der PV-Betreiber darzulegen, dass eine Einspeisung ins Netz technisch ausgeschlossen sei, heißt es von Seiten der Clearingstelle. Sofern er dies aber nachweisen könne, spreche im Prinzip nichts gegen einen Netzanschluss ohne das Setzen eines Einspeisezählers. Allerdings hat die Clearingstelle in einem Votum aus dem vergangenen Jahr (Votum 2019/7) sehr hohe Maßstäbe für diesen Nachweis aufgestellt.

Bei Anlagen, die größer sind als 10 kW und die deshalb nicht mehr unter die Bagatellgrenze der EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch fallen, muss außerdem der Eigenverbrauch mit einem geeichten Zähler gemessen werden. Sonst kann er vom Netzbetreiber geschätzt werden.

17.7.2020 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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