Gunter Erfurt (CEO Meyer Burger): „PV-Strom für zwei Cent“

Gunter Erfurt, CEO bei Meyer BurgerFoto: Meyer Burger
Gunter Erfurt, CEO bei Meyer Burger
Gunter Erfurt ist seit April 2020 CEO von Meyer Burger. Das Unternehmen überraschte im Frühjahr mit der Ankündigung, in Deutschland wieder eine eigene Solarzellenfabrik aufbauen zu wollen. Im Interview mit dem Informationsdienst Solarthemen erklärt 47-jährigen Diplom-Physiker, der früher als Manager bei Solarworld tätig war, der Schlüssel zum Erfolg liege in der Technologie.

Herr Erfurt, sie wollen mit Meyer Burger in Deutschland wieder Zellen und Module herstellen. Das hat auch Ihr früherer Arbeitgeber Solarworld versucht, ist aber gescheitert. Warum soll Meyer Burger das nun gelingen?

Dass die globale PV in den letzten Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat, liegt neben Massenproduktion an der technologischen Entwicklung. Die hat Meyer Burger in der Vergangenheit entscheidend mitgeprägt – mit Entwicklungen wie der Diamantdrahtsäge und Technologien wie der Passivierung von Solarzellen (PERC). Es gibt wohl kein kristallines Siliziummodul auf den Dächern dieser Welt, das nicht in ir­gend­einer Weise unsere Technologie enthält.

Und nun wollen Sie diese Technologie nicht mehr teilen?

Wir überlassen die Wertschöpfung nicht mehr anderen. Den nächsten Technologiesprung realisieren wir selbst und auch alle künftigen. Wir geben diese Technologie nicht mehr aus der Hand und profitieren von unseren Innovationen in einem wachsenden Markt selbst.

Aber Ihre alten Maschinenbaukunden könnten Ihnen mit den Modulen doch Konkurrenz machen.

Nicht im Bereich Heterojunction, den wir ja erst aufbauen. Die von uns nun genutzte Technologie ist weiter entwickelt als die bisher von uns installierten Produktionsanlagen.

Aber nochmal: Die integrierte Zell- und Modulproduktion hat Unternehmen wie Solarworld ruiniert.

Es gibt andere Beispiele. Die Firma Longi in China produziert Wafer mit eigener Anlagentechnik und macht daraus Zellen und Module. Das ist erfolgreich. Und wir haben die nächsten beiden Technologieschritte schon in der Planung. Die weiterführende Heterojunction-Technologie und unsere Beteiligung am Perowskit-Entwickler Oxford PV.

Höhere Effizienz

Sie haben vielleicht die Technologie, China aber billige Massenproduktion. Wie können Sie da mit einer Fertigung in Europa wettbewerbsfähig sein?

Der entscheidende Punkt ist, dass wir nicht das Gleiche machen wie der chinesische Wettbewerb. Wir produzieren ein Produkt, das eine deutlich höhere Effizienz haben wird und einen deutlich höheren Energieertrag. Außerdem können wir die hochentwickelte und kosteneffizient skalierte PV Supply Chain genauso nutzen wie andere Marktteilnehmer.

Und die Personalkosten?

Die liegen bei weniger als zehn Prozent der Gesamtkosten. Da ist kein großer Lohnunterschied mehr zu Asien. Im Gegenteil: Im Großraum Shanghai etwa sind Fachkräfte mittlerweile teurer als in Ostdeutschland.

Aber der Kostendruck hält weiter an, oder?

Davon gehen wir aus. Aber schauen Sie nach China. Da lagen die Produktionskosten bei einem der Tier1-Hersteller laut dem letzten Quartalsbericht bei 23 US-Cent je Watt Spitzenleistung. Auf dem Niveau ist schon viel ausgereizt. Das Kostensenkungspotenzial ist heute bei weltweiten Kapazitäten von 130 Gigawatt (GW) nicht mehr das von vor zehn Jahren. Und auch chinesische Unternehmen müssen Geld verdienen.

Können Sie mit 23 Cent mithalten?

Wir werden unsere Module sicher nicht zum gleichen Preis wie Standardmodule verkaufen. Es kommt aber auch nicht nur auf den Preis pro Watt Spitzenleistung an, sondern auf die Stromgestehungskosten. Mit unserer Technologie können Kunden am Ende des Tages günstiger Solarstrom erzeugen als mit einem Standard-Modul. Und zwar so, dass das auch für uns rentabel ist. Dazu kommt, dass bei uns die Skalierung erst beginnt. Wir fangen mit 400 Megawatt an und wollen 2026 bei 5 Gigawatt sein.

Produktion im Solar Valley

Und die werden in Deutschland produziert?

Für die Solarzellen mieten wir in Bitterfeld das ehemalige Produktionsgebäude von Sovello. Die Halle ist leergeräumt, in einem Top-Zustand und wir können sehr schnell mit unserem Equipment und der notwendigen Haustechnik hinein. Denkbar, dass wir dort auf 5 Gigawatt ausbauen. Die Zelle ist für eine zentrale Produktion bestens geeignet. Das Solarmodul aber nicht. Eine 5 Gigawatt-Fertigung macht da keinen Sinn.

Warum?

In einem Lkw mit Standardcontainer bekommen Sie 25 bis 35 Module auf Europaletten unter. Sie haben für den Langstreckentransport von Modulen einen hohen Logistikaufwand und damit einen zu hohen CO2-Fußabdruck. Dagegen passt die Produktion mehrerer Monate von Zellen in den gleichen Lkw.

Wie sehen ihre Pläne für die Modulfertigung in Deutschland also aus?

Wir kaufen die alte Solarworld-Modulfabrik in Freiberg. Es ist immer noch die größte Modulfabrik Europas. Die Linie nehmen wir wieder in Betrieb. Sie liegt wie in einem Winterschlaf. Die vorhandene Produktionstechnik wie die Stringer stammt zu hundert Prozent von Meyer Burger. Wir werden sie natürlich noch auf den neuesten Meyer-Burger-Technologiestand bringen.

Start mit 400 MW

Und wie viel wollen Sie dort produzieren?

Wir gehen mit 400 MW ins Rennen. Damit ist die Fertigung aber nicht ausgelastet. Es besteht ein Potenzial von 800 MW bis 1 Gigawatt.

Da fehlen also noch mindestens 4 GW im Modulendausbau. Wollen Sie die anderen Fabriken selbst betreiben oder könnten das auch Weiterverarbeiter tun?

Es gibt niemand, der unsere patentgeschützte Modultechnologie nutzen kann und das soll so bleiben. Wir werden diese Technologie Dritten nicht zur Verfügung stellen.

Woher beschaffen Sie Ihre Wafer?

Am Standort Bitterfeld gibt es ein Start-up NextWafe, das dort eine Gigawatt-skalierte Fertigung für neuartige Wafer aufbauen will, die nicht mehr gesägt werden. Das ist ein sehr energieeffizientes Verfahren. Wir arbeiten mit dem Unternehmen bereits zusammen. So bekäme man am Standort Bitterfeld eine Art Integration von Wafer- und Zellenproduktion hin. Bis dahin kaufen wir Wafer ein – nicht notwendigerweise in China. Auch in Europa gibt es Lieferanten – so wie für alle anderen Komponenten auch. Folien, Verbindungstechnologie, Dosen, Rahmen oder Glas: Die Branche hat sich hier sehr gut entwickelt, wenngleich die Lieferketten in Europa wiederbelebt werden müssen.

Wie reagieren potenzielle Kunden auf Ihre Absicht, in Deutschland Heterojunction-Module zu produzieren?

Sehr positiv. Wir haben Absichtserklärungen über ein Volumen von 2 Gigawatt Modulen und Solarzellen vorliegen. Bei angestrebten 400 Megawatt Kapazität am Anfang ist das eine schöne Ausgangsposition.

Europa darf nicht naiv sein

Setzen Sie auch deshalb auf den Einkauf in Europa, um Engpässe wie sie in der Coronakrise aufgetreten sind, künftig zu vermeiden?

Absolut. Es geht um Lieferketten und Verlässlichkeit. Bisher ist der Umgang Europas mit dem Thema aber naiv und gefährlich. Wir reden bei der Photovoltaik über das Öl der Zukunft, das Fundament künftiger Energieversorgung. Und wir verlassen uns fast vollständig auf China. Das darf aus industriepolitischer Sicht nicht sein. Deshalb ist die Entscheidung zur Rückkehr der Zellproduktion in Europa eine wichtige strategische Weichenstellung.

Die bisher aber weder von Berlin noch von Brüssel finanziell unterstützt wird.

Um es klar zu sagen: Unsere Expansionspläne sind wirtschaftlich tragfähig. Wir betteln nicht um Subventionen. Was uns wichtiger ist, ist eine Unterstützung bei der Beschaffung von Fremdkapital, zum Beispiel über Bürgschaften oder durch Landesbank-Instrumente. Denn für unsere großen Expansionspläne brauchen wir starke Finanzpartner. Und Banken halten sich in der aktuellen Lage bei der Kreditvergabe zurück.

Import ist Irrsinn

Welche Möglichkeiten sehen Sie für Europa, seine PV-Industrie zu stärken?

Zölle wollen wir jedenfalls keine, weder für Solarmodule noch für Komponenten wie z.B. Glas. Aber die Solarbranche ist eine, die der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Das muss Berücksichtigung finden. Ein Modul ist ein voluminöses Produkt. Die Logistik ist teuer. Laut Fraunhofer kostet der Import aus China zwischen 1 bis 3 Cent je Watt Spitzenleistung. Um so viel kann eine Modulproduktion in Europa also schon mal rein betriebswirtschaftlich teurer sein. Aber der Import ist auch ein Irrsinn im Sinne der Umwelt. Die EU sollte deshalb den CO2-Fußabdruck eines Solarmoduls in Ausschreibungen zu einem Kriterium machen. Und die Technologie.

Wie billig wird der Solarstrom mittelfristig?

Der Preis wird noch weiter fallen, durch Technologieschritte wie unsere. Das ist die Karte, auf die wir setzen. Wir haben die Chance, auf zwei Cent je Kilowattstunde zu kommen oder gar darunter.

20.8.2020 | Interview: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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