Wie heiß ist der erneuerbare Wärmemarkt?
„SHK-Handwerker bauen lieber schicke Bäder ein als Solarkollektoren“ – Dieser Satz war jahrelang eine der Standard-Erklärungen für den seit 2008 trotz hoher BAFA-Förderung für erneuerbare Wärme stetig sinkenden Stern der Solarthermie. Falls er denn je gestimmt hat, gilt dieser Satz jetzt nicht mehr. Nach der jüngsten repräsentativen Umfrage des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) unter 1752 Installationsbetrieben hat sich die Einschätzung der SHK-Meister über die künftige Entwicklung in ihren verschiedenen Geschäftsfeldern gedreht. Die meisten Geschäftsimpulse erwarten die Betriebe in den kommenden Monaten vom Heizungsbereich. In diesem Segment zeigt der Geschäftserwartungsindex laut ZVSHK-Konjunkturbericht einen viel optimistischeren Wert von 16,3 als für das Sanitärgeschäft, wo er auf 5,1 steht. Vielleicht auch deshalb, weil Auftragsstornierungen in Folge der Corona-Pandemie laut der Befragung insbesondere den Bereich Sanitär betreffen.
Wegen Heizungserneuerungen hingegen rennen Kunden insbesondere den auf Solar und Biomasse spezialisierten Handwerksbetrieben aktuell die Türen ein.
Anträge beim BAFA vervielfacht
Die Antragsstatistik für erneuerbare Wärme des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA zeigt seit der Änderung des Förderprogramms Anfang Januar eine Vervielfachung. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie in Deutschland erreichte die Zahl der Anträge im März ihren vorläufigen Höhepunkt. Seitdem pendelt die Gesamtzahl auf beinahe gleichbleibendem Niveau von etwa 25.000 pro Monat. Im Vorjahr hatten die Anträge in den drei Haupt-Fördersegmenten Solar, Biomasse und Wärmepumpe zusammen nur bei etwa einem Viertel des aktuellen Niveaus gelegen. Im ganzen Jahr 2019 waren in Summe nur Förderungen für etwa 65.000 dieser EE-Wärmeerzeuger beim BAFA beantragt worden.
Der Quantensprung ist selbst von Skeptikern nicht zu leugnen, selbst wenn man bedenkt, dass damals auch noch einige Förderungen für Einzelheizungen von der KfW abgewickelt und Gaskessel in der BAFA-Förderung nicht separat gezählt wurden. Außerdem gibt es jetzt beim BAFA weitere Fördertatbestände für Erneuerbare im Neubau, die bis 2019 ausgeschlossen waren.
Ein Gutteil der Konjunktur dürfte aber auf die „Abwrackprämie“ für alte Ölkessel zurückzuführen sein. Etwa die Hälfte aller Antragssteller reklamiert laut BAFA auch diesen Zuschlag von 10 Prozent der gesamten Sanierungskosten, der bei Stillegung eines Ölkessels winkt.
Nach Einschätzung des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) kommt die Abwrackprämie derzeit vor allem dem Geschäft mit Holzkesseln zugute. Für Biomassekessel verzeichne die BDH-Statistik im ersten Halbjahr 2020 ein Absatzplus von 100 Prozent, erklärte der Geschäftsführer Technik des Verbandes, Lothar Breidenbach, gegenüber den Solarthemen. Insbesondere Pelletöfen für Wohnräume mit integrierter Wassertasche seien aktuell die Shootingstars im BAFA-Förderprogramm, meldet der Deutsche Energieholz- und Pellet-Verbandes (DEPV).
Holzheizungen profitieren von der Ölabwrackprämie
Dass die Biomasse-Branche überproportional von der Flucht aus dem Öl profitiert, verwundert Breidenbach nicht. Denn dort, wo Ölkessel heute noch besonders verbreitet seien, im ländlichen Raum, liege oft keine Gasleitung. Und Wärmepumpen sind im Altbau nicht immer die beste Alternative. Den deutlichen Zuwachs von 24 Prozent beim Wärmepumpenabsatz vermutet Breidenbach im wesentlichen im Neubau. Dort haben die neuen Förderrichtlinien des BAFA eine Öffnung gebracht. Allerdings ist das Amt der Branche bislang genauere Statistiken schuldig geblieben. Die fehlen, um ein differenzierteres Bild davon vermitteln könnten, wie der Markt sich in diesem Jahr entwickeln könnte.
Unklar ist beispielsweise, wieviel der beim BAFA neu eingeführten Förderkategorie der „Gas-Hybrid-Anlagen“, also Gasbrennwertkessel plus EE-Wärmeerzeuger auf typische erneuerbare Zusatzoptionen wie Solar, Pelletsofen oder Mini-Wärmepumpe jeweils entfällt. Auf Anfrage der Solarthemen stellte das BAFA jetzt immerhin klar, dass beispielsweise Solaranlagen in der monatlich veröffentlichten Antragsstatistik auch dann innerhalb des gelben Solarsegments ausgewiesen werden, wenn sie als Teil einer Hybridanlage beantragt wurden: „In der Rubrik Gashybrid/Renewable Ready Anlagen sind keine zusätzlichen Solaranlagen enthalten. Ein Gashybridantrag mit den Wärmeerzeugern Gas und Solarthermie würde in der Wärmeerzeugerstatistik sowohl in der Rubrik Gashybrid als auch in der Rubrik Solarthermie erfasst.“
Hausbesitzer verschenken Geld
Auch sonst ist ein genauerer Blick auf das Hybridanlagen-Segment interessant. Von Januar bis Juli nahm das BAFA für solche Gasbrennwertkessel mit EE-Nebenaggregat knapp 20.000 Anträge entgegen. Bleiben die Antragszahlen auf dem Niveau wie seit März, könnten im Laufe des Jahres etwa 40.000 Hybridsysteme installiert werden. Bei einem Marktvolumen von jährlich etwa 500.000 verkauften Gas-Brennwertheizungen in Deutschland, von denen die meisten als Austauschgeräte in den Gebäudebestand gehen, wird also der weit überwiegende Teil der neu eingebauten Fossilkessel weiterhin wohl nicht „solarisiert“. Und dies, obwohl es im Rahmen einer Hybridsystem-Förderung vom BAFA die Solaranlage zur Gasbrennwertheizung bei realistischer Rechnung quasi dazugeschenkt gibt (vgl. Solarthemen 523). Und ob nennenswert viele Gaskessel „renewable ready“ installiert werden, um nachträglich 20 Prozent-Steuerbonus beim Finanzamt einzuheimsen, ist zumindest fraglich.
Bei aller Begeisterung der Branche über die nach 11-jährigem Abwärtstrend erstmals wieder steigenden Absatzzahlen der Solarthermie, ist bislang zu konstatieren, dass es bis zum Niveau des Rekordjahres 2008 noch ein weiter Weg ist. Das gilt auch, wenn sich der in den Antragszahlen des BAFA abzulesende Trend verstetigen sollte. 2008 waren etwa 300.000 Solarthermieanlagen gebaut worden. Die „Solarisierungsquote“ aller eingebauten Heizkessel lag nach Schätzung von BDH und BSW zwischen 40 und 50 Prozent.
11 Prozent mehr Kollektoren
Für das erste Halbjahr 2020 verzeichnet die gemeinsame Kollektorabsatzstatistik der beiden Verbände ein Plus von 11 Prozent. Maßstab ist die verkaufte Kollektorfläche. Die Verdreifachung der Anträge für Solaranlagen, die das BAFA von Januar bis Juli im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gezählt hat (32.515 gegenüber 10.176 Anträgen), ist also im Markt noch nicht angekommen. Immerhin wuchs der Kollektorabsatz allerdings allein im Monat Juni laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. „Wir hoffen natürlich, dass sich dies verstetigen wird“, sagt BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig.
Dass zwischen dem Antragsboom beim BAFA und einem erhofften Auftragsboom bei den Kollektorherstellern Monate vergehen, kann verschiedene Gründe haben. Zwar steht es Antragsstellern frei, sofort nach Antragseingang beim BAFA mit der Installation ihrer Erneuerbare-Energie-Heizung zu beginnen. Doch endgültige Planungssicherheit gibt es erst mit dem Bewilligungsbescheid. Und bei deren Verschickung hakte es beim BAFA – auch wegen Corona – zumindest bis Mai. Auf der anderen Seite sind die Handwerksbetriebe trotz Corona weiterhin so gut ausgebucht, dass Sanierungswillige ohnehin Geduld mitbringen müssen. Ihren Auftragsbestand gaben die befragten Handwerksmeister bei der repräsentativen ZVSHK-Befragung im Durchschnitt mit 11,8 Wochen an. Sprich: ein Vierteljahr Wartezeit ist normal.
20.8.2020 | Autor: Guido Bröer
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