GridFox: Neue Prognose-Lösung für Redispatch 2.0
Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat eine neue Prognose-Lösung für den Stromnetzbetrieb entwickelt. Mithilfe Künstlicher Intelligenz ermittelt das System namens GridFox die Einspeisung und den Verbrauch der kommenden Stunden und Tage in den jeweiligen Netzabschnitten – heruntergebrochen auf einzelne Erzeugungskomponenten und Verbrauchergruppen. Betreiber von Übertragungs- und Verteilnetzen können damit eine vorausschauende Netzberechnung vornehmen, die den ab Oktober 2021 geltenden Redispatch-Regeln (Redispatch 2.0) gerecht wird. Bei Entwicklung und Erprobung der Prognose-Lösung hat das Fraunhofer IEE in Kassel mit dem deutschen Übertragungsnetzbetreiber TenneT zusammengearbeitet.
Mit den im Zuge der Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) verabschiedeten neuen Redispatch-Bestimmungen müssen Stromnetz-Betreiber künftig alle Erzeugungsanlagen mit mehr als 100 Kilowatt Leistung – also auch Erneuerbare-Energien-Anlagen – für Redispatch-Maßnahmen heranziehen. „Damit benötigen gerade Betreiber von Verteilnetzen deutlich leistungsfähigere Prognoseinstrumente als die, die bislang vielfach im Einsatz sind“, erklärt Axel Braun, Leiter des Geschäftsfelds Energiemeteorologische Informationssysteme beim Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE.
So müssen die Netzbetreiber zum einen wissen, welche vertikalen Leistungsflüsse – also die Summe aus Einspeisung und Verbrauch – an den einzelnen Transformatoren in den nächsten Stunden und Tagen auftreten werden. „Vor allem aber brauchen sie verlässliche Informationen darüber, welche Anlage wann wie viel Strom erzeugen wird, um die Einspeisung im Redispatch vorausschauend regulieren zu können. Diese Daten liefert ihnen GridFox“, so Braun.
Integrierte Prognosen mit konsistenten Daten
Für die Prognose der vertikalen Leistungsflüsse an den Transformatoren analysiert die Lösung gemessene Werte der Vergangenheit und deren Zusammenhang mit erklärenden Einflüssen, die eine Prognose ermöglichen. Damit können sich Netzbetreiber viertelstundenscharf vorhersagen lassen, wie viel Strom in über- und unterlagerte Netzebenen abfließen wird. Dass dieses Instrument sehr zuverlässige Ergebnisse liefert, hat das Fraunhofer IEE in einem Pilotprojekt mit TenneT gezeigt. Dort wird es derzeit für sämtliche Transformatoren des Netzgebietes getestet.
Da eine solche Prognose der vertikalen Leistungsflüsse nur die Summe des Leistungsflusses über alle Erzeugungs- und Verbrauchskomponenten liefert, sagt sie jedoch noch wenig darüber aus, an welcher Stelle Netzbetreiber konkret ansetzen können, um sich abzeichnende Engpässe zu vermeiden. Dazu müssen sie die Einspeisung aller Erzeugungsanlagen – von Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen über Wasserkraft- bis hin zu Blockheiz- und Gaskraftwerken – sowie die Last einzelner Verbrauchsgruppen in den folgenden Stunden und Tagen genau kennen.
Um die Erzeugung pro Energieträger zu prognostizieren, nutzt das System numerische Wetterprognosen und Stammdaten der Netzbetreiber. Da die Betreiber diese Anlagen meist abhängig vom Geschehen an der Strombörse fahren, integriert das System auch zugelieferte Preisprognosen. Ebenso berücksichtigt es kalendarische Informationen. Bei all dem gleicht das System regelmäßig die Prognose der einzelnen Erzeugungs- und Verbrauchskomponenten mit der prognostizierten Summe der vertikalen Leistungsflüsse ab. So ist gewährleistet, dass die berechneten Daten jederzeit konsistent sind – die Voraussetzung für eine sinnvoll im Netzbetrieb nutzbare Prognose. Zudem ist GridFox in der Lage, flexibel auf Veränderungen in der Netztopographie zu reagieren. Kommen etwa neue Anlagen hinzu, so kann die Lösung sie ohne größeren Aufwand in die Prognosen integrieren.
Für die Modellierung des Verbrauchs analysieren die Wissenschaftler, wo welche Verbrauchsstellen vorhanden sind, um das jeweilige Verhältnis von Haushalten, Gewerbe, Industrie, Landwirtschaft und öffentlichem Personennahverkehr lokal zu bestimmen.
Machine-Learning-Verfahren für verlässliche Prognosedaten
Bei der Prognose von Erzeugung und Verbrauch kommen ausgefeilte Machine-Learning-Verfahren zum Einsatz. Die Berechnungen können die Netzbetreiber selbst durchgeführen. „Hier werden kritische Daten genutzt, die Netzbetreiber nicht gerne online anderen Parteien bereitstellen. Deshalb haben wir das System so gestaltet, dass kein Transfer notwendig ist“, sagt Braun.
Das Fraunhofer IEE konnte bei der Entwicklung des Prognose-Tools sehr von der umfassenden, breiten Erfahrung der Mitarbeiter mit energiebezogenen Prognosen aller Art profitieren. „Viele Forscher beschäftigen sich schon seit langem intensiv mit dem Forecasting von Wind- und Photovoltaik-Leistung, andere mit der Modellierung von Kraftwerks-Fahrplänen und wieder andere mit der Modellierung des Verbrauchs. Dieses Wissen haben wir im GridFox-Projekt zusammengeführt. Nach unserem Kenntnisstand gibt es nur wenige andere Forschungsinstitute oder Unternehmen, die im Energiesektor über solch breites Prognose-Know-how verfügen“, erklärt Braun.
In einer Web Expert Session am 24.9. von 16 bis 17:30 Uhr werden Axel Braun und seine Fachkollegen GridFox vorstellen und für Fragen rund um die neue Prognose-Lösung für vorausschauende Netzberechnungen zur Verfügung stehen. Anmeldungen sind bis zum 22.9. unter der E-Mail-Adresse info@iee.fraunhofer.de möglich.
28.8.2020 | Quelle: Fraunhofer IEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH