Entwurf für EEG-Novelle und Klima-Charta von Altmaier

Übereinandergelegte Bilder: Ganz im Hintergrund eine schöne Landschaft mit Baum und See, darüber die Ansicht auf PV-Module, durchscheinend das Auge eines MenschenFoto: @nt / stock.adobe.com
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat seinen EEG-Entwurf vorgelegt. Offenbar soll er im Kabinett möglichst noch in diesem Monat beschlossen werden.

Verbunden mit die­sem Entwurf für EEG-Novelle wären weitergehende Einschränkungen bei den erneuerbaren Energien. Gleichzeitig fordert Altmaier allerdings eine neue Charta für den Klimaschutz, die die Regierung auch in den kommenden Jahren binden soll.

In der vergangenen Woche wartete Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit einer Überraschung auf. Er legte ein eigenes Positionspapier mit dem Titel „Klima schützen, Wirtschaft stärken” vor. 

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen und auch der Koalitionspartner SPD reagieren darauf reserviert. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch sagt: „Bundesminister Altmaier redet von Zielen, ohne ansatzweise seine Hausaufgaben zu machen.“ Denn bei den Schlüsselthemen komme er nicht voran. So habe er beim Klimaschutz auf der Bremse gestanden, zum Beispiel indem er hohe Mindestabstände zwischen Wohnhäusern und Windkraftanlagen gefordert und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht ausreichend reformiert habe. Es sei „absolut unglaubwürdig“, wenn er sich jetzt als Reformer inszeniere.

Altmaier selbst erklärte gegenüber der Presse, in früheren Jahren sei es möglicherweise ein Fehler gewesen, nur zögerlich für den Klimaschutz einzutreten. Demnach hätte gerade in den vergangenen Wochen  bei ihm  ein Umdenken eingesetzt. Und er weist auf den Green Deal der Europäischen Union hin. Dass er seine Position geändert habe, hänge damit zusammen, „dass viele Menschen Hoffnung auf diesen Green Deal setzen”. 

Klimaneutralität bis 2050

Ein Ausgangspunkt ist für Altmaier die Klimaneutralität, die bis 2050 erreicht werden müsse. Dafür müsse man jetzt die Voraussetzungen schaffen. In seinem Papier schreibt er: „Deshalb müssen wir bereit sein, Klimaschutz als die zentrale Herausforderung unserer Generation zu begreifen und entsprechend zu handeln.”

Für jedes einzelne Jahr bis 2050 will er daher klare, auf Sektoren bezogene Ziele zur Treibhausgasreduktion festgesetzt sehen, damit jede Generation wisse, was sie zu tun habe.

Klimafreundliche Handlungsoptionen

Das Papier zum Klimaschutz hat für Altmaier aber auch eine zweite Komponente: „Eine konsequente Politik zur Erreichung von Klimaneutralität erfordert somit eine ebenso konsequente Politik zur Stärkung der Wirtschaftskraft unseres Landes.” Dass Altmaier mit seinem Vorschlag jetzt aus der Deckung kommt, hat wohl auch mit Impulsen aus der Wirtschaft zu tun. So hat ihn beeindruckt, dass die BASF SE klimaneutral werden möchte. Und er nennt auch den Dialog mit der Stahlindustrie über den Einsatz von grünem Wasserstoff in der Produktion als einen Beleg für neue klimafreundliche Handlungsoptionen.

Im Gespräch mit der Wirtschaft, sagt Altmaier, habe er festgestellt, nicht eventuell höhere Kosten durch den Klimaschutz seien das Problem, sondern die Ungewissheit. Den Unternehmen müsse klar sein, welche Investitionen sich lohnen. 

Sein Ziel ist nun ein parteiübergreifender Konsens über die klimapolitischen Handlungsnotwendigkeiten. Den möchte Altmaier nun noch vor dem Start des Bundestagswahlkampfs erreichen. „Daran sollten nicht nur die im Bundestag vertretenen Parteien, sondern auch weite Teile der Klimabewegung, der Wirtschaft und der Kirchen und Religionsgemeinschaften mitwirken”, so der Minister.

Wahlkampf ohne Klimaschutz

Einerseits hat er möglicherweise recht, dass ein solcher Konsens dafür sorgen könnte, ernsthafte Klimaschutzpolitik auch unabhängig von der jeweiligen Parteienkonstellation betreiben zu können. Andererseits hätte ein solcher Konsens und ebenso ein auf den Konsens zielender Dialog den Effekt, dass Altmaier damit den Klimaschutz aus dem Wahlkampf heraushalten könnte – ein Thema, bei dem die Union derzeit kaum punkten kann. 

Schaut man sich Altmaiers Papier etwas genauer an, so fällt auf, was fehlt. Es gibt darin kaum Aussagen zu einzelnen politischen Handlungsfeldern. Neben der Forderung, die EEG-Umlage schrittweise abzusenken, und dem Vorschlag, ein „Haus der Energiewende” zu errichten, findet sich zu erneuerbaren Energien lediglich folgende Aussage: „Das EEG wird umfassend reformiert und an die neuen Zielsetzungen der EU angepasst und schritt-weise zu einem europäischen Instrument ausgestaltet, das die Stromtransformation in ganz Europa ent- ­scheidend voranbringen kann.” Was Altmaier damit genau meint, bleibt offen. 

So muss letztlich das herangezogen werden, was das Ministerium Altmaiers an Gesetzesvorschlägen zur EEG-Novelle erarbeitet hat. Noch im September soll das Bundeskabinett den Entwurf beschließen, der in dieser Woche an die Verbände geschickt wurde. Er unterscheidet sich kaum von dem bereits zuvor bekannt gewordenen internen Referentenentwurf. Kritik etwa aus dem Bundesumweltministerium hat Altmaier offenbar nicht berücksichtigen wollen. 

Kaum noch Zeit

Das Problem: Viel Zeit gibt es nicht mehr, um die EEG-Novelle vor dem Jahreswechsel zu beschließen. Das ist vor allem für die älteren Anlagen wichtig, denen ohne eine Anschlussregelung die wirtschaftliche Basis entzogen wird. Es sei denn, sie hätten sich Abnahmeverträge gesichert – was aber den meisten Anlagenbetreibern bislang offenbar nicht gelungen ist (siehe auch Interview mit Peter Ahmels). 

Die Gegner von Altmaiers Vorschlag stecken damit in einer Zwickmühle. Lehnen sie den Ministeriums-Vorschlag ab und verzögern damit sehr wahrscheinlich den Gesetzgebungsprozess zur EEG-Novelle, so gefährden sie die älteren Anlagen. Stimmen sie dem Vorschlag zu, so bedeutet das für einige Marktbereiche deutliche Nachteile gegenüber der bisherigen Situation.

Doch da ist nun auch noch der Altmaier selbst als möglicher Joker im Spiel. Meint er seinen Vorschlag eines Klimakonsenses ernst und will er tatsächlich dem Klimaschutz eine höhere Priorität einräumen, so kann es auch beider EEG-Novelle eigentlich keinen Kompromiss nur auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners geben. Sondern hier müsste Altmaier proaktiv auf die SPD und auch die Grünen zugehen. Und es bleibt abzuwarten, mit welchen Vorschlägen zum EEG Altmaier tatsächlich ins Kabinett geht. Das liegt in seiner Hand.

Altmaier ist Herr des Verfahrens

Dabei gibt es im neuen Entwurf für die EEG-Novelle auch Fortschritte gegenüber dem bestehenden Gesetz. Wie erwartet soll das Ziel, bis 2030 auf einen 65-prozentigen Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch zu kommen, festgeschrieben werden. Bis 2050 soll der gesamte Strom, der in Deutschland verbraucht oder erzeugt wird, treibhausgasneutral sein. Unterlegt wird dies durch einen erhöhten Ausbaupfad, der zunächst bis 2030 gilt. Demnach soll bis zu diesem Jahr bei der Windkraft an Land eine Leistung von 71 Gigawatt installiert sein, bei Windkraft auf See von 20 Gigawatt, bei der Solarenergie von 100 Gigawatt und bei der Biomasse von 8,4 Gigawatt.

Schon diese Ausbauzahlen sind aber nicht unumstritten. So wendet der Bundesverband Erneuerbare Ener­gien (BEE) ein, das Wirtschaftsministerium gehe von einem zu geringen Stromverbrauch aus. Daher setze es auch den Ausbaupfad zu gering an. Für einen parteiübergreifenden Konsens wäre eine solch grundsätzliche Frage zu klären. Das BMWi erklärt im Gesetzentwurf zur EEG-Novelle vom 14. September, die Bundesregierung solle dem Bundestag im erstmals für 2023 geplanten Erfahrungsbericht zum EEG ein höheres Ausschreibungsvolumen empfehlen, sofern der Stromverbrauch bis 2030 deutlich steigen könnte.

Mittelstand stärken?

Noch wichtiger als die Ziele sind für die Branchenentwicklung allerdings die geplanten Maßnahmen. Altmaier hat im Zusammenhang mit seinem Klimapapier erklärt, er wolle die Wirtschaft, gerade auch den Mittelstand, stärken. Insofern kann durchaus befremdlich wirken, wenn mit der EEG-Novelle der Eigenverbrauch noch weiter zurückgedrängt werden soll. Immer mehr Solaranlagen auf Gebäuden will das Wirtschaftsministerium in die Ausschreibung zwingen.

Die Leistung, ab der das erforderlich ist, sinkt ab 2023 Jahr für Jahr. 2025 würden alle neuen Solaranlagen ab 100 kW nur über Ausschreibungen gefördert. Problematisch ist dabei für Unternehmen vor allem, dass diese Anlagen ihren Strom komplett einspeisen müssten – also für den Eigenverbrauch nicht zur Verfügung stünden. 

Das wird für die wenigsten Unternehmen eine Option sein. Wenn sie den Strom nicht selbst nutzen können, werden sie wohl kaum die Anlagen auf ihren Dächern installieren, nur um für einen relativ geringen Ertrag Stromeinspeiser zu werden. Das ist nicht ihr Kerngeschäft. Und auch das langfristige Verpachten der Dächer ist für Unternehmen wirtschaftlich in den meisten Fällen nicht attraktiv. 

Unternehmen könnten für ihren Eigenverbrauch – sofern der Gesetzentwurf tatsächlich so beschlossen würde – ab 2025 auf ihren Gebäuden nur noch PV-Anlagen mit weniger als 100 kW installieren. Ansonsten könnten sie nur auf PV-Freiflächenanlagen und Windkraftanlagen mit jeweils unter 750 kW ausweichen. Dies gilt genauso für alle anderen potenziellen Anlagenbetreiber.

Korsett für Unternehmer

Einerseits will das Wirtschaftsministerium mit seinem Entwurf offenbar marktwirtschaftliche Elemente betonen. Ausschreibungen scheinen bei Altmaier als das Non-plus-ultra der Marktwirtschaft zu gelten. Dabei übersehen die Behördenmitarbeiter jedoch, dass sie die Wirtschaft mit dem gleichzeitigen praktischen Verbot des Eigenverbrauchs in ein enges strukturelles Korsett schnüren. Marktwirtschaft besteht aber nicht nur bzw. eher selten aus Ausschreibungen, sondern besonders aus dem eigenverantwortlichen Engagement der Unternehmen und Privathaushalte. 

Dieses Engagement wird durch den Entwurf für die EEG-Novelle weiter gefährdet, weil er vermeintliche Interessen des Netzbetriebs betont. Das EEG und der Ausbau erneuerbarer Energien hat aber immer dann besonders gut funktioniert, wenn der Gesetzgeber die Interessen der einzelnen Wirtschaftsakteure ernst genommen und gleichzeitig das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verloren hat. Mit Blick auf die Ausbauziele des EEG und die von Altmaier geforderten verstärkten Initiativen für den Klimaschutz sowie die Stärkung der Wirtschaft wäre zu prüfen, welche gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich diesen Zielen dienen.

Verlässlichkeit und Berechenbarkeit

Altmaier sagt, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit seien im Hinblick auf die klimapolitischen Ziele wichtig. Das müsste aber auch für Betreiber der Ü20-Anlagen und ebenso die künftigen Betreiber älterer Anlagen gelten. Soll bei diesen zwangsläufig nach 20 Jahren der Abriss kommen oder gibt es wirtschaftliche Perspektiven für Anlagen, die technisch noch OK sind? Hier schweigt sich der Gesetzentwurf für Anlagen ab 100 kW Leistung aus. Bei kleineren Anlagen gibt es zwei Optionen laut Entwurf für die EEG-Novelle, sofern sie weiterhin ans Netz angeschlossen bleiben sollen. Entweder speisen sie den von ihnen produzierten Strom weiterhin komplett ein, dann für einen geringen Marktpreis. Oder die Betreiber nutzen den Strom selbst, müssen dann aber die Zähler für eine eventuelle (geringe) Einspeisung auf eine viertelstundengenaue Messung umrüsten und sich für wenige Kilowattstunden einen Direktvermarkter suchen. 

Beide Optionen sind für die Betreiber der meist sehr kleinen Pionier-Anlagen aber nicht wirtschaftlich. Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel hat gerade vorgerechnet, dass bei einer 7-kW-PV-Anlage den jährlichen Einnahmen (inkl. Eigenverbrauch) von rund 980 Euro Ausgaben von 1326 Euro gegenüberstünden. Der Weiterbetrieb würde den Eigentümer also 346 Euro im Jahr kosten. Daher fordert Göppel von CDU und CSU im Bundestag, für Kleinanlagenbetreiber eine unbürokratische Lösung zu finden. Sie sollten Anspruch auf den Marktwert erhalten und von Abgaben und Umlagen befreit sein, so Göppel.

Von einfachen Regeln aber ist die EEG-Novelle noch weit entfernt. So kommen beipielsweise auf alle Betreiber weitergehende Verpflichtungen zur Regelbarkeit ihrer Anlagen zu. 

Mit dem Kabinettsbeschluss, der wohl in wenigen Tagen zu erwarten ist, beginnt die politische Debatte – wieder unter Zeitdruck. Die SPD-Fraktion arbeitet derzeit an ihrer Position zum Gesetzentwurf. Und es bleibt auch abzuwarten, ob die Klimapolitiker der Union an ihren Vorstellungen zur Entbürokratisierung des EEG festhalten oder dem BMWi folgen. 

17.9.2020 | Text: Andreas Witt, Solarthemen | solarserver.de
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