Klimaschutz: EEG 2021 versus Agora Energiewende versus Fridays for Future

Im Gegenlicht: Ein Kind sitzt auf den Schultern eines größeren Menschen und blickt in Richtung WindkraftanlagenFoto: Arkom / stock.adobe.com
Sowohl die Agora Energiewende als auch Fridays for Future zeigen in Studien, dass die Ziele des EEG 2021 für den Klimaschutz nicht ausreichen. Doch wie sie konkret den Ausbau Erneuerbarer steigen wollen, bleibt offen.

Es ist kostengünstiger, die Welt zu retten als sie zu ruinieren“, sagte Rainer Baake bei der Vorstellung der Studie „Klimaneutrales Deutschland“. Baake der zuletzt von 2014 bis 2018 als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium auch für das Erneuerbare-Energien-Gesetz zuständig war, ist jetzt Direktor der im Juli 2020 neu gegründeten Stiftung Klimaneutralität. Erstellt haben die Studie zum Klimaschutz Prognos, das Öko-Institut und das Wuppertal-Institut. Auftraggeber sind die Stiftung sowie die Agora Energiewende und die Agora Verkehrswende.

Mehr Erneuerbare für den Klimaschutz

Sie kommen u.a. zu dem Ergebnis, dass der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich schneller voranschreiten muss als derzeit von Bundesregierung und Regierungskoalition geplant. Das sei nötig, um dem Klimaschutz gerecht zu werden bzw. um die Welt zu retten. Man brauche einen massiven Ausbau von Wind- und Solarenergie, erklärt Patrick Graichen, der Direktor der Agora Energiewende. „Das Erneuerbare-Energine-Gesetz, so wie es jetzt auf dem Tisch liegt, kommt da nicht annähernd dran.“

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist in der Studie ein zentrales Element, um Klimaneutralität zu erreichen. Denn die sei jetzt vorgezeichnet, so Graichen. Dafür sieht die Studie folgende Ausbauziele vor: Die installierte Leistung von Onshore-­Windkraftwerken soll­ auf 80 GW, die von Offshore­-Windenergie auf 25 GW und die Photovoltaikleistung auf 150 GW steigen.

Regierung will weniger Zubau

Die Bundesregierung sieht in ihrem Entwurf für das EEG 2021 dagegen bis 2030 lediglich 71 GW bei Onshore-Windkraft und 100 GW bei der Photovoltaik vor. Deutlicher ist die Diskrepanz, wenn man sich die konkreten Ausbaupfade ansieht. Die Studie „Klimafreundliches Deutschland“ kommt auf rund 10 Gigawatt Photovoltaik im Jahr, wenn man jetzt damit beginne. Starte man später, merkt Baake an, müsse man in den Folgejahren entsprechend mehr tun. Das erfordere der Klimaschutz.

Die Bundesregierung geht von einem Zuwachs von in der Regel 5 Gigawatt aus. Dabei wird selbst diese Menge wohl nicht durch Marktprämien und Einspeisevergütungen unterstützt, sondern muss auf andere Art und Weise refinanziert werden. An Ausschreibungen sieht die Regierung im kommenden Jahr 2,15 GW vor. Diese Leistung sinkt bei den Ausschreibungen in den Folgejahren noch. Dabei will die Regierung immer mehr Anlagensegmente nur noch über Ausschreibungen fördern. Der Rest des Zubaus müsste über eher kleine Anlagen erfolgen – oder eben abseits von gesetzlich garantierten Vergütungen bzw. Prämien.

Die drei Institutionen weisen mit ihrer Studie nun darauf hin, dass das lange nicht reichen wird, um die Klimaziele zu erreichen. Graichen erklärt in diesem Zusammenhang, dies seien allerdings die Zielsetzungen, die die Bundesregierung selbst und demnächst auch die Europäische Union gesetzt hätten. „Wir nehmen die Beschlusslage ernst“, so Graichen. Und heraus kommt so u.a. ein zwingend erforderlicher Ausbau erneuerbarer Energien.

Konkrete Maßnahmen?

Bislang haben die Agora und die Stiftung Klimaneutralität nur eine Zusammenfassung der Studie veröffentlicht. Diese enthält vor allem eine Beschreibung dessen, was erreicht werden soll, aber nach keine konkreten Maßnahmen. Auf die wird es aber ankommen, zum Beispiel auf das EEG. Ein Blick zurück zeigt, welche massive Auswirkungen ein Gesetz haben kann. So hatte die Agora Energiewende, damals noch mit Baake als deren Direktor, im Jahr 2013 eine radikale Reform des EEG vorschlagen.

Bestandteile waren eine verpflichtende Direktvermarktung für größere Anlagen, die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch ab 10 kW Leistung und geringere Einspeisevergütungen. Baake selbst konnte diese Vorstellungen in den Gesetzgebungsprozess einbringen, als ihn Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Anfang 2014 zum Staatssekretär machte. Die Folge dieser EEG-Novelle: ein massiver Umsatzeinbruch in der PV-Branche, zahlreiche Insolvenzen und tausendfache Jobverluste. Sowie als politische Hypothek das gesunkene Vertrauen von vielen Solarunternehmen in die Verlässlichkeit politischer Rahmenbedingungen.

Vollständige Studie kommt noch

Insofern bleibt die spannende Erwartung auf die vollständige Fassung von „Klimaneutrales Deutschland“. Es wird nicht reichen, die Zielzahlen anzuheben, um das derzeitige Marktvolumen in Deutschland zu verdreifachen. Hinzu kommen müssen weitere motivierende Elemente für den Markt und Vertrauen, sprich Investitionssicherheit. Die Studie zum Klimaschutz verspricht aber bereits in der Zusammenfassung:“Ein klimaneutrales Deutschland 2050 ist technisch und wirtschaftlich im Rahmen der normalen Investitionszyklen in drei Schritten realisierbar.“

Der Jungendorganisaiton Fridays for Future (F4F) ist ein Zeitpunkt 2050 nicht ambitioniert genug. Sie will schneller beim Klimaschutz vorankommen. In ihrem Auftrag hat ebenfalls das Wuppertal-Institut die Studie „CO2-neutral bis 2035“ erstellt. Sie weicht von „Klimaneutrales Deutschland“ ab, weil sie einen anderen Ansatz wählt. Es geht nicht allein darum, die „Beschlusslage“, wie Graichen erklärte, umzusetzen, sondern das bestehende Klimabudget Deutschlands in den Blick zu nehmen. Bezugspunkt dafür ist eine andere Studie, nämlich das diesjährige Umweltgutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU). Er ermittelt darin, wie viel Treibhausgase Deutschland noch ausstoßen darf. Annahme dabei: Jedem Mensch auf der Welt steht die selbe Menge zu. Und die weltweite Temperaturerhöhung im Jahr 2050 ist auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Bis zu 40 Gigawatt PV und Wind pro Jahr

Unter dieser Voraussetzung kommt die F4F-Studie zu weitreichenderen Forderungen. Dabei spielen ebenfalls die erneuerbaren Energien eine große Rolle. Die Studie sagt: „Um bereits bis 2035 eine vollständig auf erneuerbaren Energien beruhende Stromerzeugung realisieren zu können, ist insbesondere ein gegenüber den vergangenen Jahren deutlich schnellerer Ausbau von Windkraft und Photovoltaik notwendig. Bis 2035 erscheint dann ein Ausbau von jährlich mindestens etwa 25 bis 30 GW an neuen Windenergie- (on- und offshore) und PV-Anlagen sinnvoll.“ Sollten aber bis 2035 die Importe von klimaneutralen Energieträgern, wie Wasserstoff, nicht stark auszubauen sein und sich ein suffizienterer Lebensstil ergeben, so müssten Solar- und Windenergie um 40 Gigawatt pro Jahr wachsen.

25.10.2020 | Text: Andreas Witt, Solarthemen | solarserver.de
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