Debatte um § 51 EEG: Wind- und Solarparks bei negativen Strompreisen

Solarpark im SonnenuntergangFoto: ALEXSTUDIO / stock.adobe. com
Einer der umstrittensten Punkte im Entwurf der Bundesregierung für die EEG-Novelle ist die Neufassung von Paragraf 51. Künftig soll bereits nach einer Stunde mit negativen Börsen-Strompreisen die Marktprämie für neue Wind- und Solarparks gestrichen werden. Weil die weitere Entwicklung von negativen Preisen sehr ungewiss ist, dürfte diese Regelung Strom aus erneuerbaren Energien verteuern und dem fossilen Kraftwerksparks nutzen.

Gegenwind gegen die Neuregelung kommt unter anderem von den Bundesländern. Der Bundesrat hat in seiner Beschlussfassung zum EEG-Entwurf der Bundesregierung am Freitag mehrheitlich gegen die vorgesehenen Änderungen gestimmt. Er votiert für einen Erhalt der jetzigen 6-Stunden-Regel im § 51 EEG. Entscheiden muss nun der Bundestag, ob er dem Vorschlag der Bundesregierung folgt oder nicht.

Nicht ganz unwesentlich ist dabei die Rolle der EU-Kommission. Markus Kahles von der Stiftung Umweltenergierecht weist darauf hin, dass die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen (UEBLL) der EU den nationalen Gesetzgebern einen recht engen Rahmen vorgeben. Die EU-Kommission fordere hier, dass die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die Stromproduzenten keinen Anreiz haben, Strom zu negativen Preisen zu erzeugen. Ausnahmen duldet Brüssel für Regenerativkraftwerke bis 500 kW. Bei der Windenergie gilt dies für bis zu drei Anlagen oder Turbinen bis 3 MW.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung orientiert sich nicht direkt an Anlagengrößen, sondern er knüpft § 51 EEG an die Ausschreibungen. Alle Anlagen, deren Marktprämie über Ausschreibungen ermittelt werden, sollen künftig bei negativen Börsenstrompreisen schon nach einer Stunde keine Vergütung mehr erhalten. Nicht betroffen sind somit Anlagen, die nicht in die EEG-Ausschreibungen müssen, weil sie entweder zu klein sind, oder weil die Betreiber ihren Strom in Form von sogenannten PPA direkt verkaufen. Letztere würden zwar bei negativen Strompreisen – je nach Vertragsgestaltung – ebenfalls abgeschaltet, aber das steht auf einem anderen Blatt.

10.000 Euro Einbuße pro Windturbine

Jürgen Quentin von der Fachagentur Windenergie an Land hat anhand des Verlaufs der Strombörsenpreise 2019 und der ersten zehn Monate des Jahres 2020 für zwei Beispielanlagen der 3- bzw. 4-MW-Klasse an verschiedenen Standorten nachgerechnet. Im Vergleich der 1-Stunden-Regel zur bisherigen 6-Stunden-Regel ergebe sich schon bei den heute noch geringen Phasen von Stunden mit negativen Strompreisen für Windmüller ein Minderverdienst von durchaus 10.000 Euro pro Anlage und Jahr.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) bekämpft den Paragrafen aber vor allem deshalb, weil ein erhebliches Finanzierungsrisiko von § 51 EEG ausgehe. Denn die künftige Entwicklung negativer Preise ist sehr schwierig vorauszusagen. Dies sei von den finanzierenden Banken einzupreisen. Windstrom werde dadurch teurer, so Geschäftsführer Wolfram Axthelm.

Erstaunlich wenig hört man bislang aus der Solarszene zu § 51 EEG 2021. Photovoltaikanlagen seien bislang von negativen Strompreisen noch nicht so betroffen wie die Windmüller, könnte man meinen. Dürften sich doch die 211 vollen Stunden mit negativen Strompreisen 2019 und 259 Stunden in den ersten zehn Monaten 2020 vorwiegend auf die Herbst- und Wintermonate verteilt haben. In dieser Zeit fegten Stürme über Norddeutschland und die Solaranlagen hätten ohnehin nicht so viel Strom erzeugt. Doch ganz so ist es nicht, wie Fabian Huneke, Analyst beim Berliner Beratungshaus Energy Brainpool, ermittelt hat. Gemessen an den Strombörsenpreisesn des Jahres 2019 hätten sich die Ausfallzeiten auch für betroffene Solarkraftwerke mit der geplanten 1-Stunden-Regel auf 3,3 Prozent der gesamten Jahreserzeugung deutschlandweit mehr als verdoppelt, so Huneke. Mit der bisherigen 6-Stunden-Regel seien 1,5 Prozent der Strommengen betroffen gewesen.

Wird es mehr Zeiten mit Negativpreisen geben

Für Huneke steht allerdings nicht fest, dass die Zeiten mit negativen Preisen in den kommenden Jahren zwangsläufig steigen werden. „Mit dem Kernkraftausstieg und auch mit dem Kohleausstieg wird sich die Lage in den kommenden Jahren vermutlich entspannen“, meint er. Daneben hänge es aber stark davon ab, wie sich die Flexibilitäten im Stromnetz und durch die Sektorenkopplung entwickeln würden.

Sicher sei hingegen, so Huneke, dass eine Verschärfung von § 51 EEG das Erreichen des 65-%-Ziels verteuere. Die zusätzlich abgeregelten EEG-Mengen müssen letztlich durch zusätzliche EEG-Anlagen kompensiert werden, was die EEG-Umlage erhöht. Zudem würden die neuen Verdienstausfälle und langfristige Unsicherheiten von den Teilnehmern der EEG-Auktionen in ihre Gebote eingepreist.

Ein Problem für die Energiewende wird der Pragraph 51 aber eher deshalb, weil er die Flexibilitätssignale auf der falschen Seite setzt. Während sich laut Quentin an den Börsenpreiskurven deutlich ablesen lässt, dass Direktvermarkter von Wind- und Solarkraftwerken schon heute kurz vor Erreichen der 6-Stunden-Frist ihre Anlagen vom Netz nehmen, laufen unflexible Großkraftwerke dann weiter. Jedes WIndrad, das vom Netz geht, senkt den wirtschaftlichen Druck für Betreiber von Großkraftwerken, ihre Anlagen zu flexibilisieren.

Wo bleibt die Flexibilität?

Zugleich fehlen Windmüllern und Solarbetreibern, auch aufgrund komplexer Regularien, heute aber noch alternative Geschäftsmodelle. Beispielsweise über Batterien oder Wasserstoffelektrolyse eigene Flexibilitäten aufzubauen, ist nicht ohne weiteres möglich. Zum Abregeln bleiben ihnen bei negativen Preisen kaum Alternativen.

Auch damit begründet der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates seine Ablehnung eines verschärften § 51. „Die vorgesehene Neuregelung des EEG § 51 ist solange auszusetzen, bis hinreichende Rahmenbedingungen für Flexibilitätsmärkte geschaffen sind, die gemäß der Gesetzesbegründung für den weiteren Erneuerbaren-Ausbau dringend gebraucht werden. Andernfalls ist kein Wettbewerb um die besten Konzepte zu erwarten. Der bisherige § 51 EEG 2017 soll solange unverändert gelten.“ Hilfsweise plädiert der Bundesrat dafür, die durch § 51 entstandenen Erlösausfälle durch eine entsprechende Verlängerung der Förderdauer auszugleichen.

13.11.2020 | Autor: Guido Bröer
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