EEG2021: Sachverständige üben massive Kritik

Das Eingangsportal des Deutschen Bundestags von schräg unten betrachtet mit der Inschrift im Stein oben: "Dem deutschen Volke", die bundesdeutsche Flagge links im BildFoto: Jogerken / stock.adobe.com
Bei der Anhörung zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages übten die geladenen Experten viel Kritik.

Im Falle des neuen EEG2021 haben Sachverständige im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages massive Kritik geübt. Wie der Bundestag mitteilte, kritisierten mehrere Sachverständige die Komplexität schon des bestehenden EEG, das selbst von Fachleuten kaum mehr zu überblicken sei. Die geplante Neufassung mache es eher noch schlimmer.

Von einer „Komplexitätsfalle“, in die der Gesetzgeber geraten sei, sprach Sebastian Bolay vom Deutschen Industrie-und Handelskammertag (DIHK). Dies mache erneuerbare Energien teurer als nötig und bremse ihren notwendigen Ausbau. Als Beispiel nannte er den Bau von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern. Die Bagatellgrenze, oberhalb derer eine Ausschreibung vorgeschrieben ist, werde im Gesetzentwurf gesenkt. Dies werde viele vom Bau abhalten oder dafür sorgen, dass die Anlage kleiner dimensioniert wird als möglich. Zudem erschwere die Novelle gemischte Geschäftsmodelle, die Eigenversorgung und Stromverkauf kombinieren.

In dieselbe Kerbe hieb Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft. Auf Anfrage seines Verbandes habe der Handelsverband Deutschland, dessen Mitglieder rund 400.000 Betriebsstätten hätten, mitgeteilt: „Unter den neuen Umständen werden wir größtenteils die Hände davon lassen.“ Neben der Ausschreibungsregelung seien auch die neuen Regelungen für den Eigenverbrauch ein Grund dafür. Mit ihnen würde die Nutzung von auf dem eigenen Dach erzeugtem Solarstrom teurer. Der bisherige Wachstumstreiber, nämlich die Solarstromerzeugung auf dem Dach, werde damit ausgebremst.

Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen plädierte dafür, das Repowering für die Windenergie zu erleichtern. Bisher ist dafür eine aufwändige Neugenehmigung erforderlich. Stattdessen solle künftig eine Änderungsgenehmigung ausreichend sein. Dies würde Ausbauhindernisse beseitigen. Liebing lobte die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, dass Kommunen eine Abgabe von den Betreibern verlangen können, wenn sie auf ihrem Gebiet Windkraftanlagen genehmigen. Dies könne die Akzeptanz solcher Anlagen in der Bevölkerung erhöhen.

Gefahr für Kommunen

Allerdings warnte Patrick Graichen, Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende, vor einer Gefahr in der vorgesehenen Regelung. Kommunalpolitiker könnten beim Aushandeln einer solchen Vergütung in den strafrechtlichen Verdacht der Vorteilsnahme geraten. Er plädierte deshalb für eine Formulierung, die diese Gefahr ausschließt. Am besten sei, eine Windenergieabgabe verpflichtend zu machen. Wie auch mehrere andere Sachverständige plädierte Graichen für wesentlich höhere Ausbauziele der erneuerbaren Stromerzeugung als im Gesetzentwurf. Die Klimawende laufe zum großen Teil über die Elektrifizierung, etwa im Straßenverkehr. Deshalb werde man 2030 mehr Strom brauchen. Durch die angestrebten höheren Klimaziele der EU werde zudem ein beschleunigter Ausbau noch dringlicher.

Peter Reitz von der europäischen Strombörse European Energy Exchange AG verwies darauf, dass es eine große Nachfrage nach Grünstrom in Deutschland gebe. Unternehmen, die aus grundsätzlichen oder Image-Erwägungen klimaneutral produzieren wollten, kauften sich heute beispielsweise Zertifikate für norwegische Wasserkraft, weil das Angebot in Deutschland nicht ausreiche.

Ein Grund sei das Doppelvermarktungsverbot im EEG, das auch in der Novelle beibehalten werde. Der Markt für Herkunftsnachweise müsse aber gestärkt werden, ebenso wie die Möglichkeit langfristiger Lieferverträge. Schon heute seien viele Erzeuger erneuerbarer Energie am Markt konkurrenzfähig, sie würden aber behindert, monierte Reitz. Die Ansätze für mehr Marktintegration im EEG begrüße er, sie gingen aber nicht weit genug.

„EEG behindert Güllevergärung“

Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie begrüßte zwar, dass die Bundesregierung die Systemrelevanz der Biomasse erkenne. Ihr Entwurf bleibe aber weit hinter den notwendigen Änderungen zurück. So könne Bioenergie den ihr im Klimaschutzprogramm 2030 zugedachten Beitrag nicht leisten. Strom aus Biomasse sei „gesicherte, steuerbare und speicherbare Energie“ und daher besonders geeignet, Schwankungen bei Wind- und Sonnenstrom auszugleichen. Die in der Novelle vorgesehenen Bedingungen für Ausschreibungen bedrohten aber ihren Ausbau. Vorschriften zur Bemessungsleistung behinderten zudem die Nutzung der Güllevergärung, die aber besonders klimafreundlich sei, da mit ihr die Methanemission auf Feldern vermieden werde.

Konflikt mit EU-Richtlinie

Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht bemängelte insbesondere die Unvereinbarkeit mehrerer Regelungen im Gesetzentwurf mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen Union, die am 30. Juni 2021 wirksam werde. So schaffe diese Richtlinie ein grundsätzliches Recht auf Eigenversorgung, während sie in der Novelle mit zahlreichen Klauseln versehen sei. Auch bei den Ausschreibungsmengen habe die EU ganz andere Ziele. Für Investoren sei aber Planungssicherheit zentral. Deshalb plädierte Müller für eine umfassende Angleichung des Gesetzentwurfs an das europäische Recht.

„Meßanlagen für kleine Photovoltaik zu teuer“

Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft verwies darauf, dass alle Fachverbände von einem wesentlich höheren Strombedarf in der Zukunft ausgingen als die Bundesregierung. Potential sieht sie vor allem in der Photovoltaik, die in der Bevölkerung anders als Windkraftwerke viel Zustimmung fände. Unter anderem kritisierte sie, dass bereits ab einer Leistung von einem Kilowatt teure, intelligente Messanlagen vorgeschrieben werden sollen. Sie plädierte dafür, die ohnehin im Messstellen-Betriebsgesetz vorgesehene Grenze von sieben Kilowatt in das EEG zu übernehmen. Zudem fordere sie, Stromüberschüsse, die zur Erzeugung von grünem Wasserstoff eingesetzt werden, von der EEG-Umlage zu befreien.

Die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die in der Anhörung durch Timm Fuchs vertreten war, forderte eine bessere finanzielle Beteiligung der Gemeinden an der Windstromerzeugung an Land. Zudem bemängelte sie viel zu enge Regelungen für die Eigennutzung von Solarstrom. Diese werde beispielsweise durch die Pflicht zur Abführung einer anteiligen EEG-Umlage und durch zu enge räumliche Begrenzung, was als Eigennutzung gilt, erschwert.

Eine gänzlich andere Position als die anderen Sachverständigen vertrat Horst-Joachim Lüdecke, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Erneuerbare Energien seien ineffizient und teuer, ihr Ausbau schade damit dem Standort Deutschland und sei zudem für das Weltklima irrelevant, da Länder wie China und Indien gleichzeitig immer mehr Kohle verfeuerten. Lüdecke forderte eine völlige Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Anlagen, die wettbewerbsfähig seien, würden sich auch ohne Förderung durchsetzen. Ansonsten plädierte Lüdecke für den Weiterbetrieb moderner Kohlekraftwerke mit hochwertigen Filteranlagen sowie für die Erforschung und Erprobung neuer Techniken der Kernenergie, die keinen nuklearen Abfall mehr erzeugten.

19.11.2020 | Quelle: hib/bundestag | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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