Solar plus Wasserstoff mit dem Green-Flamingo-Projekt in Portugal

Foto: Oliver Ristau
Dank hoher Solarstrahlung ist Portugal prädestiniert, solaren Wasserstoff für Europa zu produzieren. Das Projekt Green Flamingo will das mit einem Gigawatt Photovoltaik und Elektrolyse umsetzen. Schiffe sollen den grünen Wasserstoff dann nach Rotterdam bringen.

Geht es um Sonne und Meer, gehört Portugal für europäische Besucher zur ersten Wahl. Künftig könnten Sonnenreichtum und Atlantik auch verstärkt Europas Solar- und Wasserstoffwirtschaft anlocken. Denn das südwesteuropäische Land hat wegen seiner hohen Solareinstrahlung das Potenzial, zu einem wichtigen Versorger von grünem Wasserstoff für Europa zu werden.

Wasserstoff aus Europa

Nach Auskunft des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme (ISE) jedenfalls ergibt es viel Sinn, den künftig zu erwartenden Bedarf an dem Öko-Gas innerhalb der EU auch zu einem Teil aus Europa zu decken. Deutschland etwa plant, grünen Wasserstoff aus Marokko und Tunesien zu importieren. Das sei eine Option, so Christopher Hebling, der am Fraunhofer ISE für die Wasserstoffforschung verantwortlich ist. Eine andere sei es, wegen der attraktiven Einstrahlungsbedingungen zum Beispiel nach Portugal und Spanien zu schauen.

Das große Potenzial im Westen

Im Süden Portugals erreicht die solare Einstrahlung mehr als 1900 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr – ein Spitzenwert auf dem Kontinent. In einer solchen Region im Hinterland der Algarve beim Städtchen Martim Longo betreibt Marc Rechter mit dem Solarpark Enercoutim eine 4 Megawatt (MW) starke Anlage aus konzentrierter Photovoltaik (CPV). Diese ist Teil mehrerer EU-Forschungsprojekte aus dem Horizon-Programm. Dabei kommen zwei Konzentratortechnologien zum Einsatz. Eine stammt von Magpower, einem portugiesischen CPV-Produzenten, die andere von der früheren deutschen Concentrix. Sie zählt mittlerweile zur französischen Soitec und hat die Produktion dieser Module eingestellt.

Der Niederländer verfolgt mit seiner Firma Resilient Group aber auch ein Wasserstoffprojekt im Gigawattmaßstab mit dem Namen Green Flamingo. Rechter hat dazu laut eigener Auskunft die Regierungen in Den Haag und Lissabon beraten. Beide Länder haben kürzlich eine Kooperation für grünen Wasserstoff vereinbart. Als erste konkrete Maßnahme haben sich dabei die Seehäfen Rotterdam und Sines darauf verständigt, das Öko-Gas künftig per Schiff von Portugal in die Niederlande zu verschiffen. Von dort wird es via Rhein auch perspektivisch zu Verbrauchern in Deutschland gelangen können. Zur Produktion des Wasserstoffs soll bei dem portugiesischen Hafen eine Elektrolyseleistung im Gigawattmaßstab entstehen – versorgt mit heimischem Solarstrom. Zu Einzelheiten verwies der Hafen Rotterdam auf Anfrage auf Green Flamingo.

Flamingo, Drache, Oktopus

Die EU unterstützt das Vorhaben. Es ist eines von mehreren, die helfen sollen, die neuen Ziele Brüssels umzusetzen. So sieht die im Juli vorgestellte Wasserstoffstrategie der Gemeinschaft vor, bis 2030 in Europa eine Elektrolyseur-Leistung von 40 Gigawatt (GW) aufzubauen. Daneben sollen noch einmal 40 GW außerhalb Europas dazukommen, um den Bedarf der Gemeinschaft an grünem Wasserstoff 2030 decken zu können.
„Mehrere Projekte sind dabei involviert“, berichtet Rechter. Die EU habe angeregt, dass jedes der Vorhaben sich nach einem Tier und einer Farbe nenne. Neben dem grünen Flamingo gibt es deshalb noch Vorhaben wie Black Horse, White Dragon oder Green Octopus. Wie diese hat Brüssel auch dem Green Flamingo den Status eines IPCEI gegeben, einem Projekt von besonderem EU-Interesse. Die Abkürzung steht für „Important Project of Common European Interest“.

Um die ambitionierten EU-Ziele zu erreichen, seien gerade der Mittelstand sowie innovationsfreudige Start-ups gefragt, findet Rechter. „Das vielleicht größte Risiko liegt darin, dass viele alte Energieunternehmen zwar auf den Wasserstoff-Zug aufspringen, seine Geschwindigkeit aber drosseln wollen“, sagt er. „Denn grüner Wasserstoff konkurriert mit ihrem alten Geschäftsmodell von fossilen Energien. Das ist ein Grundkonflikt für sie.“

Solarstrom prädestiniert

Beim Solarstrom dürfe nicht nur auf den niedrigsten Preis geschaut werden. Zwar erzielte die Photovoltaik mit nur 11,14 Euro je Megawattstunde (MWh) in Portugal in diesem Sommer den bisher niedrigsten Abschluss in Europa. Notwendig sei ein solches tiefes Preisniveau derzeit aber gar nicht angesichts von Großhandelspreisen von aktuell rund 40 Euro je MWh. „Bei einem Cent pro Kilowattstunde Solarstrom verdienen die Stromerzeuger kaum noch Geld“, sagt Rechter. „Stattdessen drücken sie die Lieferanten und Entwickler. Das ist ungesund, denn wir müssen in Europa eine eigene Industrie für grünen Wasserstoff und für Photovoltaik aufbauen, um nicht von der Zulieferung aus China und anderen Staaten abhängig zu sein“. Bei Preisen von aktuell auskömmlichen 2 bis 3 Cent je kWh Solarstrom sei das aber durchaus möglich. Und 2030 werde die Solarstromerzeugung dann auch tatsächlich für 1 bis 2 Cent wirtschaftlich werden.

Günstiger Solarstrom ist auch eine Voraussetzung dafür, den Rohstoff Wasser erschwinglich zu beschaffen. Pro Kubikmeter Wasserstoff benötigt die Elektrolyse laut Fraunhofer ISE etwa sechs Liter Wasser. Trinkwasser aus Süßwasserressourcen kommt für niederschlagsarme Länder wie Portugal nicht in Frage. Dafür böte sich der Atlantik an, sagt Rechter. Bedingung für ein erfolgreiches portugiesisches Wasserstoffprojekt sei also die Meerwasserentsalzung. Mit Solarstrom, so Rechter, könne das Wasser zu attraktiven Preisen zur Verfügung stehen. Die Krux dabei: Portugal muss erst noch entsprechende Anlagen aufbauen.

Elektrolyse-Kosten kein Problem

Sollte das aber passieren, stellten auch die Kosten für die Elektrolyse kein Problem dar, glaubt Rechter. „Die Preise für Elektrolyseure werden noch schneller fallen als bei der Photovoltaik“, schätzt er. Alles in allem werde ein Land wie Portugal 2030 in der Lage sein, grünen Wasserstoff „absolut wettbewerbsfähig“ zu produzieren – verglichen mit grauem Wasserstoff aus Erdgas, aber auch „blauem“, bei dem der Kohlenstoff der fossilen Quelle entzogen und deponiert wird. Rechter warnt deshalb: „Bei blauem Wasserstoff drohen Investitionsruinen. Grüner wird günstiger zu produzieren sein.“

Wichtig sei zudem, dass die Politik die Weichen stellt. Das gilt etwa für den Wasserstoffeinsatz im Verkehr und im Gasnetz. Die in diesem Frühjahr vorgestellte Wasserstoffstrategie Portugals trägt dem Rechnung. Sie setzt neben dem Bau von Wasserstofftankstellen auf Brennstoffzellenbusse, wie sie die portugiesische Caetano in Kooperation mit Toyota entwickelt. Außerdem soll der mögliche Anteil von Wasserstoff im Erdgasnetz von aktuell einem auf 15 Prozent anwachsen. Schließlich sieht der Plan bis 2030 den Aufbau einer nationalen Elektrolyseleistung von 2 GW vor.

Der grüne Flamingo will mit mindestens 1 GW aus Photovoltaik dazu beitragen. Die CPV-Technologie stelle dafür allerdings keine Alternative dar, so Rechter, denn sie sei zu teuer. „CPV hat Vorteile gerade in besonders sonnenreichen Regionen“, sagt er. Doch die höheren Erträge kompensieren nicht die Mehrkosten im Vergleich zu den „normalen“ kristallinen Solarzellen – zumal in Portugal in dünn besiedelten Gebieten auch reichlich Land zur Solarernte zur Verfügung steht.

Infrastrukturaufbau in Sines

Derweil gehen im Hafen von Sines die Arbeiten am Aufbau des ersten Gigawatt-Elektrolyseurs weiter. 2023 soll die Produktion starten. Offen ist aber noch die Frage, wie das flüchtige Gas künftig transportiert werden soll. Neben der Möglichkeit der Verflüssigung lässt sich Wasserstoff auch mit Ammoniak an einen organischen Träger binden und so von normalen Tankern laden.
Doch was vor allem wichtig ist: „Europa muss jetzt loslegen, damit wir 2030 hier wirklich eine wettbewerbsfähige Industrie aufgebaut haben“, so Rechter. Und für von der aktuellen Coronakrise gebeutelte Staaten wie Portugal stellt das eine große Chance da.

Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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