Fraunhofer ISI diskutiert Import von grünem Wasserstoff

Eine große Solarstromanlage auf Wüstensand.Foto: Oliver Ristau
Im tunesischen Tozeur könnte künftig Solarstrom für die Wasserstoffproduktion zum Einsatz kommen.
Das Fraunhofer ISI hat ein Papier vorgelegt, in dem es den Fragen zum künftigen Import von grünem Wasserstoff nachgeht. Ferner listet es auf, in welchen Sektoren Wasserstoff und Syntheseprodukte zum Einsatz kommen.

Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat einen so genannten Policy Brief zum Import von grünen Wasserstoff vorgelegt. Darin beleuchtet es mit dem Import von grünem Wasserstoff in Zusammenhang stehende Fragen.

Die Klimaneutralität, zu der sich Deutschland und die EU verpflichtet haben, verlange bis 2050 eine völlige Abkehr von fossilen Brenn- und Kraftstoffen. Eine Substitution durch direkte Nutzung erneuerbarer Energien sei bislang aber nicht in allen Bereichen möglich. Hier kommen grüner Wasserstoff oder daraus erstellte grüne Syntheseprodukte wie Methanol, Methan oder Ammoniak ins Spiel.

Da für eine grüne Wasserstoffproduktion in Deutschland und der EU nicht ausreichend günstiger erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, spielt der Import von nachhaltig produziertem grünen Wasserstoff und Syntheseprodukten eine wichtige Rolle. Länder mit günstigen klimatischen Bedingungen könnten diese Produkte kostengünstig auf Basis erneuerbarer Stromproduktion herstellen und nach Deutschland oder in andere Länder exportieren. Deutschland bliebe damit auch in Zukunft ein großer Energieimporteur, was weitreichende Konsequenzen nach sich ziehe.

Breite Betrachtung der Importfrage

Vor diesem Hintergrund veröffentlicht das Fraunhofer ISI den neuen Policy Brief. Er trägt den Titel »Chancen und Herausforderungen beim Import von grünem Wasserstoff und Syntheseprodukten«. Dessen Ziel sei es, die Thematik aus allen möglichen Blickwinkeln zu diskutieren. Das umfasse Klimaneutralität und Nachhaltigkeit, die technischen und ökonomischen Potenziale, aber auch Kapitalverfügbarkeit, Governance und lokale Auswirkungen.

So beleuchtet der Policy Brief, dass grüner Wasserstoff stofflich in der Stahlerzeugung, in Raffinerieprozessen, in der Grundstoffchemie oder energetisch zur Prozesswärmeerzeugung zum Einsatz kommen kann, um CO2-neutral zu produzieren. Schwieriger gestalte sich der Wasserstoffeinsatz derzeit bei Anwendungen mit hohen Energiedichten wie im internationalen Flug- oder Seeverkehr. Hier seien Syntheseprodukte von Wasserstoff für eine Treibhausgasminderung nötig, was wiederum zu weiteren Effizienzverlusten und Kosten führe.

Importmarkt zwischen 100 und 700 Mrd. Euro

Neben Fragen zur Treibhausgasminderung skizziere der Policy Brief zudem Eckpunkte eines zukünftigen Marktes für den Wasserstoffimport in Deutschland und Europa. Diese dürfte zwischen 100 und 700 Milliarden Euro pro Jahr liegen. Noch bestehe Unklarheit bezüglich der möglichen Anwendungsbereiche des Wasserstoffs und der daraus abgeleiteten Energieträger bestehe.

Neben vielen Potenzialen bringe der Wasserstoffimport auch Herausforderungen mit sich. So gelte es zunächst entsprechende Produktions- und Transportkapazitäten aufzubauen, die zeit- und kapitalintensiv sind. Um mögliche neue Importrisiken gering zu halten, empfiehlt das Institut, langfristige partnerschaftliche Beziehungen zu demokratisch, politisch und wirtschaftlich stabilen Produktionsländern aufzubauen. Dabei sei es auch wichtig, Nachhaltigkeitskriterien zu entwickeln und anzuwenden, damit diese Länder ihre eigenen energie- und klimapolitischen Ziele erreichen können. Maßnahmen wie Investitionsförderinstrumente oder eine gesicherte Wasserstoffnachfrage können dabei helfen. Und nicht zuletzt seien entstehende Arbeitsplätze in den Produktionsländern und der Ausbau lokaler Wertschöpfung zentrale Treiber.

Besonders wichtig sei es, die Wasserstoffwirtschaft in die generelle Governance der Transformation des Energiesystems einzubinden. Hieraus ergebe sich ein hierarchisches »Energy-Efficiency-First«-Prinzip. Dieses räume der Reduzierung der Energienachfrage, der Dekarboniserung des Stromsektors mit Erneuerbaren sowie deren direkter Nutzung Vorrang ein. Auswirkungen der Umwandlungsverluste bei der Wasserstofferzeugung lassen sich dadurch begrenzen.

Entwicklungsländer brauchen Technologien

Aus Sicht der importierenden Länder geht der Policy Brief zudem auf Fragen der Technologiesouveränität bei Wasserstofftechnologien ein. Für Deutschland und Europa scheine dabei eine Gefährdung eher hinsichtlich der Verlässlichkeit der Exportländer von grünem Wasserstoff gegeben als bezüglich des Zugangs zu bestehenden Technologien. Umgekehrt liegen aus Sicht vieler Exportländer sowohl das verfügbare Technologiewissen als auch die Hersteller der Technologien im Ausland. Deshalb brauche es eine Erweiterung des Konzeptes der Technologiesouveränität um die Perspektive der Entwicklungsländer.

„Der Import von grünem Wasserstoff wird in seiner Komplexität aktuell noch zu wenig verstanden und die Herausforderungen sowie die künftig noch zu lösenden Aufgaben deshalb teilweise unterschätzt.“ Das sagt Prof. Dr. Martin Wietschel, der am Fraunhofer ISI das Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme leitet. „Daher sollte ein möglicher Wasserstoff-Import und dessen Konsequenzen umfassend analysiert werden.“

7.12.2020 | Quelle: Fraunhofer ISI
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