Ü20-Photovoltaik: Nach der EEG-Vergütung geht’s weiter

Nachführbare Photovoltaikanlagen auf drehbarem HausFoto: stock.adobe.com / danielschoenen
Ü20-Anlagen können durchaus noch innovativ sein, wie die des Architekten Rolf Disch auf seinem drehbaren Haus in Freiburg.
Für mehr als 18.000 Photovoltaikanlagen endet zum Jahreswechsel die alte Einspeisevergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Kurzfristig hat sich die Koalition nun auf eine Anschlussregelung ge­einigt. Danach sah es erst nicht aus. Und auch Energieversor­ger hatten bereits auf die Situation reagiert und Post-EEG-Lösungen für Betrei­ber von Ü20-Anlagen entwickelt.

Betroffen sind fast nur kleine Photovoltaik-Anlagen mit deutlich weniger als zehn Kilowatt Anlagenleistung. Für diese Ü20-Anlagen gab es bis Sonntagabend nach übereinstimmender Aussage der Experten aus Verbänden und Institutionen keine praktikable Möglichkeit zum Weiterbetrieb, die mit dem bisher geltenden EEG 2017 vereinbar gewesen wäre.

Doch obwohl dieses Problem schon lange bekannt war, legte das Bundeswirtschaftsministerium erst im September dieses Jahres einen Gesetzentwurf für die Novelle des EEG vor, die neben vielem anderen auch den Ü20-Anlagen eine vereinfachte Weiterbetriebsmöglichkeit eröffnen sollte. Der Gesetzentwurf kam nicht nur sehr spät, sondern enthielt zahlreiche neue Regelungen, die von Solarbranche und Energiewirtschaft heftig kritisiert wurden, aber auch in den Regierungsfraktionen von Union und SPD für Widerspruch sorgten. Erst Anfang dieser Woche hat man sich offenbar auf eine gemeinsame Linie geeinigt, für ein Gesetz, das schon in weniger als zwei Wochen in Kraft treten und von den Netzbetreibern und Bilanzkreisverantwortlichen in die Praxis umgesetzt werden soll.

Für die Anlagenbetreiber wird es deshalb wohl keinen reibungslosen Übergang in die Zeit nach der EEG-Vergütung geben. Denn sie haben nun sehr wenig Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen. Nach der nun vereinbarten Lösung können sie ihre Anlagen nun zwar auf Eigenverbrauch und Reststromeinspeisung umrüsten. Aber dies gelingt nicht unbedingt von heute auf morgen.

Freiwillige Vergütungen

Zudem können sie sich auch mit Alternativangeboten einzelner Energieversorger befassen, die schon vor Veröffentlichung des Gesetzentwurfs an Lösungen für Ü20-Anlagen gearbeitet haben.
So machte der Versorger der mittelfränkischen Kleinstadt Roth den dort betroffenen 18 Einspeisern das Angebot, den Strom weiterhin wie bisher abzunehmen und dafür eine Vergütung zu zahlen. Gedacht hat er dabei an den Baseload-Preis der Strombörse, der in diesem Jahr zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Cent pro Kilowattstunde schwankte. Bei einer 5-Kilowatt-Photovoltaikanlage mit 4.000 Kilowattstunden Jahresertrag ergibt das etwa 120 Euro jährlich, was kaum ausreicht, um die Betriebskosten solcher Anlagen zu decken, geschweige denn, Reparaturen zu finanzieren. Im Gegensatz zum EEG 2017 war das Angebot der Stadtwerke Roth aber immerhin ein Strohhalm, die Anlage ohne großen Umbauaufwand in der Volleinspeisung weiterbetreiben zu können.

Doch nun warteten die Stadtwerke Roth erst einmal ab, was die neuen gesetzlichen Regelungen im EEG vorsehen, sagt Ralf Muskat, der beim Versorger für das EEG und die Netznutzung zuständige Mitarbeiter. Vermutlich werde die endgültige gesetzliche Regelung an die Stelle des ursprünglichen freiwilligen Angebotes treten.

Die Stadtwerke Tübingen haben – wie inzwischen eine Reihe weiterer Stromversorger – erst in den letzten Wochen ein Angebot veröffentlicht, als das Gesetzgebungsverfahren schon in vollem Gange war. Auch das dortige Angebot knüpft an die im Regierungsentwurf vorgesehene Volleinspeisung an. Geboten wird aber mit 6 Cent pro Kilowattstunde ein fester Vergütungssatz, der aktuell auch deutlich höher als der Börsenpreis wäre. Voraussetzung dafür ist der Abschluss eines Stromliefervertrages bei den Tübinger Stadtwerken und das Angebot soll zunächst auch nur für die PV-Anlagen im Netzgebiet gelten.

Teure Messsysteme

Dagegen richtet sich das Angebot der EWS Schönau zwar an die Solarpioniere im ganzen Bundesgebiet. Dafür ist dieses aber zunächst auf 250 Anlagenbetreiber begrenzt und setzt neben dem Stromliefervertrag die Nutzung eines intelligenten Messsystems (iMSys, sogenannter Smart Meter) voraus. Falls dieses nicht vorhanden ist, was in der Regel der Fall sein dürfte, bietet EWS den Messstellenbetrieb über den Diensleistungspartner Discovergy an. Dabei bezuschusst das Ökostromunternehmen die Einrichtungskosten von rund 240 Euro für die 250 Pilotkunden mit 200 Euro. Allerdings fallen danach jährliche Messkosten von 100 bis knapp 170 Euro an. Mit herkömmlichen Zählern kostet die Messung bislang nur zwischen 10 bis 20 Euro pro Jahr.

Für drei Jahre garantieren die EWS dann eine Vergütung von 6 Cent je Kilowattstunde für Anlagen bis 15 Kilowatt und 5 Cent für die größeren Anlagen (maximal 100 Kilowatt). Angesichts der hohen Messkosten lohnt sich das bei kleinen Anlagen von privaten Betreibern nur dann, wenn auf Eigenversorgung mit Überschusseinspeisung umgerüstet wird. Und erst wenn die PV-Anlage mehr als 2.800 Kilowattstunden ins Netz einspeist, bleibt nach Abzug der Messkosten von der Vergütung überhaupt etwas übrig.
Zudem kann die Nachrüstung der Messsysteme und die Umstellung auf Eigenverbrauch bei den alten PV-Anlagen zusätzliche Kosten für die Modernisierung der Elektroinstallation verursachen. In ungünstigen Fällen ist mit einigen Hundert Euro Aufwand für Umbauten am Zählerschrank oder Netzanschluss zu rechnen. Die technischen Vorgaben in den elektrotechnischen Normen wurden in den letzten Jahren mehrfach überarbeitet und um zusätzliche Nachrüstpflichten erweitert, die von den Netzbetreibern teils rigoros durchgesetzt werden.

Noch keine genauen Aussagen

Weitere Versorger wie die in Franken aktive N-Ergie mit Sitz in Nürnberg, halten sich mit konkreten Konditionen noch zurück. „Zwar sind noch nicht alle gesetzlichen Vorgaben genau geklärt, dennoch bereiten wir aktuell Angebote für eine Folgenutzung und einen Weiterbetrieb Ihrer PV-Anlage vor“, heißt es dort etwas nebulös auf der Internetseite. Ziel sei es, so die N-Ergie, „Ihre Anlage wirtschaftlich weiterbetreiben zu können, sei es über Eigenverbrauchsoptimierung mit einer Cloud oder die Vermarktung überschüssiger Einspeisemengen.“

Auch Stefan Buscher, der Pressesprecher des ostdeutschen Versorgers Enviam vertröstet auf das neue EEG: „Deshalb können wir derzeit noch kein verbindliches Produktangebot für unsere Kunden machen. Die Kalkulation ist abhängig vom Ausgang der EEG-Novelle.“

Cloud-Tarife für PV-Betreiber

Etwas konkreter, aber nicht unbedingt transparent, ist da schon der Stromtarif, den Batteriehersteller Senec für Altanlagenbetreiber ankündigt. Das Stromprodukt heißt Pioniercloud und ist dieses aber genau nicht: ein Cloudtarif. Anders als bei der von Senec bei neuen Anlagen angebotenen Stromcloud, kann kein Solarstromguthaben eingespeist werden, das zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgerufen wird. Stattdessen wird die Einspeisung getrennt vom Strombezug vergütet und der Reststrombezug als monatlicher Paketpreis abgerechnet.

Dass der Überschussstrom separat abgerechnet wird, liegt laut Pressesprecher Stefan Dietrich am Konzept der Anschlussvergütung, die im EEG-Entwurf vorgesehen ist. Zusätzlich zu dem, was der Netzbetreiber dem Einspeiser an Erlös vom Börsenpreis zahlen würde, wolle Senec 4,2 Cent Bonus pro eingespeister Kilowattstunde drauflegen. Voraussetzung ist aber der Kauf eines Senec-Stromspeichers.

Zusätzlich bewirbt Senec aktiv die Idee, die alte Photovoltaikanlage durch eine neue zu ersetzen und unterstützt dies mit einem Online-Anlagencheck, der offenbar so programmiert ist, dass das System dem Interessenten immer ein Repowering empfiehlt.

Auch Sonnen bietet für Ü20-Betreiber eine Variante seiner Sonnenflat an, benannt als „Sonnenflat direkt“. Diese wird pro Monat knapp 10 Euro mehr kosten als bei neuen Anlagen, da Sonnen keine Gutschrift der EEG-Vergütung für die Überschusseinspeisung einkalkulieren kann. Anders als Senec will Sonnen den eingespeisten Überschussstrom in seinen Bilanzkreis der Sonnen-Kunden aufnehmen und bei Überschuss weiter vermarkten, anstatt ihn dem Netzbetreiber zur EEG-Vermarktung zu überlassen.
Als Teil seines virtuellen Kraftwerks aus dezentral installierten Batterien des Herstellers, will Sonnen darüber hinaus die Einspeisung von Solarstrom zeitlich verschieben, „vorzugsweise dann, wenn der Börsenpreis am höchsten ist.“ Damit entkopple Sonnen den Solarstrom von den Zeiten, in denen besonders viel davon verfügbar ist und die Preise damit am niedrigsten seien. „Dieser Mechanismus ist zudem netzdienlich, denn Solarstrom, der zur Mittagszeit die Netze belasten würde, wird vorzugsweise gespeichert oder gezielt im Haus verbraucht“, erklärt der Batteriespeicher-Hersteller.

Erstmal abwarten!

Jörg Sutter, Vizepräsident der DGS, empfiehlt den Anlagenbetreibern erst einmal „in Ruhe abwarten“. Er rechne ab Januar mit weiteren Angeboten, wenn die Rechtslage klarer werde.

Als erste Hilfe haben vor kurzem noch mehrere Verbände und Institutionen ein aktuelles Hinweispapier für die betroffenen Anlagenbetreiber veröffentlicht.Es liest sich wie das Motto des galaktischen Reiseführers aus Douglas Adams Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“: Keine Panik!

Hier finden Sie das Hinweispapier der Verbände BBEn, DGS, SFV sowie der Verbraucherzentrale NRW und der Energieagentur NRW

17.12.2020 | Autor: Thomas Seltmann
© Solarthemen Media GmbH

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