EEG-Ausschreibungen für Floating-, Carport- und Agri-Photovoltaik

Auf einen hügelig ansteigenden Feld ist eine aufgeständerte PV-Anlage zu sehen.Foto: Fraunhofer ISE / Baywa re
Kurz vor Toresschluss hatten in den Verhandlungen zum EEG2021 drei bisherige Nischenanwendungen der Pho­to­voltaik doch noch den Weg ins Gesetz gefunden. Ob Agri-, Floating- und Parkplatz-Photovoltaik mit den für 2022 geplanten gesonderten Innovationsausschreibungen von zunächst 50 MW wirklich gedient sein wird, bleibt allerdings eine offene Frage.

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), sieht den Ansatz für die speziellen EEG-Ausschreibungen ganz pragmatisch. „Das Thema wurde von der Politik nicht wirklich ernst genommen. Und so wie es jetzt formuliert wurde, ist es zwar suboptimal. Aber ein Thema ist leichter auszuweiten, wenn es überhaupt schon mal im Gesetz steht.“

Aktives Lobbying

Das zumindest haben Agrar- und Solarlobby erreicht. BSW und Bauernverband hatten sich sogar zusammengetan, um Abgeordneten des Bundestages das Thema Agri- oder Agrophotovoltaik in einem Brief schmackhaft zu machen. Und auch der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum EEG-Entwurf der Forderung spezieller EEG-Ausschreibungen Floating-, Parkplatz- und Agri-PV Nachdruck verliehen. Seit dem Beschluss von Bundestag und Bundesrat über das EEG2021 kurz vor Weihnachten widmen sich der Agriphotovoltaik nun gleich vier neue Paragraphen, die §§ 15 bis 18 des Gesetzes.

Sie beschreiben die Kategorie der „besonderen Solaranlagen“, in der sich nun die Agriphotovoltaik in Gesellschaft mit Floating- und Parkplatz-Photovoltaik findet. Für sie hat der Gesetzgeber innerhalb der Innovationsausschreibungen des Jahres 2022 ein spezielles Tortenstück von 50 Megawatt reserviert. Wer oder was freilich auf welche Weise um dieses Tortenstück konkurrieren darf, das ist noch ziemlich unklar. Nach dem politischen Schnellschuss vor Weihnachten haben nun die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesnetzagentur neun Monate Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.

Von Äpfeln und Birnen

§ 15 EEG bestimmt: „Die Bundesnetzagentur legt zum 1. Oktober 2021 die Voraussetzungen, die an die besonderen Solaranlagen zu stellen sind, fest. Hierbei sollen insbesondere die Anforderungen bestimmt werden, die zu stellen sind an 1. Solaranlagen auf Gewässern, 2. Solaranlagen auf Ackerflächen bei gleichzeitigem Nutzpflanzenanbau auf der Fläche und 3. Solaranlagen auf Parkplatzflächen.“

Vielleicht ist der Vorwurf, hier würden Äpfel mit Birnen in Konkurrenz geschickt, bei den „besonderen“ Solaranlagen etwas weniger berechtigt als bei den bereits seit längerem laufenden gemeinsamen EEG-Ausschreibungen von Wind- und Photovoltaikanlagen. Und doch sind sich alle von den Solarthemen befragten Experten einig, dass es fast unmöglich sein dürfte, für die jungen Technologien mit den EEG-Ausschreibungen ein Level Playing Field zu bereiten, das ihrem sehr unterschiedlichen Förderbedarf gerecht würde.

Start-Up sieht Förderung kritisch

Heiko Hildebrandt, Geschäftsführer der Next2Sun GmbH, sieht der Konkurrenz zwar für die eigene Technologie recht zuversichtlich entgegen. Schließlich hat das Start-up mit Sitz in Freiburg und Merzig mit seiner neuartigen Technologie senkrecht montierter bifacialer PV-Module auf Agrarflächen bereits erfolgreich an normalen PV-Ausschreibungen teilgenom­- men. Im Oktober 2020 ging die bislang größte Anlage des Unternehmens mit 4 Megawatt in Donaueschingen in Betrieb. Doch die Idee der EEG-Ausschreibungen als Förderidee sieht er trotzdem kritisch.„Mit der Floating-PV in einen Topf geworfen zu werden, ist vielleicht nicht so tragisch. Viel kritischer ist der Wettbewerb der verschiedenen Agri-PV-Technologien untereinander.“

Hildebrand spielt dabei auf so aufwändige Konstruktionen an, wie sie Wissenschaftler in Heggelbach am Bodensee unter Konsortialführerschaft des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) seit einigen Jahren als Demonstrationsprojekt auf einem landwirtschaftlichen Biobetrieb erforschen. Die Ernteergebnisse sind hier zwar sehr befriedigend, sowohl was die Strom- als auch was die landwirtschaftliche Seite angeht. Doch die Aufständerung der Module, unter denen landwirtschaftliches Großgerät – einschließlich Mähdrescher – manövriert, ist so teuer, wie es aussieht.

Ihren Platz und ihren Markt sollen Anlagen in der Logik der Agri-Photovoltaik dort finden, wo Verschattung für den Pflanzenbau durchaus erwünscht ist. Das sind nicht nur landwirtschaftliche Kulturen in den Trockengebieten der Erde, sondern auch bestimmte Sonderkulturen in der vom Klimawandel zunehmend betroffenen Landwirtschaft Mitteleuropas – etwa der Obstbau.

Markteintrittsbremse?

Wenn es jedoch darum geht, solchen jungen Technologien die Hoffnungen auf Synergieeffekte zu wecken, ein frühes Anwendungsfeld zu eröffnen, dann wären gezielte Zuschüsse vielleicht sinnvoller als eine gemeinsame Ausschreibung unter ungleichen Bedingungen.

„Ich fürchte, dass fungiert eher wie eine Markteintrittsbremse“, sagt Maximilian Trommsdorff, der am Fraunhofer ISE für die Agri-PV-Projekte verantwortlich ist. Auch er betont, dass allein schon die Photovoltaik zu vielfältig für gemeinsame Ausschreibungen sei.

Toni Weigl, Produktmanager für Floating PV bei der Baywa re, stört sich vor allem an der geringen Anlagengröße, die zu den Innovationsausschreibungen zugelassen werden soll. Das Spektrum reicht nach dem EEG-Text von 100 kW bis 2 MW. Die Baywa hat hingegen für eine Potenzialstudie bei einer Untergrenze von 10 Megawatt überhaupt erst angefangen. Sie identifizierte darin für Deutschland ein erstaunliches Floating-PV-Potenzial auf Binnengewässern von 20 Gigawatt. Gemeint seien dabei weder natürliche Gewässer noch solche Baggerseen, die Freizeitaktivitäten, Naherholung oder dem Naturschutz dienten, versichert Weigl. „Niemand muss Angst haben, dass wir ihm den beliebten Badesee zupflastern“, so der Baywa-Experte. Vielmehr gehe es um versteckte Funktionsgewässer, die oft öffentlich kaum bekannt seien.

Höhere Errichtungskosten

Bislang könnten die Photovoltaikkosten auf Gewässern noch nicht ganz mit normalen Freiflächenanlagen mithalten, obwohl Baywa – vor allem in den Niederlanden – bereits 100 MW an schwimmenden Photovoltaik installiert hat, erklärt Weigl: „Wir sind bei den Errichtungskosten circa 15 Prozent teurer als die Freiflächenanlagen.“ Demgegenüber stehe allerdings eine Einsparung bei den Wartungskosten. Zwischen den Modulreihen muss der Anlagenbetreiber beispielsweise kein Gras mähen und auch die Sicherheitstechnik kann eine Nummer bescheidener ausfallen. Denn wer auf dem Baggersee Module klauen will, muss zumindest ein Boot mitbringen.

Die eigentliche Baustelle für die Branche sieht Weigl aktuell eher in der Flächenkulisse und bei der Genehmigungen. Denn neben der baurechtlichen braucht eine Floating-PV-Anlage eine wasserrechtliche Genehmigung. Weigls vorläufiges Fazit zu den geplanten Sonderausschreibungen fällt daher gemischt aus: „Wir hatten uns zwar mehr erhofft. Aber das EEG schafft Aufmerksamkeit. Das ist positiv.“

Interesse an Solar-Carports riesengroß

Wenig Verlockendes erkennt hingegen Pawel Nowotny, Geschäftsführer der bluepark GmbH in dem neuen Förderangebot der gemeinsamen Innovationsasschreibungen. Sein Unternehmen mit Sitz in Frechen im Rheinischen Kohlerevier hat spezielle Carports für Großparkplätze entwickelt. Das Interesse sei aktuell riesengroß, berichtet Nowotny. Doch das Verkaufen sei nicht einfach, weil sich die Businesscases für Parkplatz-PV bei näherer Betrachtung oft in Luft auflösen würden. Allein über den Stromertrag lasse sich heute kein einziges Carportsystem wirtschaftlich darstellen, erklärt Nowotny. Deshalb sieht er in den Ausschreibungen keinen echten Businesscase: „Ich hätte mir ein anderes Signal gewünscht, eine andere Kategorie für Firmen, die das Dach für die Photovoltaikanlage erstmal mitbringen müssen.“ Denn seine Konkurrenz sieht Nowotny nicht auf der Freifläche und auch nicht auf Baggerseen.

Die eigentliche Konkurrenz spielt sich für Unternehmen wie blueparc zwischen Parkplatz und Dach ab. Nowotny: „Wir haben vor allem da eine Chance, wo die Dächer schon voll sind oder wo vor allem Klimaschutzinteressen eine Rolle spielen – etwa bei Kommunen oder wenn Zulieferer von ihren großen Auftraggebern nach dem Carbon-Footprint gefragt werden“. Dabei habe aber das EEG die Chancen für Parkplatzanlagen eher verschlechtert als verbessert. Denn als Gebäude ist auch ein Carport von den neuen Regeln für Dachanlagen zwischen 300 und 750 kW betroffen. Wer nicht in die Ausschreibung will oder kann, der braucht möglichst 50 Prozent Eigenverbrauch, sonst verliert er Teile der Einspeisevergütung. Vor diesem Hintergrund erscheinen Innovationsausschreibungen für die Park­­platz-PV, bei er es zumeist nicht um Megawatt geht, sondern um viel kleinteiligere Angebote, ganz weit weg.

Nur Anlagenkombinationen

Fragwürdig erscheinen die sogenannten Innovationsausschreibungen heutigen Zuschnitts für junge Technologien wie die Agri-, Floating oder Carport-PV aber noch aus einem weiteren Grund. Im Gegensatz zu den normalen technologiespezifischen EEG-Ausschreibungen beziehen sich die Gebote bei ihnen auf eine fixe Marktprämie. Damit übernimmt der Betreiber ein höheres Strompreisrisiko. Außerdem können ab diesem Jahr nur noch Anlagenkombinationen bei Innovationsausschreibungen antreten. Auch die „besonderen Solaranlagen“ müssen also mindestens mit einem Speicher betrieben werden oder sich mit anderen Technologien, wie Wind oder Biomasse, zusammentun.

21.1.2020 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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