Benjamin Dannemann: Energiegenossenschaften schaffen Akzeptanz

Portraitfoto von Benjamin DannemannFoto: DGRV
Benjamin Dannemann vom DGRV
Energiegenossenschaften erlebten bis etwa 2014 ein starkes Wachstum. Doch seitdem gibt es kaum noch Neugründungen – mit sinkender Tendenz. Gerade das EEG im Jahr 2017 habe der wirtschaftlichen Tätigkeit der Energiegenossenschaften einen Dämpfer versetzt, sagt Benjamin Dannemann. Er arbeitet in der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften im Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband. Die Solarthemen sprachen mit ihm über den aktuellen Stand.
Solarthemen: Die Betätigungsfelder der Energiegenossenschaften verändern sich. Wo finden sie die denn gerade vor allem?

Benjamin Dannemann: Das Hauptbetätigungsfeld sind immer noch die Solarstromdachanlagen. Das macht auch bei den neuen Projekten laut unserer jährlichen Umfrage bei den Genossenschaften den größten Anteil mit rund 70 Prozent aus. Ein wichtiges Ge­schäfts­feld ist zudem der Wärmebereich, insbesondere der Betrieb von Wärmenetzen. Man kann allerdings sehen, dass Energiegenossenschaften sich neue Perspektiven erschließen. So gibt es ein Interesse an Elektro-Car-Sharing und für den Aufbau regionaler Strommarken oder im Bereich von Mieterstrommodellen. Seit der Einführung der Ausschreibung für neue Projekte wird es im Bereich der Windenergie schwieriger. Die hohen Investitionen bei Windenergieprojekten ve­rbunden mit dem großen Planungsaufwand bei dem Risiko eines ausbleibenden Zuschlags stellen eine sehr hohe Hürde für Energiegenossenschaften dar. Daher ganz klar: Der Fokus liegt auf Solarstromdachanlagen im mittleren Leistungsbereich.

Auch für Genossenschaften ist der rechtliche Rahmen wichtig. Gerade wurde das EEG novelliert. Hat sich hier für die Genossenschaften etwas verbessert?

Leichte Verbesserungen gibt es in Feldern jenseits der klassischen EEG-Vergütung. Zu nennen ist hier der Mieterstrom, der vorher sehr kompliziert war und wo sich der Tätigkeitsbereich für Genossenschaften etwas vereinfacht hat. Wichtig war zudem, dass es in der EEG-Novelle neue Anschlussregelungen für mehr als 20 Jahre alte Anlagen gibt, die damit eine Perspektive bekommen. Positiv bewerten wir auch die Einführung der Südquote und die Erhöhung des Volumens bzw. der Gebotshöchstwerte bei den Biomasseausschreibungen. Letzteres könnte indirekt neue genossenschaftliche Nahwärmenetze anreizen bzw. die Hauptwärmequelle für bestehende Wärmenetze länger erhalten. Generell stellen wir aber fest, dass eine Förderung weiterer innovativer Geschäftsfelder für Energiegenossenschaften ausgeblieben ist. Beispielsweise wurde das Energy Sharing, das auch die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie vorsieht, in der Novelle leider nicht aufgegriffen. Durch ein Energy Sharing könnten Energiegenossenschaften ähnlich wie im Wärmebereich eine genossenschaftliche Mitgliederversorgung umsetzen. Dort hätten wir uns mehr versprochen.

Wo haben sich die Bedingungen verschlechtert?

Das betrifft aus Sicht der Energiegenossenschaften vor allem die mittelgroßen Solarstromdachanlagen. Und mit der Absenkung der Ausschreibungsgrenze wird es deutlich schwieriger. Damit wurden viele in ihrem Kerngeschäft getroffen. Der Leistungsbereich der Anlagen, in die Genossenschaften investieren, wird sinken. Die Projektoptionen für die Genossenschaften werden dadurch kleiner. Das sehen wir mit großer Sorge. Wir wissen auch, dass die EEG-Vergütung zur Markteinführung vorgesehen ist. Aber wenn gleichzeitig zur Absenkung der Ausschreibungsgrenzen innovative Geschäftsfelder wie das Energy Sharing fehlen, schränkt dies die Handlungsoptionen für Energiegenossenschaften ein.

Wie wirkt sich das denn konkret aus? Es gibt doch sicherlich Genossenschaften, die sich mit 100 oder 200 kW starken PV-Anlagen befassen und nicht nur solche im höheren dreistelligen Leistungsbereich bis 750 kW?

Tatsächlich starten Energiegenossenschaften häufig recht klein. Viele fingen mit relativ kleinen und wenigen Anlagen an. Es ist aber eine Entwicklung zu erkennen. Die Energiegenossenschaften professionalisieren sich. Viele sind mit einem einfachen Geschäftsmodell und rein ehrenamtlichen Engagement gestartet. In den Energiegenossenschaften steckt einfach sehr viel Herzblut. Um neue und innovative Geschäftsmodelle anzugehen, ist eine solche Tätigkeit in der eigenen Freizeit und zusätzlich zum eigentlichen Broterwerb problematisch. Dafür braucht es dann auch fest angestellte Mitarbeiter. Die Personalkosten lassen sich besser über größere Projekte finanzieren. Viele kleine PV-Anlagen machen den Verwaltungsaufwand größer. Und steigender Aufwand steht dann oft in keinem guten Verhältnis zu den Personalkosten.

Sie sprechen die Professionalisierung an. Aber ist damit die Teilnahme an Ausschreibungen nicht möglich?

Das ist eine Art Henne-Ei-Problem. Wir sehen, dass einige Energiegenossenschaften gerade dabei sind, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Allerdings befähigt sie das nicht auf Anhieb, in Konkurrenz mit den größeren Projektgesellschaften und Investitionsfonds einzutreten. So ist etwa die Anzahl an Mitarbeiterinnen eben nicht ausreichend, um sich in ein Ausschreibungsprojekt mit seinen speziellen Bedingungen hineinwagen zu können. Auch den Kapitalvorschuss, der dafür erforderlich ist, können Genossenschaften nicht riskieren. Denn wenn sie bei den Ausschreibungen leer ausgehen, droht der Verlust der Investitionen. Das ist sicherlich bei der Windkraft noch mehr der Fall, aber auch bei Solarstromanlagen ist das im Ausschreibungsfall nicht zu unterschätzen. Die Absenkung der Ausschreibungsgrenze kommt daher einfach zu früh. Mit Blick darauf können wir nicht verstehen, wie einerseits die Akteursvielfalt erhalten bleiben soll und andererseits kleine und mittlere Akteure wie die Energiegenossenschaften ihre Geschäftsfelder verlieren.

Wie können Genossenschaften reagieren? Sind Power Purchase Agree­ments, kurz PPAs, eine Alternative?

Es gibt einen uns bekannten genossenschaftlichen PPA über das öffentliche Netz und schon seit Jahren viele Stromlieferverträge hinter dem Netzanschlusspunkt. Der PPA wurde von den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) in Zusammenarbeit mit der Ener­gieGenossenschaft Inn-Salzach eG realisiert. Der Vertrag wurde auf unserem letztjährigen Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende geschlossen. Es gibt Energiegenossenschaften, wie die EWS oder die Bürgerwerke, die versuchen, andere Genossenschaften bei solchen Themen zu unterstützen. Bei PPAs gibt es also vereinzelte Überlegungen, aber wir können darin noch keinen größeren Trend erkennen.

Man kann derzeit nicht sagen, dass es überall funktioniert und dies hat auch seine Gründe. So können neue EE-Anlagen derzeit zu reinen Börsenstrompreisen fast nicht über „PPAs“ refinanziert werden. Selbst bei ausgeförderten EE-(Wind)-Anlagen ist dies nur bei sehr guten Anlagen möglich und die wurden in den letzten zwei Jahren vertraglich gebunden. Neue Projekte für den Klimaschutz können so nicht angestoßen werden. Zusätzlich bedeutet es für Energiegenossenschaften ein weiteres Aufbürden von wirtschaftlichen Risiken und niemand kann den Börsenstrompreis in zehn bis zwanzig Jahren prognostizieren. Schlussendlich passiert also ein bisschen in diesem Bereich, aber der neue Heilsbringer ist es weder für Energiegenossenschaften noch für alle anderen Marktakteure.

In der Breite und in der Fläche haben also Energiegenossenschaften mit ihren Projekten derzeit ein schwieriges Umfeld. Was bedeutet das für die Akzeptanz der erneuerbaren Energien?

Akzeptanz ist neben der Akteursvielfalt für den Ausbau der Erneuerbaren und die Energiewende insgesamt ein wichtiger Faktor. Der Wille zur Unterstützung von akzeptanzfördernden Maßnahmen wird ja auch von der Politik immer betont. Daher ist es seltsam, wenn gleichzeitig die Unterstützung und das Geschäftsfeld für Energiegenossenschaften durch die po­li­ti- schen Rahmenbedingungen so deutlich beschnitten werden. Da besteht aus unserer Sicht ein großer Widerspruch zwischen Reden und Handeln. Regional verankerte Unternehmen, in denen Bürgerinnen und Bürger vor Ort ein gleichberechtigtes Mitsprachrecht bei der Gestaltung der lokalen Energiewende haben, sind aus unserer Sicht ein passendes Kleid für das Gemeinschaftsprojekt Energiewende.

Wie beurteilen Sie denn dann die Chancen für Energiegenossenschaften? Aufgeben oder weitermachen?

Die Chancen sind da. Und es werden jedes Jahr auch 10 bis 20 neue Energiegenossenschaften gegründet. Mit kleinen und mittleren Solarstromanlagen bis 300 kW, mit der Wärme­versor­gung und mit den innovativen Geschäftsfeldern gibt es noch Handlungsspielraum. Und wir als Bundes­geschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV setzen uns gemeinsam mit den regionalen Prüfungsverbänden auch weiterhin dafür ein, dass die Handlungsspielräume nicht zunehmend abnehmen, sondern auch wieder neue Perspektiven entstehen. Im Bereich Elektro-Car-Sharing machen wir das auch über unser Projekt mobileG, dass kooperative Mobilitätskonzepte im ländlichen Raum unterstützt.

Öffentlich verfolgen können Sie unseren Dialog mit der Bundespolitik auch beim virtuellen Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende am 23. Februar. Wir erwarten hier eine kontroverse Diskussion und auch ein paar Anstöße für die kommende neue Bundesregierung. Denn momentan müssen wir feststellen, dass die Rahmenbedingungen den Handlungsspielraum von Energiegenossenschaften weiter ein­schrän­ken. Je kleiner dieser Spielraum wird, desto weniger kommen die besonderen Stärken gerade für die aktive Beteiligung der Menschen und der Akzeptanz für die Energiewende zum Tragen. Die Ausweitung der Ausschreibung für Solarstromdachanlagen und fehlende Perspektiven wie Optionen für das Energy Sharing im Stromsektor helfen nicht weiter. Eine Prognose zur weiteren Entwicklung der Energiegenossenschaften ist deshalb schwierig.

22.1.2021 | Autor: Andreas Witt
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