Solarpflicht in Kommunen und Ländern
Die hessische Stadt Vellmar war im Jahr 2001 eine der Vorreiterkommunen. Hier nutzte der Stadtrat das Modell des städtebaulichen Vertrages, um zu einer Pflicht zur Nutzung von Solarenergie zu kommen. In Hamburg gab es im Jahr 2004 Solarverordnungen mit festen Vorgaben für solarthermische Anlagen in der Hafen-City. Die Grundlage bildete das hamburgische Klimaschutzgesetz. Andere Kommunen wie Ulm setzten schon früh auf Grundstückskaufverträge, um die erneuerbaren Energien verpflichtend voranzubringen.
Mit Baden-Württemberg geht ein erstes Bundesland auf Initiative der damaligen Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) seit dem Jahr 2008 den Weg, den Einsatz erneuerbarer Energien im Wärmebereich vorzuschreiben. Eine Option sind dabei auch solarthermische Anlagen. Auf Bundesebene ist 2009 das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in Kraft getreten, das für den Neubau einen Erneuerbaren-Einsatz vorsieht – sofern nicht eine der Ausnahmen greift.
Möglichst viele PV-Dächer
Und auch speziell für die Photovoltaik gibt es beispielhafte Kommunen, die für diese Technologie feste Vorgaben im Stadtrat beschlossen haben. Konkret hat etwa der Stadtrat von Tübingen 2018 entschieden, die Photovoltaik auszubauen. Er verpflichtete die Stadtverwaltung dazu, bei Grundstücksverkäufen und städtebaulichen Verträgen die Installation von PV-Anlagen zu vereinbaren oder ansonsten in Bebauungsplänen festzusetzen. Voraussetzung für die Pflicht zur Solarenergie-Nutzung ist die Verhältnismäßigkeit. So wird niemand gezwungen, eine PV-Anlage zu errichten, die in einer speziellen Situation – zum Beispiel aufgrund von Verschattung oder wegen ungeeigneter Rahmenbedingungen – unwirtschaftlich wäre.
Eine Pflicht für Solarenergie war und ist aber immer ein umstrittenes, unbeliebtes Thema. Dabei ändern sich die Vorzeichen bereits seit ein paar Jahren. Solarstrom ist für Nutzer, die ihn auf dem eigenen Gebäude selbst nutzen können, kein Verlustgeschäft. Sie sind aber auch keine Gelddruckmaschinen. Um die Klimaziele sowie Ausbauziele für die Photovoltaik zu erreichen, sind wohl weder monetäre noch ökologische Motive ausreichend. Und die vorgesehenen Ausschreibungskapazitäten sind es auch nicht. Das auf den Dächern vorhandene Potenzial bleibt so zu einem größeren Teil unerschlossen.
Initiativen im Bundestag
Hier kommen nun die Solarpflichten ins Spiel. So sind sowohl aus den Reihen der SPD- als auch der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag Forderungen nach einer Photovoltaik-Pflicht laut geworden. Unterstützt werden solche Ambitionen durch ein Gutachten von Öko-Institut und Stiftung Umweltenergierecht mit innovativen Vorschlägen zur rechtlichen Ausgestaltung einer bundesweiten Photovoltaik-Pflicht. Die Gutachter, die die Möglichkeiten für eine Pflicht zur Solarenergie im Auftrag des Umweltbundesamtes untersucht haben, bringen eine kombinierte Bau- oder Katasterpflicht als neue Variante in die politische Debatte ein.
Diese Debatte wird längst geführt, und dies nicht nur in den Bundesländern. Baden-Württemberg, Hamburg und Bremen, die schon recht konkret an PV-Pflichten arbeiten bzw, sie über Gesetze und Verordnungen schon realisiert haben.
Die SPD-Fraktion im Bundestag hatte in diesem Jahr Forderungen für eine PV-Pflicht als Verhandlungsgrundlage mit der Union für die aktuelle EEG-Novelle verfasst. Die Sozialdemokraten um deren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch formulierten. „Im Bereich der Neubauten soll es für geeignete Dächer von öffentlichen, privaten und gewerblichen Immobilien eine Solarpflicht geben.“
Vorstöße aus den Parteien
Bereits im Sommer hatte auch der Klimakreis der Unionsfraktion um die Klimabeauftragte Anja Weisgerber Gedanken zur EEG-Novelle formuliert. In dem Katalog von möglichen Maßnahmen war eine Pflicht zur Installion von Photovoltaikanlagen auf Neubauten einer der Punkte.
Tatsächlich spielten solare Pflichten in der weiteren Diskussion um die EEG-Novelle dann zwar keine Rolle. Und auch in einer Entschließung zum EEG, die mit der Novelle am 17. Dezember 2020 beschlossen wurde, taucht die PV-Pflicht nicht auf.
Latent ist sie aber weiter in den Fraktionen ein Thema, das an Gewicht gewinnen kann, wenn der Ausbau der Erneuerbaren weiter stockt
Dabei ist nicht zu unterschätzen, dass ein Trend zu einer verpflichtenden Photovoltaik-Nutzung von jeder Kommune und jedem Bundesland angetrieben würde, die hier zu eigenen Regelungen kommen.
Solaranlagen-Pflicht in NRW
In diese Richtung wirkt derzeit auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Sie hat ihren neuen Entwurf zur Novelle der Landesbauordnung relativ kurzfristig um eine Vorschrift ergänzt. Ab 2022 sollen demnach alle neuen Parkplätze mit mehr als 25 Stellplätzen mit einer Photovoltaik- oder Solarthermie-Anlage ausgestattet werden. Die Landesregierung hat die Gesetzesvorlage mit der Pflicht für Solar-Parkplätze im Dezember in den Landtag eingebracht. Die Solar-Parkplätze sind Teil einer umfassenderen Reform der Landesbauordnung, die zum Beispiel auch Änderungen beim Dachausbau und der nachträglichen Dämmung bringen soll.
Schon seit einigen Monaten bereitet die Landesregierung die Novelle der Landesbauordnung vor, deren letzte Änderung am 1. Januar 2019 in Kraft getreten war. Die Idee der Pflicht für Solar-Parkplätze ist recht frisch. In einem Entwurf für die Verordnung im September dieses Jahres war sie noch nicht enthalten.
Jetzt sieht der Entwurf eine solche Verpflichtung vor. In Paragraf 8 will die Regierung einen neuen Absatz 2 einfügen, der beim Neubau eines für eine Solarnutzung geeigneten offenen Parkplatzes eine Solaranlage vorschreiben soll. Die untere Bauaufsichtsbehörde kann jedoch insbesondere aus städtebaulichen Gründen Ausnahmen zulassen oder auf Antrag eine Befreiung erteilen, wenn die Erfüllung mit einem zu hohen Aufwand verbunden wäre.
Photovoltaik auf Parkplätzen
Wie die Landesregierung in der Begründung zum Gesetzentwurf erklärt, soll das Bauministerium ermächtigt werden, „die näheren Regelungen (beispielsweise über Mindestanforderungen an die Beschaffenheit einer geeigneten offenen Parkplatzfläche, Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit) über eine Rechtsverordnung zu treffen“. Wie NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) erklärte, wolle sie die durch Parkplätze versiegelten „riesigen Flächen” mit einem Nutzen für die Gesellschaft verbinden. Photovoltaik-Anlagen sieht sie als Option gegen sommerliche „Hitze-Inseln”. Sie spendeten Schatten, nähmen Hitze auf und könnten zudem noch Energie erzeugen. Wie aus einem Schreiben von Scharrenbach an die Staatskanzlei hervorgeht, will sie mit den Solar-Parkplätzen aber auch den Photovoltaik-Ausbau in Nordrhein-Westfalen stärken.
Mit der neuen Verordnung ist nicht verbunden, dass künftig auf allen neuen größeren Parkplätzen Photovoltaik- oder Solarthermie-Anlagen entstehen. Die Bauaufsichtsbehörden und auch die Stadtplaner in den Kommunen können sich dagegen entscheiden. Wenn sie einen Parkplatz zum Beispiel in größerem Umfang mit Bäumen begrünen möchten, so stünde dies einer Solarnutzung im Wege.
Noch ist der Entwurf für die neue Landesbauordnung nicht beschlossen. Die Regierung hat ihn in den Landtag eingebracht. Er wird ihn in den kommenden Monaten beraten. Möglichst zum 1. Juli 2021 soll das neue Recht in Kraft treten.
Und dies ist nicht der erste Vorstoß eines Landes für PV-Pflichten auf Parkplätzen. In Baden-Württemberg hat der Landtag das Klimaschutzgesetz im Oktober beschlossen. Dort sind ab 2022 PV-Anlagen auf Parkpätzen mit mehr als 75 Stellplätzen verpflichtend. Ebenso sind auf oder an neuen Nichtwohngebäuden Photovoltaikanlagen oder ersatzweise Solarthermieanlagen zu installieren.
26.1.2021 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 1/2021 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!