„Intelligente“ Schaufelblätter für Gezeiten-Wasserkraftwerke

Grafik eines Flügerquerschnitts im StrömungskanalGrafik: Stefan Hoerner, Uni Magdeburg
Dynamischer Strömungsabriss an einem Schaufelprofil: Geschwindigkeitsfelder einer laserbasierten Hochgeschwindigkeitsmessung.
Durch den Einsatz optimierter Turbinen sollen künftig umweltfreundliche Gezeiten-Wasserkraftwerke wesentlich effizienter „grünen“ Strom erzeugen. Ingenieure der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg entwickeln dafür Schaufelblätter mit eingebauten Motoren.

Die integrierten Antriebe sorgen dafür, dass sich die Turbinenschaufeln der Gezeiten-Wasserkraftwerke während jeder Umdrehung optimal an die Wasserströmung anpassen. Sie verhindern so einen gefährlichen Strömungsabriss. Dieser Begriff beschreibt die Ablösung der Strömung von der Oberfläche von Turbinenschaufeln, Flugzeugflügeln oder Rotorblättern. Die Folge ist, dass die Auftriebskräfte, die die Turbine antreiben beziehungsweise das Flugzeug in der Luft halten, plötzlich zusammenbrechen, während der Widerstand schlagartig stark ansteigt. Die dabei auftretenden Kräfte führen zu einem Effizienzverlust und über längere Zeit zu Materialversagen und Ermüdungsbrüchen der Turbinenrotoren. Seit etwa 20 Jahren gibt es derartige Anlagen im Forschungsstadium.

„Bisher müssen diese Belastungen durch stabilere Bauteile, verbunden mit einem höheren Materialeinsatz beziehungsweise Hochleistungsmaterialien, kompensiert werden“, so der Strömungsmechaniker Stefan Hoerner vom Institut für Strömungstechnik und Thermodynamik. „Beides ist wirtschaftlich und ökologisch gesehen ziemlich teuer. Mit der neuen Technologie soll es möglich werden, die Strömung um die Schaufeln aktiv zu kontrollieren und die Turbinen dadurch leichter, langlebiger und damit effizienter zu gestalten.“

Die integrierten Motoren sollen durch Bewegung der Schaufeln die Strömung so beeinflussen, dass sie bei minimaler Belastung maximale Effizienz erreichen. „Dadurch steigt die elektrische Leistung und die Struktur kann gleichzeitig feingliedriger gestaltet werden. Das wiederum hilft, Material einzusparen und die Lebensdauer der Turbinen nachhaltiger Gezeiten- oder Flusskraftwerke zu erhöhen.“

Motor ist Teil des Flügels

Das interdisziplinäre Team von Stefan Hoerner und Professor Roberto Leidhold vom Institut für Elektrische Energiesysteme der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Universität Magdeburg konzipiert die speziell entwickelten Motoren. DIese integrieren die Wissenschaftler in die Schaufeln der Turbine. „Sie sind dann Teil des Flügels selbst“, so Hoerner. „Das ist strömungsmechanisch sinnvoll, da sie keinen zusätzlichen Widerstand erzeugen. In dem Modell, das wir in unserem Strömungskanal untersuchen werden, wird es eine zusätzliche Herausforderung sein, die Motoren sehr klein und dennoch stark genug zu gestalten. Die Flügel sind an der dicksten Stelle nur etwas dicker als ein Zentimeter.“ Deshalb werden vor dem Praxistest im Wasserkanal das Design und die Festigkeit des gewichtsreduzierten Turbinenmodells mit Computersimulationen überprüft.

„Wenn wir diese technischen Probleme, also den Strömungsabriss kontrollieren können und die Effizienz und Lebensdauer der Turbinen signifikant steigern können, erwarten wir starke Impulse für eine breite industrielle Anwendung der Technik in der Zukunftsbranche der Gezeitenenergie“, erläutert Hoerner. „Die Ökosysteme der Meeresküsten und der Flüsse werden bereits sehr stark vom Menschen genutzt. Deshalb muss jeder weitere Quadratmeter, der zugebaut wird, so gut wie möglich und gleichzeitig nachhaltig eingesetzt werden. Das würde helfen, den Klimawandel zu bekämpfen und eine bisher nur sehr wenig genutzte Ressource erneuerbarer Energie, die Wasserkraft, nachhaltig zu nutzen.“

Nachhaltige Systeme

Konventionelle Wasserkraft sei bisher leider oft nicht nachhaltig, so der Strömungstechniker. Denn sie bedeute aufgrund von Dammsystemen einen erheblichen Eingriff in die Natur. Damit sei ein großes ökologisches und soziales Schädigungspotenzial verbunden, wie Verlust von Biodiversität, Fischschädigungen, Störung des Sedimenttransports oder Landverlust. „Wir arbeiten deshalb an unkonventioneller Technik, die eher wie eine Windturbine funktioniert und daher deutlich nachhaltiger ist.“

Innerhalb der nächsten drei Jahre soll ein Demonstrator dieser unkonventionellen Turbine vorliegen und getestet sein. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG fördert das Forschungsprojektmit fast 700.000 Euro. Dessen Titel ist: „Leistungssteigerung und Verbesserung der Dauerfestigkeit von Vertikalachsigen Wasserturbinen durch aktive Schaufeljustierung“.

25.2.2021 | Quelle: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg | Solarserver
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