EWE AG drängt auf mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien

Portrait von Stefan Dohler, Vorstand der EWE AGFoto: Sebastian Vollmert / EWE AG
EWE-Vorstand Stefan Dohler will mehr Tempo bei der Energiewende
Stefan Dohler, der Chef der EWE AG, ist unzufrieden mit dem Tempo der Energiewende. Die Kohle sei am Ende, Ökostrom werde immer günstiger. Möglichst schon Anfang April will EWE zusammen mit Enercon den größten Regenerativstrom-Produzenten Deutschlands an den Start bringen.

Bei den großen Energieunternehmen steht Klimaneutralität derzeit anscheinend hoch im Kurs. Bei RWE und Eon haben die Vorstände angekündigt, dieses Ziel 2040 schaffen zu wollen. Einen ambitionierteren Zeitplan haben sich Energie Baden-Württemberg (EnBW) sowie Anfang Dezember vergangenen Jahres die EWE AG gesetzt, nämlich 2035. Wir wollen Treiber für mehr Klimaschutz sein“. So begründet dessen Vorstandschef Stefan Dohler dieses Vorhaben. „An den heutigen Strukturen festzuhalten, würde uns viel Geld kosten, beispielsweise bei den Gesprächen mit Banken, wenn es um die Finanzierung neuer Projekte geht.“

Wichtiges Energieunternehmen

Die EWE steht zwar nicht ganz so im medialen Mittelpunkt wie die einstigen „großen Vier“, RWE, Eon, Vattenfall und EnBW. Aber mit einem Jahresumsatz von zuletzt 5,7 Mrd. Euro und rund 8.800 Mitarbeitern gehört die „Energieversorgung Weser-Ems AG“ (so der frühere Name) zu den wichtigsten Energieunternehmen hierzulande.

Um das neue Klimaziel zu erreichen, will der Energiekonzern in den kommenden Jahren sieben Milliarden Euro investieren. Mehr als die Hälfte dieser Milliardensumme soll nach Dohlers Worten in den Ausbau der Energienetze und der erneuerbaren Energien fließen. So will der Konzern nicht nur in Windenergieanlagen an Land investieren. Er schaut auch auf Wasserstofflösungen für die Industrie, energieeffiziente Dienstleistungen und Produkte sowie in nachhaltige Mobilitätslösungen. Von Aktivitäten bei der Offshore-Windenergie hatte sich EWE allerdings jüngst durch Verkauf des Tochterunternehmens EWE Offshore Service & Solutions GmbH getrennt.

Neue klimaneutrale Produkte

Auf der To-Do-Liste vom EWE-Vorstand steht demnächst die Einführung klimaneutraler Produkte für Privatkunden. Gefragt, ob sich alle EWE-Kunden diese wohl teureren Angebote leisten können, ob er deshalb nicht soziale Ungleichgewichte erwarte, antwortet Dohler entschieden. „Mit der Mär von immer steigenden Energiepreisen will ich aufräumen. Wir sehen, dass die Erzeugung grüner Energien immer preiswerter wird.“. Zudem, so der langjährige Energiemanager, seien längst noch nicht „alle marktwirtschaftlichen Möglichkeiten“ für Preissenkungen beim Ökostrom ausgeschöpft. „Machen wir uns nichts vor: Es wird kein Zurück mehr zu vermeintlich billigerem Kohlestrom geben. Allein die steigenden Preise im Emissionshandel werden dafür sorgen, dass regenerativ erzeugter Strom für die Verbraucher preiswerter wird.“

Dohler: Regierung ist mutlos

Apropos erneuerbare Energien: Die von der schwarzen-roten Regierungskoalition mit der jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegten Ausbauziele bis Ende dieser Dekade nennt Dohler schlichtweg „mutlos“. „Ich glaube nicht, dass die 580 Milliarden Kilowattstunden Gesamtstrommenge, die für 2030 prognostiziert wird und von der 65 Prozent durch erneuerbare Energien erzeugt werden sollen, ausreichen werden.“

Die EEG-Novelle, so seine Kritik, berücksichtigt nicht die höheren Klimaziele von der EU-Kommission und dem EU-Parlament. Zudem werde durch den höheren Stromeinsatz im Wärmesektor oder die an Fahrt gewinnende Elektromobilität viel mehr Strom verbraucht als bislang vom Bundeswirtschaftsministerium verlautbart.

Schlechtes Zusammenspiel von Bund und Ländern

Nicht nur die falsche Stromverbrauchsprognose ärgert den EWE-Chef. Sondern auch das schlecht abgestimmte Zusammenspiel zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern bei der Energiewende. „In Berlin werden Konzepte für deren Fortgang erdacht, die Umsetzung verebbt dann aber in der norddeutschen Tiefebene.“. Als trauriges Beispiel dafür nennt er den schleppenden Ausbau der Windenergie an Land. „Es kann doch nicht sein, dass EWE und auch andere Investoren fünf bis sieben Jahre auf die Genehmigung eines Windparks warten müssen.“

Größter deutscher Ökostromproduzent

Dass Dohler auf mehr Tempo insbesondere beim Bau neuer Windturbinen an Land drängt, kommt nicht von ungefähr. Kurz vor dem letztjährigen Weihnachtsfest haben der Energiekonzern und die Aloys-Wobben-Stiftung, Alleingesellschafterin des Windturbinenherstellers Enercon, ihre aus dem vergangenen Frühjahr stammende Ankündigung umgesetzt, ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen. Dass dieses Joint Venture bei der Ökostromerzeugung Akzente setzen wird, ist absehbar, es entsteht der größte Ökostromproduzent hierzulande.

Denn das neue Gemeinschaftsunternehmen, an dem beide Partner gleichberechtigt beteiligt sind, startet bereits mit einem Windpark-Portfolio von etwa 2.300 Megawatt Leistung sowie einer Projektpipeline von 9.400 Megawatt auf den Kernmärkten Deutschland und Frankreich.
Investitionen im Gigawatt-BereichUnd nicht nur das: Bis 2030 soll der Eigenbestand jährlich um mindestens 200 MW ausgebaut werden, 5.000 MW haben sich beide Partner als Ziel bis Ende dieser Dekade gesetzt. Dafür sind, so die gemeinsame Pressemitteilung aus dem vergangenen Dezember, rund vier Milliarden Euro an Investitionen vorgesehen. Für Anfang April erwartet EWE-Chef das grüne Licht der Kartellbehörden für die neue „Wind-Ehe“ mit Enercon: „Wir wären wirklich froh, danach viele unserer Deutschland-Projekte aus unserer Pipeline auf die Straße bringen zu können.“

11.3.2021 | Autor: Ralf Köpke
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