Noch wenig Anreize für Ü20-PV-Anlagen

Vorn ein älteres Paar, im Hintergrund ein Einfamilienhaus mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem DachFoto: Andrey Popov / stock.adobe. com
Das Aufatmen war im Dezember 2020 fast hörbar, als die Parlamentarier im Bundestag den Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministerium entschärften. Ältere Ü20-PV-Anlagen, die aus dem Vergütungssystem des EEG herausfielen, bekamen eine legale Chance, weiter betrieben zu werden. Doch die Bedingungen sind in den meisten Regionen für die Anlagenbetreiber keineswegs rosig.

Mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat der Bundestag eine Auffangregelung für die so bezeichneten „ausgeförderten Anlagen”, beschlossen, die mindestens 20 Jahre lang eine garantierte Einspeisevergütung erhalten hatten. Wäre dies nicht geschehen, hätten die Anlagenbetreiber ihre Ü20-PV-Anlagen vom Netz trennen müssen. Stattdessen gibt es nun eine erweiterte spezielle Vergütung für diese älteren bzw. Ü20-Anlagen.

Dazu erklärte die Bundesregierung bereits in der Gesetzesbegründung:  „Diese Anlagenbetreiber können den in der Anlage erzeugten Strom bis Ende 2027 auch dem Netzbetreiber zur Verfügung stellen und erhalten hierfür den Marktwert abzüglich der Vermarktungskosten. Hierdurch werden sowohl ein Abbau dieser Anlagen als auch ein ‚wildes Einspeisen‘ verhindert.”

Geringer Marktwert von Solarstrom

Der Marktwert für Solarstrom ist derzeit aber sehr niedrig und liegt bei nicht einmal 2,5 Cent/kWh. Abzuziehen sind davon die Vermarktungskosten, die für 2021 auf 0,4 Cent/kWh gesetzlich fixiert wurden, aber 2022 ansteigen könnten. Der Anlagenbetreiber schickt seine Ü20-PV-Anlagen also für etwa 2 Cent/kWh ins Rennen – gerade bei den kleinen Anlagen der ersten Stunde zu wenig, um sie wirtschaftlich betreiben zu können. Bei z.B. einer 2-kW-Anlage decken die Einspeiseerlöse nicht einmal die Gebühren für Zähler und Versicherung – von Wartungs- und Reparaturkosten ganz zu schweigen.

8 Cent je kwh an Kosten

Etwa 8 Cent je Kilowattstunde seien erforderlich, um die kleinen Anlagen weiterlaufen lassen zu können, sagt Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein Deutsch­land (SFV), der in einem steten Austausch mit den Solar-Pionieren steht. Wenn diese ersten Betreiber von Ü20-PV-Anlagen, die schon die im Vergleich zu heute hohen Einspeisevergütungen kassiert hätten, nun 8 Cent forderten, klinge das für viele offenbar „gierig”, so Jung. Doch tatsächlich sei dies der Betrag, der erforderlich sei, um die Anlagen ohne Verluste weiter betreiben zu können. Dies hat der SFV bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie in einem Gutachten ermittelt.

Zuschüsse von Kommunen

Die ersten Kommunen legen in dieser Situation nun Förderprogramme speziell für Ü20-PV-Anlagen auf. Nicht verwunderlich, denn sie engagieren sich im Sinne des Klimaschutzes auch für den Aufbau neuer Anlagen. Aus dieser Perspektive ist es äußert nachvollziehbar, die alten An­­la­gen retten und nicht beim nächsten Defekt verlieren zu wollen. Um dies zu verhindern, unterstützen Gemeinden teils mit Beratung, teils mit direkten Zuschüssen.
Für Jung ist es ein Anliegen, die Volleinspeisung von Ü20-PV-Anlagen zu erhalten. Die äußerst klimaschonende Produktion von Solarstrom sei sinnvoll für die Gesellschaft. Zudem sei es für manche der inzwischen zumeist älteren Anlagenbetreiber:innen nicht immer leicht, sich auf ein neues System einzustellen.

Bislang gibt es nur wenige Energieversorger, die einen solchen Ansatz über freiwillige höhere Einspeisevergütungen unterstützen. So haben die Stadtwerke Solingen ihren „Sonnenschirm” aufgespannt. Statt nur 2 sind es bei ihnen immerhin mindestens 4 Cent, die als Vergütung fließen. Begrenzt ist dieses Angebot auf Kunden im eigenen Versorgungsgebiet. Diese Beschränkung gilt auch für die badenova: Sie legt 4 Cent auf den Marktwert oben drauf. Insgesamt kommt der Anlagenbetreiber also auf mindestens 6 Cent. Die Stadtwerke Tübingen zahlen fest eine Summe von 6 Cent.

Höhere Vergütung nur für Kunden

Sicherlich gibt es einen Haken: Die höhere Vergütung erhält nur, wer auch Stromkunde eines dieser Versorger ist. „Das halte ich für legitim”, erklärt Christian Dürschner von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie. Es sei nicht richtig, sich den eigenen Solarstrom möglichst hoch vergüten zu lassen und andererseits Billigstrom einzukaufen. Die Stadtwerke sendeten mit ihren Angeboten das richtige Signal aus. Und das scheint bei den Kund:innen auch anzukommen, wie Yvonne Schweick­hardt, Pressesprecherin von badenova, bestätigt. „Das Interesse ist sehr groß.”

Einzelne Stadtwerke-Angebote lassen sich auch mit dem Umstieg auf die Eigennutzung des Solarstroms verbinden. Dabei hat sich offenbar noch nicht bei allen herumgesprochen, dass es im EEG zu einer Änderung gegenüber den ursprünglichen Regierungsplänen gekommen ist. Sie wollte die Eigenstrommnutzung nur ermöglichen, wenn ein intelligentes Messsystem installiert würde. Dem schoben das Parlament aber einen Riegel vor. Einfache Zähler sind grundsätzlich bei kleinen PV-Anlagen ausreichend, um auf Eigenverbrauch und Reststromeinspeisung zu setzen. Allerdings steht es Versorgern, die mehr zahlen und dies mit einem Kunden vertraglich vereinbaren, frei, dies an Bedingungen zu knüpfen.

Dürschner hat ebenso wie seine Mitstreiter bei der DGS schon einige Solarpioniere im Rahmen des Projektes PV-Lotse beraten. Die Unsicherheit sei vor allem im Herbst vergangenen Jahres groß gewesen und habe sich nach Beschluss der EEG-Novelle gelegt. Die Seminare, die die DGS zu diesem Thema anbietet, seien aber weiterhin sehr gut besucht.

Interesse an Eigenverbrauch

Jetzt interessiere die Anlagenbetreiber häufig, was sie unternehmen müssen, um ihre Anlagen auf Eigenverbrauch umzurüsten. Laut DGS kostet der Umbau in der Regel zwischen 250 und 500 Euro. Strittig kann es aber sein, ob eine umfangreichere Ertüchtigung der elektrischen Anlage erforderlich ist. Wie Jung vom SFV erklärt, sei das durchaus häufiger der Fall. Und neben dem eigenen Aufwand müssten die Betreiber dann auch vierstellige Investitionen bereit sein zu tragen. Und das lohne sich nicht immer.

Anlagenbetreibern, die sich an diese Investition nicht herantrauen, bleibt nur die Einspeisung ins jeweilige lokale Netz. Ob eine Kommune den Weiterbetrieb bezuschusst oder das heimische Stadtwerk ein paar Cent drauflegt, können Kund:innen kaum beeinbflussen. Und die Option, den Strom an ein anderes Unternehmen – im Rahmen der Direktvermarktung – zu verkaufen, haben sie nicht.

Direktvermarktung?

Lediglich die Energiewerke Schönau haben schon im vergangenen Jahr ein entsprechendes Pilotprojekt mit maximal 250 Anlagen bundesweit gestartet. Hier können Anlagenbetreiber:innen, sofern sie EWS-Stromkun­d:innen sind, von den Schönauern bis zu 6 Cent Vergütung erhalten. Außerdem übernehmen die EWS die Kosten für ein intelligentes Messsystem

Doch das ist kein generelles Modell für Unternehmen im Stromsektor.
„Ausgeförderten Solaranlagen können wir aktuell leider kein Abnahmeangebot machen, obwohl wir schon intensiv darüber nachgedacht haben”, sagt Oliver Hummel, Vorstand der Naturstrom AG. „Im Unterschied zum Windbereich sind die Anlagen einfach noch zu klein. Die Direktvermarktung durch private Vermarkter wie uns lohnt sich bei den aktuellen Rahmenbedingungen mit hohen bürokratischen und technischen Anforderungen so weder für uns noch für die Solarpioniere.”

Es sei daher sinnvoll, dass der Staat mit dem EEG 2021 erst einmal eine weitere Abnahme des Stroms durch die Netzbetreiber ermöglicht habe, so Hummel: „Auf Dauer muss die Direktvermarktung für Kleinanlagen aber vereinfacht werden, damit nicht nur die größeren Solarparks, die ab Mitte des Jahrzehnts aus dem EEG fallen, eine frei wählbare Vermarktungsperspektive bekommen.“

20.3.2021 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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