EEG 2021: Warten auf EU-Notifizierung soll bald ein Ende haben
Die offenkundigste Wirkung: Wind-, Solar- und Biomasse-Projektierer, die sich an den EEG-Ausschreibungen der BNetzA zu den Stichtagen 1. Februar und 1. März beteiligt hatten, warten bis heute auf ihre Zuschläge. Für Branchenpraktiker ein sehr misslicher Zustand, den Christian Schnibbe von der wpd AG so beschreibt: „Alles verzögert sich. Wenn Sie zum Beispiel mit Banken reden, ist vieles Makulatur, so lange Sie keinen Zuschlag vorlegen können.” Mit jedem Tag, den die Brüsseler Notifizierung für das EEG 2021 auf sich warten lasse, werde es schlimmer. „Projektierer haben ohne den Zuschlag keinerlei Sicherheit. Es ist absurd: Die neue Ausschreibung steht vor der Tür, während die Ergebnisse der vorherigen Runde nicht bekannt sind. Marktteilnehmer, die seit Jahren an einem einzigen Projekt arbeiten, sind von dieser Ungewissheit maximal betroffen“, sagt Schnibbe.
Bundesnetzagentur darf nicht bezuschlagen
Der Bundesnetzagentur seien die Hände gebunden, erklärt deren Pressesprecher Michael Reifenberg. Und es sei nicht etwa so, dass die Schreiben an erfolgreiche Auktionsteilnehmer schon fertig in der Schublade lägen, erläutert er auf Nachfrage. Vielmehr dürfe das ganze Verfahren der Zuschlagerteilung nicht begonnen werden, solange dessen Parameter nicht durch Brüssel abgesegnet seien.
Die Misere hat sich die Koalition selbst eingebrockt. Und zwar, indem sie die EEG-Zahlungen nicht mehr ganz per EEG-Umlage, sondern teils aus dem Bundeshaushalt finanzieren will. Erst dies macht das Gesetz zweifellos zur staatlichen Beihilfe, weshalb es fortan der Gehmigung durch die Brüsseler Wettbewerbshüter:innen bedarf. Außerdem, so betont die BMWi-Pressestelle, sei der Klärungsbedarf, der jetzt zu Verzögerungen führt, erst durch die kurzfristigen Änderungen am EEG-Entwurf vor Weihnachten entstanden. „Im parlamentarischen Verfahren kam es noch zu vereinzelten Änderungen im EEG 2021, die von der EU-Kommission nicht vorab geprüft werden konnten. Die Kommission hat in den letzten Wochen daher noch Nachfragen zu den unterschiedlichen Förderbereichen gestellt. Seitens des BMWi wurden die jeweiligen Fördertatbestände umfassend erläutert.”
Ministerium kontert Branchenkritik
Das Ministerium reagiert damit auch auf Kritik aus der Branche. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hatte Anfang dieser Woche ein Schreiben der EU Kommission an den Verband öffentlich gemacht. Demnach wolle die Generaldirektion Wettbewerb den Fall des deutschen EEG „vorrangig und so schnell wie möglich behandeln, wobei allerdings der Bedeutung und Komplexität der Regelung und der Notwendigkeit, von den deutschen Behörden alle für ihre Bewertung erforderlichen Informationen zu erhalten, Rechnung getragen werden muss.”
Der BEE hatte daraus geschlossen, dass das BMWi eine Bringschuld noch nicht erfüllt habe. Die Solarthemen erfuhren nun aus dem BMWi, dass man sich mit der Generaldirektion Wettbewerb auf Arbeitsebene bereits einig geworden sei. Allerdings laufe in Brüssel noch die übliche Ressortabstimmung mit anderen Kommissionsbehörden.
Probleme, wo es um Geld geht
Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht betont, während des Wartens auf das Brüsseler OK sei nicht das gesamte EEG außer Kraft gesetzt. Es gehe vielmehr nur um dessen pekuniären Aspekt. „Nach unserer Auffassung beschränkt sich der Notifizierungsvorbehalt auf diejenigen Normen des Gesetzes, die Zahlungsansprüche begründen.” Sprich: Die im EEG 2021 beschriebenen Verfahren und Regeln ließen sich durchaus praktizieren, allerdings stünden alle Geldflüsse unter Vorbehalt. Und es seien daher auch keine verbindlichen Zusagen für künftige Geldflüsse auf Basis des EEG 2021 erlaubt. Das ist gerade das Problem der Bundesnetzagentur.
Müller bestätigt auf Nachfrage, dass die ausstehende Notifizierung aber nicht nur die an Ausschreibungen gebundenen Projekte betreffe. Sie könne nach § 105 EEG im Prinzip für alle neuen EEG-Anlagen zum Problem werden, selbst für kleine PV-Anlagen. Nicht nur die BNetzA als Bundesbehörde, sondern beispielsweise auch einzelne Verteilnetzbetreiber, könnten sich durch die zur Wahrung des beihilferechtlichen Genehmigungsvorbehalts eingefügte Regelung theoretisch veranlasst sehen, Einspeisevergütungen für neue EEG-Anlagen zurückzuhalten oder nur unter Vorbehalt auszuzahlen.
Teil-Notifizierung für das EEG 2021?
Müller weist außerdem auf einen Spezialfall hin, der im Absatz 5 des EEG § 105 ausdrücklich geregelt ist. „Die im EEG 2021 festgeschriebene Überbrückungshilfe von bis zu 1 ct für ausgeförderte Ü20-Windkraftanlagen ist bis zur Genehmigung durch die EU-Kommission suspendiert. Die Netzbetreiber zahlen bis dahin nur den um die Vermarktungsentgelte gekürzten Marktwert aus, wobei bei einer rückwirkenden Genehmigung zum Jahresanfang dann die Überbrückungshilfe nachgefordert werden kann.”
Sollte die Bundesregierung diese Ü20-Beihilfen oder einzelne andere umstrittene Aspekte des EEG 2021, wie etwa die Süd-Quote für Windkraftanlagen, der EU-Kommission nicht kurzfristig schmackhaft machen können, so könnte Brüssel auch abgestuft reagieren. Die Kommission könnte dem EEG 2021 eine Notifizierung mit einzelnen Ausnahmen erteilen. Es ließe sich so Zeit gewinnen, um strittige Passagen einer gründlicheren Prüfung zu unterziehen. Damit ist nach Solarthemen-Recherchen im Falle des EEG 2021 durchaus zu rechnen. So wäre Rechtssicherheit zumindest in allen unstrittigen Bereichen herzustellen.
9.4.2021 | Autor: Guido Bröer
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