Wasserstoff lokal und in Regionen

Foto aus Energiekommune 4/2021Foto: EWE
Prototyp des Wasserstoff-Müllwagens „Blue Power“ von Faun vor der Elektrolyse- und Tankanlage von EWE auf dem Kavernenspeichergelände in Huntorf (Wesermarsch).
Verschiedene Regionen versuchen eine lokale Wasserstoffinfrastruktur auf der Erzeugungs- und der Verbrauchsseite aufzubauen. Bund, Länder und EU fördern das.

Von der holländischen Grenze bis nach Rügen, von Kiel bis Landshut und von Mannheim bis Neustadt an der Waldnaab: In Deutschland scheint es von Wasserstoff-Regionen nur so zu wimmeln. Allein 25 Projekte resultieren aus der ersten Runde des Förderprogramms Hy-Land des Bun­des­wirtschaftsministeriums, das über die Nationale Organisation Wasserstoff und Brennstoffzellen (NOW) koordiniert wird.

„Ziel ist immer, eine echte Wertschöpfungskette lokal abzubilden. Mit diesem regionalen Ansatz können sich viele Menschen besser anfreunden als mit großen Strom­tras­sen“, sagt NOW-Pressesprecherin Nina Posdziech. In der Hy-Land-Förderlandschaft ist für jede Erfahrungsstufe etwas dabei, vom Programm „Hy-Starter“ für Wasserstoffneulinge bis zu „Hy-Performer“ für die Umsetzungsphase (siehe Kasten).

Hy-Expert

Dazwischen liegt die Kategorie „Hy-Expert“. In diese fällt der Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge. Hier gibt es bereits viele Wind- und Solarparks und eine Großbatterie. Die lokale Wasserstoffwirtschaft soll der nächste Schritt sein. „Dabei geht es zuerst um die Industrie, an zweiter Stelle kommt die Mobilität“, sagt Jürgen Kromer, Klima­schutz­­­manager des Kreises Wunsiedel.

Die Keimzelle der Wasser­stoffregion liegt in Lichtenfels. Das dort ansässige Unternehmen Rießner Gase braucht Wasserstoff für seine Prozesse und hat bereits 2019 mit Siemens und den Stadtwerken Wunsiedel (SWW) eine Absichtserklärung für den Bau eines PEM-Elektrolyseurs unterzeichnet, der vorwiegend mit Ökostrom betrie­ben wer­den soll. Mitte 2022 soll er in Betrieb gehen und zunächst 600 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produzieren. Mit der Aufnahme ins Hy-Expert-Programm im Sommer 2020 war es mög­lich, das Konzept im Landkreis breiter auszu­rollen, die Öffentlichkeitsarbeit zu intensivie­ren und Workshops durchzuführen.

Zusätzlich sei viel individuelle Überzeugungsarbeit in Gesprächen mit mög­lichen Wasserstoffnutzern nötig, erklärt Klimaschutzmanager Kromer. Vor allem Unternehmen mit schweren Fahr­zeugen im Fuhrpark kommen in Frage – die Müllabfuhr, Logistikfirmen, lokale Busunternehmen, aber auch die Kommunen selbst. In dieser Phase geht es nicht mehr darum, theoretische Optionen aufzuzeigen, sondern ganz konkret auch die Wirtschaftlichkeit unter die Lupe zu nehmen. Ende 2021 soll das Konzept fertig sein. „Wir wollen uns im nächsten Schritt als Hy-Performer bewerben“, sagt Kromer.

Hy-Performer Bayer

„Hy-Performer“ heißen die Wasserstoff-Regionen in der Umsetzungsphase. Bis zu 20 Millionen Euro Fördermittel gibt es dafür. Eine der bisher drei Modellregionen ist „HyBayern“, bestehend aus den Landkreisen München, Ebersberg und Landshut. Knapp 42 Millionen Euro sollen dort investiert werden. Ein Elektrolyseur mit einer Leistung von sechs Megawatt soll im Kreis Landshut entstehen und über Stromlieferverträge (Power-Purchase-Agreements) mit Solar-, Wind- und Wasser­strom aus der Region versorgt werden. Ab Herbst 2022 soll er rund 600 bis 800 Tonnen Wasserstoff pro Jahr liefern. Bisher sind 35 Busse im Münchner Verkehrsverbund und 22 PKW eingeplant – vor allem Firmenwagen.

Ursprünglich sollte es auch Wasserstoff-LKW und rund 70 Flurförderzeuge geben. Doch im innovativen Umfeld kommt es manchmal anders: „Die gewünschten Fahrzeuge sind am Markt noch gar nicht verfügbar“, sagt Ludwig Götz, der im Landkreis Landshut für die Wirtschaftsentwicklung zustän­dig ist. Jetzt ist auf der Verbrauchsseite noch Luft nach oben. Auch zwei ganz lokale Anwendungen gehören zum Projekt: ein Wasserstoff-Solarhaus-System, das aus Elektrolyse, Speicherung und einer Minitankstelle für drei bis fünf Fahrzeuge besteht, und ein Autohaus, das eine Brennstoffzellenheizung und eine Tankstelle mit selbst produziertem Solarwasserstoff betreiben will.

Hy-Performer Nordwest

Das Beispiel HyBayern zeigt, wie die Wasserstoff-Regionen mit fortschrei­ten­der Umsetzungsreife zusammenwachsen. Während die meisten Verbraucher in Ebersberg und München angesiedelt sind, ist die Elektrolyse im ländlichen Landshut viel leichter zu reali­sie­ren. Noch deutlicher sieht man das im Nordwesten Deutschlands. Dort reicht die Wasserstoffvision zeitlich und räumlich schon ein gutes Stück über das Hy-Performer-Programm hinaus. Ein Kartenausschnitt auf der Projektseite verdeutlicht die Vision: Der Wasser­stoff­verbund beginnt nördlich von Borkum, im Offshore-Windpark Riffgatt. Er dockt in den Niederlanden an das „Hydrogen Valley“ an, das mit EU-Fördermitteln rund um Groningen entstehen soll – bisher ein Zentrum der Erdgaswirt­schaft. Vier Gasspeicher, das Gaskraft­werk Mittelsbüren bei Bremen und das Stahlwerk von ArcelorMittal gehören ebenfalls zum Plan. Perspek­tivisch soll der gesamte Nordwesten mit einer Wasserstoffpipeline verbunden werden.

Das Wachstum über die Region hinaus ist nicht im Projekt angekündigt, aber absehbar: Zwischen den Niederlanden, dem Ruhrgebiet und Hamburg wollen die Fernleitungsbetreiber bis 2030 ein Wasserstoffnetz aufbauen. Rund 250 Kilometer südwestlich, in Rotterdam, laufen außerdem bereits die Vorbereitungen für ein europäisches Importter­minal.

Lokale Wertschöpfung

Was wird da aus der lokalen Wertschöpfung? Das ist auch für Ludwig Götz von der Landshuter Wirtschaftsför­de­rung die Kernfrage. Er sieht in der Wasserstoffregion eine Chance, die lokale Ökonomie – in diesem Falle besonders die örtliche Autoindustrie – so gut wie möglich für die kommenden Neuerungen zu wappnen. Die CO2-Minderungen sind dabei noch überschau­bar. HyBayern spart rund 4500 Tonnen CO2, in einer Region mit gut 650.000 Menschen. „Es ist erst mal ein Pilotprojekt“, sagt Götz. Die Hoffnung liegt im Skalierungspotenzial. Und darin, auf Dauer im globalen Wettbewerb mithalten zu können.

Förderung für Wasserstoff-Regionen

Das Förderprogramm Hy-Land geht gerade in die zweite Runde: Bis zum 14. Mai 2021 können sich dafür Regionen und Kommunen als Hy-Starter bewerben. In dieser Phase besteht die Förderung in einer kostenlosen organisatorischen und inhaltlichen Beratung bei der Entwicklung erster Konzept­ideen und dem Aufbau einer Akteurslandschaft. Die Bewerbungsrunde für die Hy-Experts läuft von Anfang April bis Mitte Mai (Datum bei Redaktionsschluss noch unklar). Um hier erfolgreich zu sein, ist eine ausführliche Ideenskizze nötig, inklusive Absichtserklärungen der Partner. Dafür winkt eine Vollförderung von 400.000 Euro für die Erstellung eines detaillierten Konzeptes, das auch schon Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen umfasst und Förderoptionen für die Umsetzung beleuchtet.

Auch die Hy-Performer-Kategorie soll laut NOW neu aufgelegt werden, Zeitpunkt und Förderhöhe sind aber noch nicht klar. Die Hy-Performer der ersten Runde berichten, dass für manche Teilprojekte wie die Anschaffung von Wasserstoff-LKW die Hy-Land-Förderung nicht ausreicht, um Investoren zu überzeugen. Es lohnt daher immer der Blick auf Spezialprogramme, wie das bayerische Programm BayH2T für Wasserstofftankstellen oder Zuschüsse der NOW für verschiedene Fahrzeugkategorien wie Müllwagen oder LKW. Eine Doppelförderung ist jeweils ausgeschlossen. Da die NOW-Programme ständig in Bewegung sind und begrenzte Zeitfenster haben, empfiehlt sich der Newsletter für Förderaufrufe.

Parallel zu Hy-Land gibt es teilweise Förderprogramme der Länder: Baden-Württemberg hat ein 35 Mio. Euro schweres Förderprogramm „Modellregion Grüner Wasserstoff“ mit Mitteln aus dem europäischen EFRE-Fonds aufgelegt. Bis zum 17. Mai können Projektskizzen eingereicht werden.

12.4.2021 | Eva Augsten | Solarserver
© Solarthemen Media GmbH

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 4/2021 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für den lokalen Klimaschutz. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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