Unsicherheiten rund um Redispatch 2.0
Der Redispatch ist ein seit vielen Jahren praktiziertes Verfahren, um Überlastungen des Stromnetzes, insbesondere des Transportnetzes zu vermeiden. Bislang gibt es eine begrenzte Zahl an Mitspielern. Das sind zum einen die Transportnetzbetreiber und zum anderen Kraftwerke ab einer Leistung von 50 MW. Anhand von Fahrplänen ermitteln sie, welche Stromleistung wo benötigt wird, welche Kraftwerke die Leistung liefern und welche Leitungen für den Transport erforderlich sind. Reicht die Leitungskapazität dann zum Beispiel nicht aus, um den bestellten Strom von Nord nach Süd zu bringen, muss ein Kraftwerk im Norden seine Leistung drosseln und ein Kraftwerk im Süden ersatzweise die Leistung hochfahren.
Kleinanlagen nicht betroffen
Mit dem Redispatch 2.0 ändert sich dies nun sehr grundlegend. Denn jetzt sollen sich auch die Verteilnetzbetreiber am Lastmanagement beteiligen. Und alle Stromerzeugungsanlagen ab 100 kW sind mit von der Partie. Betreiber kleinerer Anlagen, auch von bereits steuerbaren, müssen sich mit dem Thema aber vorerst nicht befassen. Im November 2020 hat die 6. Beschlusskammer der Bundesnetzagentur entschieden, kleine Anlagen unter 100 kW nicht bei ihren Festlegungen für das Redispatch 2.0 zu berücksichtigen. Denn diese Anlagen wiesen insgesamt nur eine geringe Leistung auf. Ihr Potenzial für das Redispatch sei deswegen gering. „Soweit einzelne Anlagen mit einer Nennleistung von weniger als 100 kW regelmäßig für Redispatch-Maßnahmen eingesetzt werden, steht den Betroffenen jedoch frei, die Vorgaben dieser Festlegung freiwillig umzusetzen”, so die Beschlusskammer.
Für alle ab 100 kW verpflichtend
Für alle anderen Anlagen ist die Teilnahme am Redispatch verpflichtend. Das gilt auch, wenn die Netzbereiche, in denen sich die Anlagen befinden, voraussichtlich von keinem Engpassmanagement betroffen sind.
Gerade in den vergangenen Wochen haben die Bundesnetzagentur und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) dazu nähere Regelungen entwickelt. Denn die Aufgabe, vor der die Stromwirtschaft mit dem Redispatch steht, ist sehr komplex. Ein Musteranschreiben, das der BDEW formuliert hat und das die Netzbetreiber nutzen können, um Anlagenbetreiber zu informieren, ist auch aus Sicht von Experten sehr kompliziert und für viele Anlagenbetreiber kaum verständlich. Darin finden sich Sätze wie beispielsweise dieser: „Zur Erleichterung der Prozessteilnahme wird von Connect+ zusätzlich eine Client-Software bereitgestellt. Diese ermöglicht die Nutzung der gesicherten REST-Schnittstelle nach dem Drop-box-Prinzip.” Um sich richtig zu verhalten, sollte ein Anlagenbetreiber nun wissen, was zu tun ist. Das wird aber oft nicht der Fall sein.
Neue ID erforderlich
Connect+ ist ein von Netzbetreibern organisiertes Projekt, das den Datenaustausch zwischen Marktteilnehmern sicherstellen soll. Dafür soll u.a. jede Anlage, die am Redispatch zu beteiligen ist, eine weitere ID bekommen – zusätzlich zur Nummer im Marktstammdatenregister.
Die Anforderungen an die Anlagenbetreiber gehen aber noch deutlich darüber hinaus. Letztlich müssen sie eine Technik vorhalten, die die Steuerung der Anlagen für das Lastmanagement ermöglicht. Außerdem sind für jede Anlage Einsatzverantwortliche zu benennen. Das können auch die beauftragten Direktvermarkter sein. Noch sind die Prozesse für die meisten Betreiber kleiner Anlagen aber kaum zu überblicken.
Und auch Netzbetreiber scheinen derzeit übers Ziel hinauszuschießen. Sie haben Anlagenbetreiber angeschrieben und bestimmte Systemdaten gefordert. Dafür haben sie teilweise Fristen von nur zwei Wochen gesetzt, obwohl dies nicht den gesetz- lichen Vorgaben entspricht. AWi
23.4.2021 | Autor: Andreas Witt | Solarserver
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