Freisprüche in Verfahren zu Mindestpreisregelungen für PV aus China

Ein Gerichtsraum mit Richtern, Anwälten und weiteren Personen in verzerrter PerspektiveFoto: Heinz Wraneschitz
Urteilstag im Verfahren gegen Sunowe-Gruppe im Strafjustizzentrum Nürnberg: Aus bandenmäßigem Betrug um Solarmodul-Einfuhrzölle wurden Freisprüche für alle Angeklagten
Im Prozess um angebliche Umgehungen der früheren Mindestpreisregelungen für Importe von Photovoltaikmodulen und -zellen hat das Landgericht Nürnberg-Fürth gestern sechs Angeklagte freigesprochen.

Die 3. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth gestand vier der Angeklagten im Prozess um Mindestpreisregelungen, die teils eine lange Untersuchungs-Haft ertragen mussten, Schadenersatz zu. Die Kosten trägt die Staatskasse.

Anklage wegen Steuerhehlerei

Die Nürnberg-Fürther Staatsanwaltschaft hatte die mutmaßlichen Täter wegen „gewerbs-/bandenmäßiger Steuerhehlerei“ und anderer Delikte angeklagt. Ihr Schriftsatz mit der Beweisführung umfasste mehr als 200 Seiten. Der Vorwurf stützte sich auf eine „Verpflichtungserklärung“ der chinesischen Handelskammer auf einen Mindesteinfuhrpreis für Solarmodule und deren Annahme durch die EU-Kommission.

Rückblende: Im Oktober 2017 hatte „Sunowe“ für Schlagzeilen gesorgt. Die Zollfahndung hatte nach eigener Aussage „ein Betrugskartell mit Solarmodulen ausgehoben“. Die in Nürnberg ansässige deutsche Tochter des chinesischen Herstellers Sunflower habe die seit 2013 geltenden, von der EU-Kommission festgesetzten Mindestpreisregelungen für Solarmodule unterlaufen. Weit über 20 Millionen Euro sollten dem Staat dadurch entgangen sein. Und die Konkurrenz von Sunowe, die sich an die Regeln gehalten habe, hätte dadurch Nachteile erlitten, so die Schlussfolgerungen. Im März 2019 begann der Prozess gegen die sechs Angeklagten. Doch nach genau 17 Verhandlungstagen kam das unerwartete Aus: Die Ermittler hatten es innerhalb von 30 Tagen nicht geschafft, „Zollanmeldungen, zentrale Beweismittel“ vorzulegen.

Strafbarkeit fragwürdig

Nun, gleich zu Beginn des Neustarts, legte der Vorsitzende Richter Maximilian Ehrhardt klar. „Die Strafbarkeit ist mehr als fragwürdig.“ Denn die Verpflichtungserklärung war schon 2013 und sei bis heute nicht öffentlich einzusehen. „Dieses Undertaking wurde nicht veröffentlicht“, ergänzte Markus Wagner, einer der Verteidiger. In seiner rechtlichen Einschätzung hatte Richter Ehrhardt den Bogen bis zum Grundgesetz gespannt: „Artikel 103 Absatz 2 schützt vor willkürlichen Maßnahmen.“ Deshalb sei in dem von Staatsanwaltschaft und Zoll angenommenen Betrug „das Bestimmtheitsgebot verletzt“. Eine Tat sei nur zu bestraften, wenn der Betroffene wisse, dass etwas verboten ist. Das ist aus seiner Sicht bei den Mindestpreisregelungen offenbar nicht der Fall gewesen.

Und so passierte am zweiten Verhandlungstag etwas in Landgerichtsverfahren sehr Seltenes. Ohne Beweisaufnahme kam es zu den Plädoyers. Von diesem Verlauf hatte sich die Kammer auch nicht durch Anträge und Vorhaltungen auch von Rechtsanwalt Nils Reuter abbringen lassen. „Ein Urteil ohne Beweisaufnahme wird keinen Bestand haben“, gab er sich überzeugt.

Die Verteidiger dagegen hoben vor allem auf die aus ihrer Sicht unnötigen Zwangsmaßnahmen gegen ihre Mandanten ab.

Revision möglich

Richter Maximilian Ehrhardt erklärte in seiner „ungewöhnlichen Begründung eines ungewöhnlichen Verfahrens“ noch einmal, warum es „nur die Möglichkeit zu Freisprüchen“ gab. „Die Bestimmtheit wurde nicht erfüllt“. Die Angeklagten hätten die Vereinbarung zwischen der Chinesischen Handelskammer und der Europäischen Union nicht gekannt, auf der die Anklage fuße.

Ehrhardt hatte aber trotz der strafrechtlichen Freisprüche bereits in der mündlichen Begründung betont. Ob das Unternehmen gegen die Zollvorschriften verstoßen hätte, sei durch das Landgericht zu entscheiden gewesen. Ob ein eventuell dafür angerufenes Finanzgericht die mögliche Steuerforderung in Millionenhöhe anerkennt, ist demnach weiter offen. Und Antje Gabriels-Gorsolke, die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, bestätigte auf Solarthemen-Nachfrage, man werde den Gang zum Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz wagen.

6.5.2021 | Autor: Heinz Wraneschitz | Solarserver
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