Repowering in der Bürokratie-Falle

Foto aus Energiekommune 4/2021Foto: Guido Bröer
Genehmigungshürden und Gerichtsverfahren verzögern in vielen Kommu­nen den Ausbau der Windenergie. Einfacher könnte alles sein, wo bereits Windkraftan­la­gen stehen – eigentlich. Doch gerade beim Repowering tun sich Windmüller aktuell schwer.

Bliebe es beim aktuellen Ausbautempo der Windenergie in Deutschland, dann würde in den kommenden Jahren die Kapazität aller Windkraftanlagen an Land nicht wachsen, sondern schrumpfen. Denn während die Politik im Nachgang der jüngsten EEG-Novelle noch um Ausschreibungsmengen feilscht, während tausende geplante Windenergiean­la­gen in Genehmigungsverfahren feststecken oder vor Gerichten beklagt werden, erreichen immer mehr Windräder ihr Rentenalter. Allein Ende 2020 sind etwa 3800 bis 4000 Megawatt (MW) an Anlagen der Baujahre bis 2000 aus der regulären Vergütung des EEG gefallen. In den Jahren bis 2025 folgen jeweils rund 2300 bis 2400 MW. Insgesamt werden dann 16.000 Megawatt aus der EEG-Vergütung gefallen sein. In den letzten beiden Jahren sind aber nach Zahlen des Bundesverbandes Windenergie (BWE) nur 1078 MW (2019) und 1431 MW (2020) neu errich­tet worden. Dabei spielen Bürokratie-Hindernisse eine wesentliche Rolle – auch beim Repowering. Wenn das so weiter ginge, wären die Klimaschutzziele Deutschlands unerreichbar.

Das Problem der „Ü20“-Anlagen, für die die EEG-Vergütung ausläuft: Die einen sind in einem langen, harten Arbeitsleben klapprig geworden und müssten drin­gend durch neue moder­ne Anlagen ersetzt werden. Die ande­ren – gewissermaßen die rüstigen Rentner – könnten bei guter Pflege der deut­schen Klimabilanz noch prima helfen; aber sie dürfen, können oder sollen das nicht. Wirtschaftliche oder bürokratische Hürden behindern ihren Weiterbetrieb. Dabei hatte die Bundespolitik das Problem erkannt und wollte mit der EEG-Novelle Ende 2020 eigentlich ein anderes Signal setzen.

Anlagen am Netz halten

Der Gesetzgeber hat zunächst dafür gesorgt, dass die „ausgeförderten“ Anla­gen ihren Strom überhaupt weiterhin ins Netz einspeisen dürfen. Das war bis dato keineswegs klar; und es gilt nun auch vorerst nur bis zum Jahr 2022. Der Netzbetreiber zahlt den Windmüllern dafür den Jahresmarkt­wert, der aktuell auf Basis 2020 nur bei 2,38 Cent pro Kilowattstunde liegt. Das ist für die wartungs- und reparaturbedürftigen Anlagen nicht auskömm­lich. Zumal die Netzbetreiber von diesem Betrag noch eine Vermarktungsgebühr von 0,2 beziehungsweise 0,4 Cent abziehen müssen.

Dass der Bundestag nun beschlossen hat, betroffenen Windmüllern übergangsweise einen Cent pro Kilowattstunde als Prämie für den Weiterbetrieb zu zahlen, die nach einem halben Jahr auf 0,5 Cent sinkt, hilft da nicht viel weiter. Das politische Signal sollte sein: Repowering vor Weiterbetrieb. Altanlagenbetreibern bleibt allein die Hoff­nung auf steigen­de Börsenstrompreise. Immerhin liegen die Monatsmarkt­wer­te seit An­fang 2021 für Onshore-Wind deutlich über 4 Cent pro Kilowatt­stun­de. Und wer aktuell mit Stromhändlern über längerfristige Abnahmeverträge für Strom aus alten Windkraftanlagen verhandelt, der kann durchaus Angebo­te im Bereich von 5 Cent pro Kilowatt­stunde erhalten.

Eine Frage der Nachhaltigkeit

Das könnte schon reichen, um eine gut gepflegte Anlage weiterzubetreiben, sagt der Windkraftpionier Matthias Kynast. Er hat mit seiner Firma MK Windkraft seit den 1990er Jahren in Südwestfalen 40 Bürgerwindturbinen mit 1500 Beteiligten realisiert. Viele davon stehen auf Flächen, die für ein Repowering – den Ersatz einer alten durch eine größere neue Anlage – nicht ohne Weiteres in Frage kommen. Kynast sagt: „Wenn ich mit der alten Anlage wüsste, ich bekomme eine gesicherte ökonomische Perspektive, dann könnte ich diese Anlage weiterbetreiben.“ Für den Windpionier ist das auch eine Frage der Nachhal­tig­keit. Allein schon, weil das Recycling nur teilweise funktioniere: „Viel mehr als Schreddern und dann im Betonwerk Verbrennen lässt sich mit den alten Flügeln nicht machen.“

Doch irgendwann, das sieht auch Kynast, ist die Zeit reif für Ersatz. Ein Problem dabei: Laut Umweltbundesamt steht jede zweite der alten Anlagen außer­halb der heute planungsrechtlich für Windenergiegewinnung nutzbaren Flächen. Die meisten Kommunen haben inzwischen Windvorranggebiete festgelegt, außerhalb derer der Bau einer Anlage quasi unmöglich ist. Zudem gelten in einigen Län­dern pauschale Mindestabstände zur Wohnbebauung, die die Wiedererrichtung einer Windkraftan­lage am alten Standort unmöglich machen würden. In einzelnen Fällen, darauf weist Elke Bruns vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) im Gespräch mit der Energiekommune hin, stünden alte Windräder sogar in Vogelschutzge­bie­ten. Und diese Windkraftstandorte hät­ten nun wirklich keine Zukunft.

Standortverlagerung

Deshalb unterscheidet der Bundesverband Windenergie (BWE) zwischen standorterhaltendem und standortverlagerndem Repowering. Der Verband hat Anfang März ein Papier mit Vorschlägen „zur Beschleunigung und Erleichterung des Repowerings von Windenergieanlagen“ veröffentlicht. Ihm ist wichtig, dass die bestehenden Anlagenstandorte, an denen sich die Bevöl­ke­rung und auch die örtliche Fauna mit den Rotoren längst arrangiert haben, für den Klimaschutz nicht verloren gehen. Standorterhaltendes Repowering definiert der BWE daher als Ersatz von Windkraftanlagen im Abstand von höchstens dem dreifachen Rotordurchmesser der neuen Anlage vom alten Standort.

In der Regel wird eine moderne Turbine dort eine oder mehrere Altanlagen ersetzen. Durch größere, effizientere Maschinen und höhere Türme steigert sich der Stromertrag eines Standortes um ein Vielfaches. Der BWE geht zudem davon aus, dass der größere Freiraum zwischen Rotorblatt und Boden die Situa­tion für windkraftsensible Tierarten verbessert. Und Planer freuen sich, dass die Betriebsdaten der Altanlagen langjährig bekannt sind und eine präzise Planung ermöglichen.

Wo aber eine Modernisierung der Windparks nicht möglich ist, da möchte der Branchenverband ein standortverlagerndes Repowering als politischen Begriff durchsetzen. Hierbei sollen Windparkbetreiber, die eine alte Anlage abbauen, privilegierten Zugang zu neu ausgewiesenen Flächen bekommen. Dies dürfe aber nicht zu Lasten von Flächen für Neuprojekte gehen, betont der Windverband. Er strebt ein bundes­weites Ziel von 2 Prozent der Landesfläche für die Windkraft an, um die Klimaschutzziele erfüllen zu können. Aktuell seien nur 0,9 Prozent der Bundesfläche für Windenergie ausgewiesen. Insofern dürften Gebiete, die einem standortverlagernden Repowering gewidmet würden, nur dann dem 2-Prozent-Ziel zugerechnet werden, wenn die frei werdenden Altstandorte abgezogen würden.

Politik hat Problem erkannt

In der Politik verhallen die Forderungen der Branche nicht ungehört. Repowe­ring steht mittlerweile weit oben auf der Prioritätenliste von Energiepoliti­ker:in­nen – nicht zuletzt auf europäi­scher Ebe­ne. Artikel 16 der vor zwei Jahren novellierte Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) der EU, die spätestens zum 30. Juni 2021 in deutsches Recht umgesetzt werden muss, fordert für das Repo­we­ring von Erneuerbare-Energien-Anla­gen ein vereinfachtes, zügiges Genehmigungsverfahren. Um dem nachzukommen, hat das Bundeskabi­nett am 2. Dezember 2020 einen Ent­wurf zur Änderung des Bundesimmis­sions­schutz­gesetzes (BImSchG) beschlossen.

Entwurf der Bundesregierung

In einem neuen § 16b des BImSchG-Entwurfs sieht die Bundesregierung vor, dass beim standorterhaltenden Repo­we­ring einer Erneuerbare-Energien-Anlage im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nur dann Anforderungen geprüft werden müssen, wenn durch die neue Anlage erhebliche nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können.

Auf den im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Prüfung üblichen Erör­terungstermin soll beim Repo­we­ring verzichtet werden. Davon erwartet sich die Bundesregierung eine wesentliche Beschleunigung.

Das allerdings sieht der Bundesrat anders, der einer Änderung des BImSchG zustimmen muss. In seiner Februarsitzung wies er den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit klaren Worten zurück: „Insgesamt ist die beabsichtige Neuregelung (…) nicht nur überflüssig, sondern aufgrund ihrer rechtsunsicheren Ausgestaltung sogar kontraproduktiv.“

Ländervorbehalte

Die Länderkammer begrüßt zwar, dass die Bundesregierung die Vorgabe der RED II umsetzen will, um das Genehmigungsverfahren für Repowering-Projekte zu vereinfachen, aber nicht so: „Eine zwingende Beschränkung auf eine Differenzbetrachtung von Altan­lage gegenüber Neuanlage kann zu fachlich unvertretbaren Ergebnissen und damit zu rechtsunsicheren Genehmigungen führen“, heißt es im Be­schluss des Bundesrates. Das verein­fachte Verfahren dürfe nicht dazu füh­ren, dass eine Änderungsgenehmigung zu erteilen sei, obwohl die Windturbine als Neuanlage an diesem Standort nicht genehmi­gungs­fähig wäre.

Die Bundesregierung soll nun eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfes den Ländern vorlegen. Besprochen werden soll dieser zunächst in Arbeitskreisen der Umweltministerkonferenz. Diese haben sich seit dem vergan­genen Jahr konstituiert, um einheitliche Genehmigungsverfahren – vor allem in punc­to Artenschutz – zu erarbeiten. Denn an der Frage des Tötungsrisikos für gefährdete Tierarten hängen aktuell die meisten Verzögerungen in den Genehmigungsverfahren für Windparks. Und auch vor den Verwaltungs­gerich­ten geht es in den meisten der oft jahrelang anhängigen Windkraftprozes­se zumeist um die Fauna am geplanten Standort.

Umweltminister einigen sich

Im Dezember konnten die Umweltminister der Länder in einer Sondersitzung einen ersten Erfolg erzielen. Sie einigten sich auf einen „standardisier­ten Bewertungsrahmen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Hinblick auf Brutvogelarten an Windenergieanlagen an Land.“ Dieser sogenannte „Signifikanzrahmen“ soll bis zum Herbst 2022 in die jeweiligen Verwaltungsvorschriften der Länder eingearbeitet sein. Zuvor seien allerdings noch die Schwellenwerte zu klären, wie Elke Bruns vom KNE erläutert. Das KNE ist an dem Arbeitskreis ebenso beteiligt wie führende Naturschutzverbände. Es gehe darum, ab welchem Wert ein Tötungsri­siko für eine gefährdete Vogelart als „signifi­kant“ gilt, so Bruns. Eine solche Festlegung wird dann nicht nur Auswirkungen aufs Repowering, son­dern auf alle Windprojekte haben.

Auch speziell zum Repowering hat aber die Umweltministerkonferenz eine Arbeitsgruppe gebildet. Bei den Beteiligten ist das Bestre­ben offenbar groß, Erleichte­rungen im Genehmigungsverfahren zu schaffen. Ebenso groß scheint aber die Sorge vor Rechtsunsicher­hei­ten, wie am aktuellen Beschluss des Bundesrates deutlich wird.

Jährliche Berichtspflicht

Nach § 98 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021) sind die Länder neuerdings verpflichtet, jährlich über Festsetzungen für Wind-Repowering in der Regional- und Bauleitpla­nung zu berichten. Der BWE sieht dies als einen wichtigen Schritt an, um die Länder beim Repowering in die Pflicht zu nehmen. Ergänzend wünscht er sich eine bundesweite Änderung des Baugesetzbuches. Er möchte erreichen, dass im § 35, der die Privilegierung des Bauens im Außenberich regelt, eine ausdrückliche Regelvermutung für Repowering aufgenommen wird. Demnach sollte ein Vorhaben als privilegiert gelten, das „der Nutzung der Windenergie im Rahmen eines Repowerings dient“. Mit dieser Forderung bezieht sich der BWE auf ein standorterhal­ten­des Repowering.

Um auch standortverlagerndes Repowering gesetzlich zu verankern, möchte der Verband das Raumordnungsgesetz anpassen. Darin möchte er nicht nur das von ihm favorisierte 2-Prozent-Ziel festschreiben, sondern auch einen Sonderstatus für Repowering. Nach dem Formulierungsvorschlag des Verbandes sind „sowohl bereits durch Windenergie genutzte Flächen nach Möglichkeit zur Weiternutzung vorzusehen als auch zusätzliche Flächen als Ersatz für nicht mehr weiter nutzbare Flächen auszuweisen“.

Daneben wünscht sich der BWE per Raumordnungsgesetz mehr Freiheiten für Gemeinden, damit diese der Windenergie bereits dienende Flächen selbststän­dig dem Repo­wering zugänglich machen kön­nen, die außerhalb heutiger Vorranggebiete liegen, aber durch Bauleitpläne der Gemeinden oder ehemalige Raumordnungs­pla­nung ausgewiesen sind.

Vorbelastung anerkennen

Ganz wesentlich geht es dem BWE darum, dass eine Altanlage bei Artenschutzprüfung als Vorbelastung anerkannt wird. Dies ist heute nicht der Fall. Allerdings hat sich auch die Umweltministerkonferenz am 11. Dezem­ber für eine solche Änderung ausgesprochen. Vorreiter ist hier das Land Hessen. Nach der hessischen Verwaltungsvorschrift „Naturschutz/Windener­gie“ ist seit dem vergangenen Jahr für genau definierte Repoweringvorhaben in der Regel kein signifi­kant erhöhtes Tötungsrisiko für gefährdete Arten anzunehmen.

Viele in der Windbranche und auch manche Naturschützer gehen davon aus, dass eine größere Neuanlage für gefährdete Arten weniger kritisch ist als mehrere Altanlagen, die sie im Zuge des Repowerings ersetzt. Wissenschaftlich erwiesen ist diese These allerdings noch nicht. Aus dem EEG fallen derzeit hauptsächlich Anlagen, die zwischen 500 und 1500 kW groß sind. Diese Anlagen sind meist weniger als 100 Meter hoch – ihre Rotoren messen zwischen 40 und 70 Metern im Durchmesser. Die neueste Anlagengeneration ist durchweg über 200 Meter hoch und ihre Rotoren haben oft 150 Meter im Durchmesser. Im Ertrag unterscheiden sie sich von ihren Vorgängern mitunter um eine ganze Größenordnung. Zwar drehen die Riesenrotoren sich wesentlich langsamer als die repowerten Altanlagen und sie wirken dadurch ruhiger, aber ihre Dimensionen sind gewaltig.

Bürgernahe Mühlen modernisieren

An den früheren Standorten sei das den Anwohnern oft einfach nicht zumutbar und auch nicht durchsetzbar, findet Windpionier Kynast: „Was mich stört ist, dass diese Riesenanlagen als Dogma gepusht werden.“ Oft könne es hingegen Sinn machen, einen etablierten Standort zu erhalten, auch wenn dort keine 4-MW-Anlage stehen könne. Dort eine alte Mühle durch eine nur wenig größere aber leisere, netzverträglichere und effizien­tere Bürgerwindanlage zu erneuern sei mit Blick auf eine demokratische Energiewende oft vernünftiger, als einen Riesenrotor zu bauen, womöglich an ei­nem ganz anderen Standort, meint Kynast.

Das Argument, mit diesem Kon­­­zept ange­sichts des Kostendrucks keine Chance in den EEG-Ausschreibungen zu haben, lässt er nicht unbedingt gel­ten. „Wenn über das Baurecht ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für solche Projekte käme, wäre das eine interessante Geschichte. Damit ließen sich viele Kosten sparen und ich könnte ziemlich sicher sein, dass nie­mand kla­gen wird. Damit könnte ich bei einer Ausschreibung durchaus mithalten.“

8.5.2021 | Autor: Guido Bröer | Solarserver
© Solarthemen Media GmbH

Titelbild der Zeitschrift Energiekommune 7/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 7/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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