Kommunale Wärmeplanung als Daseinsvorsorge

Foto aus Energiekommune 4/2021Foto: Guido Bröer
Baden-Württemberg verpflichtet als erstes Bundesland alle Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern eine kommunale Wärmeplanung zu machen. 103 Kommunen müssen bis 2023 eine Strategie für ihre Wärmewende entwickeln und Maßnahmen beginnen.

Während ländleauf, ländleab nun Bürger­mei­ster:innen und Kommunalparlamente ihre neue Pflichtauf­gabe vorsichtig beschnup­pern, macht der Landkreis Lörrach schon Nägel mit Köpfen. Die 35 Kommunen des Kreises wollen gemeinsam einen interkommuna­len Wärme­plan erarbeiten. Nach europaweiter Aus­schreibung haben sie im Dezember ein Konsortium aus drei Freiburger Firmen beauftragt, die kommunale Wärmeplanung für den gesamten Land­kreis in die Hand zu nehmen. Der Job ging an das Planungs­büro Endura Kommunal und das Beratungs­un­ter­­nehmen ifog, das die Akteursbeteiligung verantwor­ten soll sowie das IT-Startup Greenventori. Das wird sich vor allem um die Visualisierung der Ergebnisse kümmern.

Schon bevor die kommunale Wärmeplanung per Gesetz im Herbst zur Pflichtaufgabe wurde, hatte der Kreis­tag von Lörrach für das Pilotprojekt votiert. Das Umwelt- und Energieministerium des Landes unterstützt die „Unterneh­mensunabhängi­ge interkom­mu­nale Wärmeplanung für den Landkreis Lörrach“ seit August 2020 mit rund 622.000 Euro. Mit dem Verbundprojekt soll für den gesamten Kreis eine Wärmeplanung erstellt werden.

Stichtag für kommunale Wärmepläne 31. Dezember 2023

Das ist sportlich in diesem heteroge­nen Siedlungsraum, zu dem neben klei­nen Weilern im ländlichen Südschwarzwald auch mehrere Industriestädte im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet am Hochrhein gehören. Von den 35 selbstständigen Kommunen im Land­kreis haben nur drei mehr als 20.000 Einwohner und gehören damit zu den 103 Kommunen im Land Baden-Württemberg, die in den kommenden drei Jahren eine Wärmeplanung vorlegen müssen. Der Stich­tag ist dafür laut Klimaschutz­gesetz der 31.12.2023.

Der Landkreis Lörrach wolle dann längst fertig sein, berichtet Christian Kaiser vom Planungsbüro Endura Kommunal. 20 Monate hat das Konsortium angesetzt, um den Wärmeplan zu erstellen. Schon jetzt zeichnen sich zwar erste Linien ab; so ist unschwer zu erahnen, dass man den benachbarten Industriestädten am Hochrhein mit ihren großen Abwärmepotenzialen und ho­hen Verbrauchsdichten am Ende eine gemeinsame Fernwärmeschiene wird empfeh­len können. Zunächst aber geht es in Städten und Dörfern für das Endura-Team um Datenerhebung und Bestandsanalyse. Wärmeverbrauch und Treibhausgasemissionen gilt es zu erheben, ebenso Informationen zu Gebäudetypen und Baualtersklassen so­wie zu den Versorgungsstrukturen mit Gas und Wärmenetzen.

Das Klimaschutzgesetz des Landes verpflichtet deshalb nicht nur alle Netzbetreiber und erstmals auch die Schorn­steinfeger, sondern auch die Gewerbe- und Industriebetriebe, den kom­munalen Wärmeplanern ihre Da­ten zur Verfügung zu stellen.

Digitalisierung macht Probleme

Schon das sei alles andere als trivial, berichtet Kaiser: „Die 11 Bezirksschornsteinfeger im Landkreis sind zwar sehr kooperativ und wollen uns gern mit Daten unterstützen. Allerdings läuft die Datenhaltung bei jedem Schorstein­fe­ger individuell. Und die Software, die sie verwenden, ist bislang nicht in der Lage, die Daten, die wir bräuchten, als CSV-Datei zu exportieren.“

Für solche Erfahrungen macht ein Land Pilotprojekte. Und Kaiser ist zuversichtlich: „Wir haben dadurch zwar Verzögerungen, aber im großen und gan­zen ist das Projekt machbar.“

Davon geht auch Max Peters aus, der das Kompetenzzentrum Wärmewende bei der landeseigenen Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) leitet. „Die KEA-BW ist der erste Ansprechpartner für die Kommunen im Land, wenn es um Wärmeplanung geht“, sagt Peters. Und er sieht, dass es in den kommenden Jahren viel zu tun gibt. „Denn bislang“, so der KEA-BW-Experte, „hat noch keine einzige Kom­mu­­ne einen Wärmeplan vorge­legt.“ Dabei können neben den 103 Städten, für die Wärmeplanung jetzt eine Pflicht­aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge geworden ist, auch kleinere Gemein­­den freiwillig aktiv werden.

Land Baden-Württemberg zahlt

In beiden Fällen zahlt das Land den Löwenanteil der Planungskosten. Für die verpflichteten Städte sind die sogenannten Konnexitäts-Zahlungen sogar auf den Cent genau festgelegt: Jede Kommune erhält laut Peters über vier Jahre bis 2023 einen jährlichen Grundbetrag von 12.000 Euro und 19 Cent pro Einwohner und Jahr. Die kleineren Kommunen werden über ein entsprechen­des Förderprogramm entschädigt, so­fern sie freiwillig eine Wärmeplanung in Angriff nehmen.

Neben der Bestandsanalyse gilt es dabei stets herauszufinden, welche Potenziale an Abwärme und erneuerbaren Energi­en vor Ort zur Verfügung stehen. Daraus entwickeln Kommunen ein klimaneutrales Zielszenario für das Jahr 2050 mit einem Zwischenziel für 2030. Immer geht es dabei um die Ermittlung von Eignungsgebieten für Wärmenetze, Gasnetze und Einzelversorgung.

Mit welcher Strategie zur Wärmewende?

Wesentliches Resultat der kommunalen Wärmeplanung ist schließlich ei­ne Strategie für den Transformationsprozess. Gefragt sind konkrete Maßnahmen, für die Umsetzungsprioritäten und Zeit­plan festzulegen sind. Peters sagt: „Es ist nicht falsch, wenn Kommu­nen mit den tief hängenden Früchten anfangen. Aber die neue Qualität ist, dass hier ein strategischer Plan aufge­stellt wird, wie das klar definierte Ziel zu erreichen ist.“

Bislang steht Baden-Württemberg mit diesem konsequenten Vorgaben für seine Kommunen allein unter den 16 Bundesländern. Zwar gibt es auch in anderen Ländern wie Niedersach­sen, Schleswig-Holstein und Thüringen erste Ansätze und Anreize in Richtung Wärmeplanung. Kommunen, die aktiv werden wollen, können sich im Rahmen der Kommunalrichtlinie des Bundesum­welt­ministe­ri­ums ein Klimaschutz-Teilkonzept mit integrierte Wärmeplanung bezuschussen lassen. Nach Peters Einschätzung seien diese Ausarbeitungen allerdings mit Euro-Beträgen im unte­ren bis mittleren fünfstelligen Bereich zu­meist chronisch unterfinanziert.

Auch fehlt es manchen Konzepten an Verbindlichkeit. In Baden-Württemberg hingegen wird Wärmeplanung für die verpflichteten Kommunen zu einer Daueraufgabe, an der sich die gesamte Stadtplanung orientieren soll. Spätes­tens sieben Jahre nach seiner Fertigstellung muss ein Wärmeplan fortgeschrieben werden. „Wir empfehlen die Wärmeplanung deshalb von vornhe­rein bei der Stadtplanung anzusiedeln“, sagt Max Peters. Dort sei sie strategisch besser aufgehoben als etwa beim Umweltamt oder beim Klimamanagement.

22.5.2021 | Autor: Guido Bröer | Solarserver
© Solarthemen Media GmbH

Titelbild der Zeitschrift Energiekommune 4/2021

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 4/2021 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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