Energiepolitik: Was geht noch in dieser Legislatur?

Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Portrait im FreienFoto: Bundesministerium der Finanzen
Aus der Administration von Olaf Scholz kommt die als Sofortprogramm 2022 deklarierte Vorschlagssammlung.
Mehrere Energiegesetze will die schwarz-rote Koalition im Bund noch vor der Sommer­pause über die parlamentarische Bühne bringen. Bislang wird noch um wesentliche Details gerungen. In der nächsten Woche ist die letzte Chance zur Einigung.

Es wird sich, wie schon bei der EEG-Novelle Ende 2020, wieder erst last minute zeigen, was die Große Koalition in der Energiepolitik noch auf die Reihe bringt. Wenn es Entscheidungen geben wird, dann in der kommenden, der letzten Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommerpause und vor dem Ende der Legislaturperiode. Unter anderem läuft noch die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). An der hängen Weichenstellungen zu Wasserstoff (S. 6) und Batteriespeichern (S. 3). Aber auch kleinere Änderungen am Erneuerbare­-Energie-Geset­zes sind Teil der Novelle – unter anderem die parlamentarische Entscheidung über die seit langem angekündigten Sonderausschreibungen 2022 für Wind- und Solarstrom. Den Zeitdruck verursacht nicht nur die anstehende Bundestagswahl, sondern auch die europaweite Deadline, wonach die jüngste Fassung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) zweieinhalb Jahre nach ihrer Verabschiedung durch die europäischen Gremien spätestens Ende dieses Monats in nationales Recht übersetzt sein muss.

Klima-„Sofortprogramm“

Während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens, das bereits im März in Form des EnWG-Regierungsentwurfs das Parlament erreicht hat, gab es allerdings Überraschungen. Allen voran das Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts, das in der Koalition zusammen mit den guten Umfragewerten der Grünen hektische Betriebsamkeit auslöste. Im Mai verabschiedete das Bundeskabinett neben einem neuen Klima­schutzge­setz auch den „Klimapakt“, in dem die Regierung ein „Sofortprogramm 2022“ angekündigt. Da dafür 8 Milliarden Euro zusätzlich locker gemacht werden sollen, fiel die Federführung hier nicht an die Fachressorts von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) oder Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), sondern an das Finanzressort von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Energiepolitik aus dem Finanzministerium

Ob gezielt durchgesteckt oder nicht, gelangte vor zwei Wochen eine als „vertraulich“ gekennzeichnete, noch nicht abgestimmte Fassung dieses Sofortprogramms an die Öffentlichkeit. Darin fanden sich zahlreiche interessante Details, unter anderem zu erneuerbaren Energien. Die dürften aber im Gegensatz zur Darstellung in manchem Pressebericht nach Einschätzung politischer Beobachter so wohl nicht als gemeinsame Position der Bundesregierung vom Kabinett beschlossen werden.

Höhere Ausbauziele für Wind und PV

Das Papier fängt an mit Ausbauzielen auf 95 GW Windkraft und 150 GW Photovoltaik, erwähnt eine Solarpflicht bei allen Neubauten und größeren Dachsanierungen, fordert die 50-prozentige Beteiligung von Vermietern am CO2-Preis, eine schrittweise Anhebung des Neubaustandards auf EH-40 bis 2025 sowie unter anderem einen Förderstopp für fossile Heizungen in der BEG ab 2023 (vgl. Kasten). Insider unken, da habe die SPD-Seite in der GroKo wohl mal alles zu Protokoll geben wollen, was man in den vergangenen drei Jahren seit der Regie­rungs­bildung nicht habe durchsetzen können.

Kein „Sofortprogramm“

Selbst die zusätzlichen 8 Milliarden Euro für den Klimapakt, die Finanzminister Olaf Scholz nach einhelligem Kabinettsbeschluss in den Haushaltsentwurf 2022 schreiben wird, sind zusammen mit dem gesamten tausende Seiten starken Zahlenwerk in einem Wahljahr vor allem Symbolpolitik. Denn in Wahljahren wird der ganze Haushaltsplan nach der Wahl mehr oder weniger neu aufgesetzt.

Und dass einige der Ankündigungen im Vorentwurf zum „Sofortprogramm 2022“ – etwa die Aussagen zum Gebäudeenergiegesetz – schon deshalb nicht in ein so betiteltes Programm passen, weil unmittelbar vor der Bundestagswahl gar kein passendes Gesetzgebungsverfahren mehr angestoßen werden könnte, das sehen Kenner der Materie sofort. Aus dem Bundesumweltministerium hieß es denn auch unter der Hand: „Wir vermeiden jetzt in diesem Zusammenhang das Wort ,Sofortprogramm‘, wo wir können. Der Begriff ist falsch gewählt.“ Falls das Papier aus dem Hause Scholz in dieser oder der kommenden Woche tatsächlich Kabinettsreife erlangt, dürfte also eher „Klimaschutzvorsorgeprogramm“ darüber stehen.

Energiepolitik: Was läuft hinter den Kulissen

Dass es gar keine Chancen gebe, einiges aus Scholzens Katalog der „Sofortmaßnahmen“ noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum EnWG zu beschließen, bestritt allerdings eine Sprecherin des CDU-geführten Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber den Solarthemen: „Ich würde das nicht ausschließen wollen. Die Einigung läuft auf Hochtouren.

Autor: Guido Bröer


Klimapakt „Sofortprogramm 2022“ – Der Entwurf des BMF

Aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) ist ein Entwurf für das vom Bundeskabinett im Rahmen des „Klimapaktes“ angekündigte „Sofortprogramm 2022“ bekannt geworden. Hier einige der darin zur Energiepolitik genannten Maßnahmen. Aber Achtung: Das Programm ist bislang kein Regierungskonsens.

Höhere Neubaustandards

Überprüfung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) schon 2022 statt 2023. Ab 2023 bisherigen Förderstandard EH-55 im Neubau zur Pflicht machen. Ab 2025: EH-40 verpflichtend.

Solarpflicht

PV- beziehungsweise Solarthermie-Installationspflicht als Mittel der Energiepolitik für Neubauten und größere Dachsanierungen.

Förderprogramm Wärmepumpe

Besondere Förderung für elektrische Wärmepumpen 2021-2025 – zusätzlich zur BEG.

BEG-Standards

Bisherige Förderstandards EH-100 und EH-85 sollen im Bestand entfallen. Außerdem 10 Prozent höhere Fördersätze für Dämmung.

Förderstopp für Fossilheizungen

Innerhalb der BEG soll es keine Förderung für fossile Heizungen mehr geben. Aber: Für Hybridheizungen Anhebung von 25 auf 55 Prozent Erneuerbare. Absenkung der Förderung bei Biomassekesseln im Verhältnis zu anderen Erneuerbaren, um „Fehlanreize“ zu vermeiden.

Kostenteilung Mieter/Vermieter

50-Prozent-Beteiligung der Vermieter an Kos­ten des nationalen CO2-Preises. Dazu Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Emissionshandelsgesetz (BEHG), im Gebäudeenergiegesetz (GEG) und in der Heiz- und Betriebskosten-Verordnung.

Senkung der EEG-Umlage auf null

Bis Mitte der 2020er Jahre soll die EEG-Umlage mittels öffentlicher Gelder aus dem nationalen CO2-Preis auf null gesenkt werden.

95 GW Wind an Land, 150 GW Photovoltaik

Zitat: „Als Ziel für Windenergie an Land geht die Bundesregierung von einem Bedarf von 95 GW installierter Leistung bis 2030 aus, bei Photovoltaik von 150 GW.“

Bundesförderung effiziente Wärmenetze

Der bislang für die geplante BEW-Förderung vorgesehene Etat wird zwischen 2022 und 2027 aufgestockt. Geförderte Netze müssen ihre Wärme zu mindestens 50 Prozent aus „nachhaltigen“ erneuerbaren Quellen oder Abwärme beziehen – wohl keine Biomasse.

Grüner Wasserstoff

Die Förderung für Offshore-Elektrolyseure für grünen Wasserstoff wird angehoben.

Emissionsfreie Pkw

Zuschüsse für E-Autos sollen verstetigt und stärker in Richtung emissionsfreier Fahrzeuge gelenkt werden. Aufstockung des Etats.

17.6.2021 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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