Joachim Goldbeck: Kapital kann man umsteuern

Portrait Joachim Goldbeck im Flur eine BürogebäudesFoto: Goldbeck Solar GmbH
Joachim Goldbeck, Chef der Goldbeck Solar GmbH
Joachim Goldbeck, der Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft, ist Geschäftsführer der Goldbeck Solar GmbH. Seine Firma agiert vor allem im PV-Projektgeschäft. Im Solarthemen-Interview spricht er über nachhaltige Finanzierungsstrategien. Goldbeck war als Beirat bei der Entwicklung einer deutschen Sustainable-Finance-Strategie tätig.

Solarthemen: Die Bundesregierung hat kürzlich eine Strategie zu Sustain­able Finance vorgelegt. Sie waren selbst im Beirat dabei. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Joachim Goldbeck: Ich war tatsächlich das erste Mal in so einem Beirat. Von daher hatte ich keine so feste Vorstellung. Ganz ehrlich, ich dachte am Anfang, es kommt darauf an, Sustainable Projects mit Hilfe von Finanzierung schneller, in größerem Maße und leichter umsetzen zu können. Das war aber nicht ganz die Zielstellung. Sondern es geht darum, eine umfassende Struktur aufzubauen bzw. ein Rahmenwerk zu definieren, wie die gesamte Finanzwirtschaft mehr in Richtung Nachhaltigkeit ausgerichtet werden kann. Es geht um die Blick­richtung der Finanzmarktakteure wie Versicherungen und Banken.

Von daher hatte der Downstream-Gedanke nicht die zentrale Rolle einnehmen können, die ich ihm selber gern zugemessen hätte. Allerdings habe ich hier sicherlich unsere Perspektive einbringen und Punkte machen können. Der Beirat hat einen Abschlussbericht geschrieben, aus dem die Bundesregierung einige Anregungen für ihre Sustainable-Finance-Strategie über­nom- men hat. Zur weiteren Ausdifferenzierung stehen der Beirat und die Bundesregierung im Dialog.

Wie haben Sie die Diskussion im Beirat erlebt?

Der Prozess war superspannend. Es gab etwa keine Satzung. Wir mussten das zunächst alles selbst im Beirat erfinden. Dieser Prozess der Selbstfindung mit Vertretern unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen war sehr interessant. Die eigentliche Diskussion lief dann in verschiedenen Kleingruppen. In der Gruppe „öffentliche Hand“ war zum Beispiel die Schaffung eines Transformations- und Impact-Fonds als Dachfonds für Investitionen des Bundes ein Thema.

Ging es denn nur um Investitionen des Bundes oder um eine Gesamtstrategie für nachhaltige Investitionen?

Es geht um das gesamte Rahmenwerk für Sustainable Finance. Das beginnt bei den Begrifflichkeiten und Bedeutungen, der Taxonomie. Was heißt es denn zum Beispiel überhaupt, einen Green Bond, also eine grüne Anleihe, aufzulegen? Welche Kriterien müssen erfüllt sein? Es war also gar nicht so sehr die tatsächliche Finanzierung das Thema, sondern eher deren neue Basis – das Räderwerk dahinter, damit Sustainable Finance gelebt werden kann.

Mehr Transparenz für Investoren

Wer profitiert von der Strategie?

Das sind zunächst die Investoren. Sie erhalten mehr Transparenz für ihre gewollten, möglichst nachhaltiger ausgerichteten Investitionsbereiche. Bisher investieren sie zum Beispiel in die Aktie eines großen globalen Unternehmens. Doch wie nachhaltig ist das? Die Unternehmen werden das natürlich von sich behaupten, aber wie kann das gemessen werden? Die Sustainable-Finance-Strategie soll hier zur Transparenz beitragen, damit nachhaltige Zielsetzungen von Investoren besser zu realisieren sind. Für Banken, Vermittler und Berater soll die Strategie klare Werkzeuge schaffen, damit sie überhaupt erstmal entsprechend beraten können.

Und letztendlich profitieren auch die Kapitalempfänger, sofern sie nachhaltig agieren. Wenn Unternehmen ein Darlehen aufnehmen oder Eigenkapital einwerben wollen, wissen sie, welche Daten sie liefern müssen, um als nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen erkannt und akzeptiert zu werden. Das kann zu günstigeren Konditionen führen. Auf der anderen Seite erhalten nicht nachhaltig agierende oder kommunizierende Unternehmen schlechter Geld. Dies lenkt die Wirtschaft sukzessive in Richtung Nachhaltigkeit.

Wird sich das nach Ihrer Einschätzung positiv auf die Finanzierung im Bereich erneuerbarer Energien auswirken?

Solar- und Windanlagen waren zum größten Teil schon immer grün, auch wenn es natürlich auch hier zum Beispiel über den Transport mehr oder weniger große Treibhausgasemissionen gibt. Aber diese Projekte zählen unzweifelhaft zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Und es gibt hier einen großen Kapitalbedarf. Darüber habe ich mit einigen Teilnehmer bei der Entwicklung der Sustainable-Finance-Strategie gesprochen.

Es gibt viel Geld und viele gute Projekte, aber warum fließt das Geld nicht in die Projekte? Dazwischen gibt es Hürden, die ich überbrücken wollte. Doch für die Green Bonds, die an der Börse gehandelt werden, muss man bestimmte Standards erfüllen. Und wenn die Solarbranche so langsam lernt, mit diesen Regelwerken zu agieren und zum Beispiel Dokumentationspflichten zu erfüllen, kommt man tatsächlich an Geldquellen auf dem Kapitalmarkt heran, die sehr groß und günstig sind. Damit fließt Geld den erneuerbaren Energien zu, um die sehr große Transformation tatsächlich finanzieren zu können. Dafür ist Sustainable Finance das Werkzeug, das den Umbau hin zu erneuerbaren Energien deutlich einfacher machen kann. Wir haben auch bisher einzelne Projekte über Banken zum Beispiel in Kasachstan finanziert, aber das war enorm aufwändig. Das kann über die Regelungen von Sustainable Finance einfacher werden.

Branche muss sich um Details kümmern

Das heißt, der Solarbereich hat schon das richtige Produkt, muss es für den Finanzmarkt aber besser beschreiben?

Im Großen und Ganzen ja. Wie dann tatsächlich die Regularien im Detail aussehen, um einen Green Bond gut platzieren zu können, darauf muss sich die Branche noch besser einstellen. Das können bisher eigentlich nur die großen Spieler wie ENEL, RWE und so weiter. Die haben Börsenfachleute in den eigenen Reihen. Den kleinen und mittleren Unternehmen war dieser Finanzmarkt bisher nicht zugänglich. Und meine Hoffnung ist, dass über eine zunehmende Standardisierung und bestimmte Strukturen auch KMU leichter an diese Gelder kommen. Eine Struktur sind z.B. Unternehmen, die als Vermittler zwischen den KMU und dem Kapitalmarkt fungieren. Das kann das Bindeglied von den Projekten zum Kapital sein. Denn der Bedarf an nachhaltigen Anleihen ist enorm. Es ist sehr viel Geld im Umlauf, und Investoren wissen nicht, was eine gute Anlage sein könnte. Rentenfonds etwa brauchen sichere Anlagen, also Anleihen. Und dieser Instrumente muss und kann sich die Branche der erneuerbaren Energien bedienen.

Welche Optionen bieten sich denn für die Finanzierung von Produktionsanlagen, also zum Beispiel PV-Fabriken.

Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Solarkraftwerken und PV-Fabriken. Die Projekte sind relativ gut zu finanzieren, weil sie über das Erneuerbare-Energien-Gesetz, eventuell auch – mit Abstrichen – über Power Purchase Agreements abgesichert sind. Der traditionelle Kapitalmarkt, eine Bank, geht hauptsächlich in risikoarme Strukturen. Dazu passt ein Solarprojekt ganz gut. Aber produzierende Unternehmen mit größeren Risiken liegen nicht im Fokus des Kapitalmarktes und damit auch nicht im engeren Definitionsbereich der Sustainable-Finance-Strategie.

Ich sehe aber sehr wohl eine Reihe von Impact-Investoren, die in neue Produktions-Unternehmen oder den Ausbau von Unternehmen hineingehen. Und ich glaube, dass es absolut an der Zeit ist für eine Wiederbelebung der deutschen und europäischen PV-Industrie. Das ist eine Notwendigkeit. Um dies zu erreichen, müssen wir in die große Schublade der Wirtschaftspolitik greifen. Das sind für mich nicht Einfuhrzölle, aber es gibt eine Reihe von anderen Instrumenten. Das beginnt bei günstigen Preisen für Gewerbegrundstücke und endet nicht bei einer engeren Verknüpfung von Forschungsinstituten mit produzierenden Unternehmen. Eventuell ist es auch ein vom Staat garantierter, nicht zu hoher Mindestabnahmepreis für Strom aus Produkten in den ersten Jahren. Das würde eine Investition in die Produktion wesentlich sicherer machen. So können wir Unternehmen aufbauen, die auf dem globalen Markt agieren können.

Tranformation nur mit Sustainable Finance

Noch einmal zurück zu Sustainable Finance. Wie wichtig ist dies für die Energiewende insgesamt?

Die Nutzung der fossilen Energieträger – quasi der anabolen Steroide der Wirtschaft – fordert jetzt ihren Tribut. Man sieht es am immer schlimmer werdenden Klimawandel. Hier muss die Menschheit gegensteuern – und nahezu alle wissen das. Das bedeutet allerdings erhebliche Investitionen in die Energieerzeugung und den -transport, aber auch in die gesamten Prozesse, wie zum Beispiel die Umstellung in Wirtschaftsbereichen wie Stahl, Zement, Chemie. Die Transformation erfordert einen enormen Kapitalaufwand. Und Sustainable Finance ist darauf angelegt, das Umfeld, die Plattform dafür zu schaffen, dass diese Transformation überhaupt finanziert werden kann.

Und welchen Impuls bringt das für die PV? Wie kann sie von der Transformation tatsächlich profitieren?

Wir können uns die neuen Pläne im Bereich der Bundesregierung, also die Vorschläge für akute Klimamaßnahmen ansehen. Da ist die Rede davon, den Photovoltaik-Ausbaukorridor vom heutigen Stand von rund 50 Gigawatt bis 2030 auf 150 Gigawatt hochzuschrauben. Das bedeutet einen jährlichen Zubau von mindestens 10 Gigawatt. Der Bundesverband Solarwirtschaft fordert mindestens 15 Gigawatt. Wir kommen so demnächst auf Installationszahlen von 10 bis 15 Gigawatt allein in Deutschland. Die jährlichen Ausbauzahlen in Europa werden, weil sich alle umstellen müssen, wohl auf 50 bis 60 Gigawatt kommen.

Das bietet für Investoren in PV-Anlagen eine sehr große Chance, aber auch für die Produzenten von PV-Komponenten. Mit der Aussicht auf einen stabilen Markt – und dies einerseits so sichtbar wie nie zuvor und andererseits mit so wenig Förderbedarf wie nie – werden gut aufgestellte produzierende Unternehmen eine Erfolgsstory schreiben können. Dies wird dann auch für Investoren attraktiv sein – und dies gerade unter den Vorzeichen von Sustainable Finance.

18.6.2021 | Interview: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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