BEW: Bundesförderung Effiziente Wärmenetze in den Startlöchern

Solarthermieanlage vor Fernwärme-LeitungenFoto: Guido Bröer
Solarthermie ist eine der Optionen zur Dekarbonisierung der Fernwärme.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat einen ersten Entwurf der lange angekündigten Bundesförderung Effiziente Wärmenetze (BEW) fertiggestellt, der den Solarthemen vorliegt. Nach einer für die kommende Woche geplanten Anhörung von Verbänden und finaler Abstimmung mit der EU-Kommission soll die neue Förderung noch vor der Bundestagswahl starten.

Die Bundesförderung Effiziente Wärmenetze soll Fernwärme-Betreibern 40-prozentige Investitionskostenzuschüsse für den Neu- und Umbau von Netzen und Erzeugungsanlagen gewähren. Hinzu kommen Betriebskostenzuschüsse, berechnet in Cent pro Kilowattstunde, speziell für Solarthermieanlagen und elektrische Wärmepumpen. Ziel ist es, bis 2045 sämtliche Fernwärme aus erneuerbaren Energien und Abwärme zu erzeugen.

Transformationspläne und Machbarkeitsstudien

Laut BEW-Richtlinie sollen sowohl neue Netze gefördert werden, als auch der Umbau bestehender zu klimaneutralen Netzen. Mindestvoraussetzung für die Förderung neuer Netze ist ein 75-prozentiger Anteil an erneuerbarer Energie oder Abwärme. Bei den Bestandsnetzen setzt die BEW auf sogenannte Transformationspläne. Sie müssen laut Richtlinienentwurf „den zeitlichen, technischen und wirtschaftlichen Umbau bestehender Wärmenetzsysteme über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel einer vollständigen Versorgung der Netze durch förderfähige erneuerbare Wärmequellen bis 2045“ darstellen. Im ersten Modul der neuen Förderung will das BMWi daher solche detaillierten Transformationspläne für Bestandsnetze sowie Machbarkeitsstudien für neue Netze oder Netzerweiterungen mit 50 Prozent fördern.

Systemische Förderung in der BEW

Das zweite Modul ist die sogenannte „systemische Förderung“. Hierunter versteht die BEW-Richtlinie die Bezuschussung der Um- und Neubaumaßnahmen, die zuvor in den Machbarkeitsstudien beziehungsweise Transformationsplänen entwickelt worden sind. Neben Netzinfrastruktur und Optimierungsmaßnahmen sind folgende Wärmequellen förderfähig: Solarthermieanlagen und PVT-Kollektoren (Kombinationen aus Photovoltaik und Solarthermie), Wärmepumpen, Tiefen-Geothermie, Biomasse-Anlagen, Abwärmequellen und direktelektrische Wärmeerzeuger. Letztere müssen aber ihren Strom entweder direkt aus einer Erneuerbare-Energien-Anlage beziehen oder netzdienlich nach dem Prinzip „Nutzen statt Abregeln“ arbeiten.

Bei der Biomasse baut die Bundesregierung allerdings einige Bremsen ein. in mittelgroßen Fernwärmenetzen mit einer Länge von 20 bis 50 Kilometern soll der Anteil auf 35 Prozent begrenzt werden. Ab 50 Kilometern Netzlänge leigt das Limit bei 25 Prozent. Diese Grenzen gelten nicht die biogenen Anteile von Müll und Klärschlamm.

2 Ct/kWh für Solarthermie

Besonders nachhelfen soll die BEW hingegen bei Solarthermieanlagen und Wärmepumpen. Sie können für die ersten zehn Jahre zusätzlich zum Investitionskostenzuschuss mit einem Betriebskostenzuschuss rechnen. Für die Solarthermie beträgt dieser Zuschuss 2 Cent je Kilowattstunde. Für Wärmepumpen soll dieser Zuschuss unter anderem die Belastung des Betriebsstroms durch die EEG-Umlage ausgleichen. Die Formel dafür samt Zusatzklauseln nimmt im Entwurf der BEW-Richtlinie mehr als eine halbe Seite ein. Neben der Jahresarbeitszahl (JAZ), geht auch die noch nicht zu prognostizierende Entwicklung der EEG-Umlage in diese Formel ein. Maximal kann der Betriebskostenzuschuss für Wärmepumpen 7 Ct/kWh betragen. Bei direkt aus erneuerbaren Energien ohne Netzdurchleitung versorgten Wärmepumpen sind es bis zu 3 Ct/kWh.

Ohne Transformationsplan kein BEW-Betriebskostenzuschuss

Allerdings sind diese Zuschüsse zu den Betriebskosten an einen offiziellen Transformationsplan beziehungsweise an eine Machbarkeitsstudie gebunden. Alle Erzeugungsanlagen sind zwar – über Fördermodul 3 – auch als Einzelmaßnahmen ohne einen solchen Plan förderfähig. Aber für solche Einzelmaßnahmen soll es nur den 40-prozentigen Investitionskostenzuschuss geben, nicht aber die zusätzliche Subvention für die erzeugten Wärmemengen.

Bremst die BEW den Solarboom aus?

Vertreter der Solarthermiebranche machen sich wegen dieser Verknüpfung große Sorgen. Der begonnene Aufschwung bei den solaren Wärmenetzen könne im Bereich der Bestandsnetze abrupt ausgebremst werden. Denn die komplizierten Transformationspläne fallen nicht vom Himmel. Es dürfte in den kommenden Jahren ein Mangel an qualifizierten Fachplanern herrschen, die in der Lage sind, solche Pläne zu erstellen. „Im Moment sind Transformationspläne in der von der BEW geforderten Form noch kaum vorhanden,“ erklärt Christian Stadler, Leiter für Solarthermie-Großprojekte bei Viessmann. Seine Befürchtung: „Damit würde der beabsichtigte Zubau von erneuerbaren Systemen zunächst ausgebremst. Denn der als Anreiz gemeinte Betriebskostenzuschuss wäre zunächst unerreichbar. Die für die Zukunft sinnvolle Verpflichtung zu Transformationsplänen würde deshalb zum Start kontraproduktiv wirken.“

Wieviel Geld braucht’s?

Deutlich weitgehender ist die Frage der verfügbaren Haushaltsmittel. Für die BEW-Förderung sind im Bundeshaushalt 2021 einschließlich Verpflichtungsermächtigungen 570 Millionen Euro vorgesehen. Angesichts des späten Starts der Richtlinie dürfte der Etatposten im laufenden Haushaltsjahr mehr als ausreichend sein. Als Ziel definiert die BEW-Richtlinie ein Installationstempo von 400 MW erneuerbarer Wärmeerzeugungsanlagen pro Jahr. Sie orientiert sich dabei aber noch an der bisherigen EU-Vorgabe eines jährlichen Zuwachses von lediglich 1 Prozent EE-Anteil an der Fernwärme.

Der neueste Vorschlag der EU-Kommission im Rahmen des Green Deal sieht nun aber mehr als eine Verdopplung dieses Ausbautempos vor. Das kann nicht ohne Folgen für den Finanzbedarf der BEW bleiben. Dass die Bundesregierung im Juni im Rahmen ihres 8 Milliarden Euro schweren „Klimaschutz-Sofortprogramms“ für 2022 auch 30 zusätzliche Millionen für die BEW-Förderung abzwacken will, wirkt demgegenüber wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Für die kommenden Jahre sehen Verbände der Energiewirtschaft wie der BDEW und der AGFW denn auch einen jährlichen Finanzbedarf im Milliardenbereich.

Zeitdruck

Wie die Solarthemen im Wirtschaftsministerium erfuhren, will man dort allerdings nicht noch länger mit der BEW warten. Trotz einiger Unklarheiten bezüglich der künftigen Finanzierung und letzter offener Fragen mit den Wettbewerbshütern der EU-Kommission, soll die Förderung kurzfristig starten. Ein Problem ist, dass die EU-Kommission die neue deutsche Förderung noch nicht auf Basis der angekündigten neuen Leitlinien für Umwelt- und Energiebeihilfen notifizieren kann, von denen künftig wesentlich größere Freiräume zu erwarten sind. Zeitdruck verursacht aus Sicht der Bundesregierung freilich nicht nur der Termin der Bundestagswahl, sondern auch das durch den Kohleausstieg geöffnete Zeitfenster: Wenn die Förderung der erneuerbaren Fernwärme nicht schnell an den Start geht, drohen Lock-in-Effekte durch Investitionsentscheidungen für Ersatz-Kapazitäten auf Gas-KWK-Basis.

22.7.2021 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Schließen