Energiemix im ersten Halbjahr 2021 enthält mehr Gas und Kohle, weniger Erneuerbare

Balkendiagramm zum Energiemix der ersten Jahreshälfte 2021 - Energieträger im Vergleich zum VorjahreszeitraumGrafik: AG Energiebilanzen
Minus bei den Erneuerbaren, starkes Plus bei der Braunkohle: Der Energiemix im ersten Halbjahr 2021 gibt kein gutes Bild ab.
Das erste Halbjahr 2021 ist ungewöhnlich, wie die Daten der AG Energiebilanzen zeigen. Kühle Witterung, wenig Wind und eine Wirtschaft im Aufholmodus prägen die Zahlen.

Erneuerbare Energien haben im Energiemix des ersten Halbjahres 2021 Anteile verloren. Das liegt vor allem an der Witterung und an den Aufholeffekten nach den Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie. Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte bereits im April darauf hingewiesen, dass dadurch die Erzeugung von Kohlestrom weltweit steigen werde. Nun zeigt sich der Effekt auch konkret in der deutschen Statistik.

Der Energieverbrauch in Deutschland lag in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres deutlich über dem vergleichbaren Vorjahreswert. Nach vorläufigen Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft  Energiebilanzen (AG Energiebilanzen) stieg der Verbrauch im ersten Halbjahr um 4,3 Prozent auf 6.191 Petajoule (PJ). Die Vergleiche im weiteren Text beziehen sich jeweils auf den selben Zeitraum des Vorjahres, sofern nichts anderes erwähnt ist.

Wirtschaft erholt sich, Energiebedarf steigt

Vor drei Monaten hatte der Energieverbrauch noch leicht im Minus gelegen, erklärt die AG Energiebilanzen mit. Für den Verbrauchsanstieg macht sie vor allem die Lockerungen im Zuge der Covid-19-Pandemie und den Wiederanstieg der wirtschaftlichen Aktivitäten verantwortlich. Die temperaturbereinigten Verbrauchswerte liegen trotz des Anstiegs um mehr als 7 Prozent unter dem Wert von 2019. Zusätzlich sorgte die deutlich kühlere Witterung für einen höheren Verbrauch von Heizenergien. Ohne den Witterungseinflusses hätte sich der Energieverbrauch gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur um knapp 2 Prozent erhöht.

Heizöl-Anteil erstmals unter 30 Prozent

Der Verbrauch von Mineralöl verminderte sich gegen den allgemeinen Verbrauchstrend insgesamt um gut 12 Prozent. Beim Flugkraftstoff sank der Absatz um fast 20 Prozent, beim Diesel um 7 Prozent und beim Ottokraftstoff um 2,6 Prozent.

Heizöl machte erstmals im Berichtszeitraum weniger als 30 Prozent am gesamten Energieverbrauch aus. Allerdings hatte sich der Absatz in der ersten Jahreshälfte nahezu halbiert, da die Verbraucher auf sinkende Preise warten, um ihre Bestände aufzustocken.

Mangel an Windstrom erhöht Verbrauch von Gas und Kohle

Der Beitrag erneuerbarer Energien zur Deckung des Primärenergieverbrauchs ging trotz Zubau um ein Prozent zurück. Im Energiemix sank ihr Anteil von 17,7 auf 16,8 Prozent. Damit liegen Erneuerbare nun auf Platz drei im Energiemix 2021. Das lag vor allem an der Windenergie, die im Vergleich zum starken Vorjahr 20 Prozent einbüßte. Die Solarenergie blieb trotz des Zubaus an Anlagen konstant. Die Wasserkraftwerke legten um fünf Prozent zu, die Biomasse um sechs Prozent.

Wegen des deutlich geringeren Windstromangebots verschob sich der Strommix hin zu konventionellen Energieträgern. Der Erdgasverbrauch stieg um fast 16 Prozent. Hier schlugen neben dem höheren Einsatz für die Stromerzeugung auch der Mehrbedarf an Wärme und die wiederbelebte Wirtschaft zu Buche, die nun Rückstände aufholen will. Am Energiemix hatte das Erdgas einen Anteil von gut 30 Prozent – erstmals mehr als Öl.

Ähnlich sieht es bei der Steinkohle aus, die um fast 23 Prozent zulegte. Treiber waren auch hier Strom- und Wärmeerzeugung. Die Stahlindustrie brauchte knapp 18 Prozent mehr Koks und Kohle.  

Die Braunkohle legte sogar um rund ein Drittel zu. Das liege aber am Kontrast zum windreichen Vorjahr. Nimmt man die erste Hälfte des Jahres 2019 als Vergleich, ist der Verbrauch um zwölf Prozent gesunken. Das entspreche dem mehrjährigen Trend, so die AG Energiebilanzen. Selbst die Stromerzeugung aus Kernenergie legte in der ersten Jahreshälfte 2021 um sieben Prozent zu.

Wegen der höheren Stromerzeugung aus fossilen Quellen stiegen die CO2-Emissionen um 6,3 Prozent. Der Stromaustauschsaldo mit den Nachbarländern blieb dennoch positiv – wenn auch in geringerem Maße als im Vorjahreszeitraum.

Die AG Energiebilanzen betont, dass sich im weiteren Verlauf des Jahres noch vieles verschieben könne. Das liege neben der generell nicht kalkulierbaren Witterung auch am nicht absehbaren weiteren Verlauf der Pandemie.

BEE: Statistik zeigt Dringlichkeit des Ausbaus für Erneuerbare Energien

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zeigt sich besorgt, dass der Energiemix im ersten Halbjahr 2021 so wenig Erneuerbare enthält. Er fordert die politische Fokussierung auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien. „Erneuerbare Energien sind der Schlüssel für Klimaschutz und einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort. Ein Einbruch beim Anteil der Grünen Energien, insbesondere im Stromsektor, macht eine riesige Ökostromlücke in den nächsten Jahren wahrscheinlicher. Denn einerseits wächst der Bedarf an Grünem Strom durch die Sektorenkopplung bei E-Mobilität, Grünem Wasserstoff und Wärmepumpen, und andererseits gehen durch die Vollendung des Atomausstiegs im kommenden Jahr sowie einem beschleunigten Kohleausstieg aufgrund steigender CO2-Preise konventionelle Kapazitäten aus dem Netz. Auch wenn sich Verbrauch und Wetterbedingungen ändern, muss die Deckung der Bedarfe jederzeit durch Erneuerbare Energien ermöglicht werden“, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter.

Um bis 2030 eine Treibhausgasminderung um 65 Prozent zu erreichen, brauche es einen Anteil der Erneuerbaren Energien am gesamten Bruttoendenergieverbrauch von mindestens 44 Prozent und am Bruttostrombedarf von mindestens 77 Prozent.

BNW: Verändertertes Mobilitätsverhalten nutzen

„Wir müssen die Emissionen jetzt auf dem historischen Corona-Tief stabilisieren“, sagt Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Nachhaltige Wirtschaft (BNW). Das Mobilitätsverhalten der Menschen habe sich während der Corona-Krise stark verändert. Das eröffne die einmalige Chance, Mobilität auch langfristig nachhaltiger zu gestalten. Besonders der energieintensive Mobilitätssektor könne durch digitale Formen des Arbeitens zukünftig sehr viel CO2 einsparen. Auch nach Ende der Home-Office-Pflicht würden sich viele Beschäftigte wünschen, von Zuhause aus zu arbeiten. Laut einer Studie des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (ITZ) könnten so mehrere Millionen Tonnen CO2 und hohe Verkehrsbelastungen vermieden werden. „Die nächste Bundesregierung muss diesen Trend unterstützen und aufrechterhalten,“ fordert Reuter.

Auch die Pendlerpauschale müsse ökologischer werden. Man brauche eine sozialverträgliche Lösung für den Ausbau und die Nutzung des ÖPNV. Für ländliche Regionen seien smarte Sharing-Konzepte nötig. Auch der Wegfall von Dienstreisen habe Kosten und CO2-Emissionen gesenkt. Reuter fordert, für Inlandsflüge eine Kerosinbesteuerung einzuführen. „Über ein Jahr Home-Office hat uns gezeigt, dass wir digital und klimaschonend arbeiten können“, ist sich Reuter sicher.

03.08.2021 | Quelle: AG Energiebilanzen | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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