Zu wenig Batterie-Recycling-Kapazitäten in Europa
Ende 2020 gab es in Deutschland 272.000 stationäre Solarspeicher mit einer Kapazität von 1,9 Gigawattstunden. Die Kurve weist damit steil nach oben: 88.000 wurden alleine im vergangenen Jahr installiert. Zwar kommen die Heimspeicher damit nur auf einen Bruchteil dessen, was in Elektroautos heute an Akkukapazitäten verbaut ist, doch das Thema Recycling wird auch für die Solarspeicher in Zukunft immer wichtiger. Ein Blick daher auf die aktuelle Entsorgungssituation.
Die Herausforderungen des Batterierecyclings sind vielfältig. Neben allen technischen Fragen der Demontage und der Rohstoffrückgewinnung gebe es vor allem drei Punkte, die den Aufbau eines Recyclingsystems bislang erschweren, erklärt Lars Kossack, Geschäftsführer der Firma Thüringen Recycling in Erfurt: Erstens sei die Rücknahmelogistik noch weit von verbindlichen Standards entfernt. Zweitens sei die Kostenübernahme beim Recycling nicht geklärt. Und drittens machten es die enormen Fortschritte in der Batterietechnik für Unternehmen schwer, Recyclinganlagen aufzubauen, weil immer wieder neue Zelltypen auf den Markt drängen.
Gleichwohl gibt es eine Reihe von Firmen, die auf diesem Gebiet aktiv sind. In Deutschland sind dies speziell die Firmen Accurec, Nickelhütte, Duesenfeld und Umicore sowie ein Joint Venture mit dem Namen SimpLi Return der Firmen Interseroh und Saubermacher/Redux aus Österreich.
EU fördert Entwicklungsarbeit
In dem von der EU geförderten Batterierecycling-Projekt ReLieVe kooperieren das französische Bergbau- und Metallurgie-Unternehmen Eramet, der deutsche Chemiekonzern BASF und der Recycler SUEZ. Auch Autofirmen greifen das Thema auf: Die Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz hat ein Recyclingzentrum im Renault-Werk im französischen Flins aufgebaut, der Volkswagen-Konzern eine Pilot-Recyclinganlage in Salzgitter.
Die Kapazitäten in den Pilotanlagen sind sogar bereits ausgeschöpft – das geschah schneller als erwartet aufgrund der stark gestiegenen Produktion, die entsprechend Produktionsabfälle beschert. „Zwischen fünf und zehn Prozent der Produktionschargen gehen heute noch direkt ins Recycling“, sagt Urs Peuker, Lehrstuhlinhaber am Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Aufbereitungstechnik an der TU Bergakademie Freiberg. Das könne und werde natürlich kein Dauerzustand sein. Das Ziel müsse sein, „deutlich unter ein Prozent“ zu kommen. Gleichwohl sei längst klar: „Europa muss die Recyclingkapazitäten erhöhen.“
Grundsätzlich gibt es verschiedene Verfahren der Rohstoffrückgewinnung. Im ersten Schritt werden zumeist Komponenten wie Gehäuse und Kabel sowie die Elektronik manuell entfernt. Für die weitere Behandlung der eigentlichen Batteriemodule gibt es dann im Wesentlichen drei Verfahren: pyrometallurgische, mechanische und pyrolytische.
Drei Verfahren
Pyrometallurgisch bedeutet, dass die Module bei hoher Temperatur eingeschmolzen werden. Mit diesem Verfahren arbeitet Umicore. Während Stoffe wie Graphit, Kunststoffe und organische Lösungsmittel aus den Elektrolyten verbrennen, entsteht eine Legierung aus Kupfer, Kobalt und Nickel. Schwierig ist dabei noch die Rückgewinnung von Lithium und Aluminium.
Im alternativen Fall der mechanischen Behandlung werden die Zellen in einer Schutzgasatmosphäre (Stickstoff) geschreddert. Das Chemieunternehmen Duesenfeld im niedersächsischen Wendeburg praktiziert dieses Verfahren. Beim dritten Verfahren, der pyrolytischen Behandlung, werden durch Erhitzung zunächst die organischen Elektrolyte zersetzt und der fluorhaltige Binder für das Kathoden- und Anodenmaterial zerstört. So wird die nachfolgende mechanische Trennung vereinfacht.
Lithium geht auf die Deponie
Die Recyclingverfahren konzentrieren sich heute vor allem auf die Rückgewinnung von Kupfer-, Nickel- und Kobaltverbindungen, was zu einem hohen Anteil bereits gelingt. „Aber die Rückgewinnung von Lithium funktioniert bei den heutigen Batterien nicht“, sagt Ulrich Schubert, Professor am Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Universität Jena. Das Lithium ist bei den heutigen Typen in der ganzen Batterie verteilt, daher gebe es derzeit „technisch keinen vernünftigen Weg“. Das Lithium verbleibt damit in einer Restmasse, der „Black mass“, und geht dann notgedrungen auf die Deponie.
Trotz gewisser Erlöse aus dem Kobalt- und Nickelverkauf ist das Recycling bis heute betriebswirtschaftlich nicht attraktiv – schon alleine aufgrund der Logistikkosten. Das große Ziel sei es natürlich, das Recycling eines Tages alleine aus den in den Batterien enthaltenen Rohstoffen bezahlen zu können, sagt der Thüringer Recycling-Unternehmer Kossack. Doch davon sein man weit entfernt: „Aktuell werden Preise zwischen 1,20 und zwei Euro pro Kilogramm für den Recyclingprozess aufgerufen.“ Eine Lithiumbatterie wiegt etwa zehn Kilogramm pro speicherbarer Kilowattstunde.
Relativ unbedeutend für das heutige Recycling ist aus technischer Sicht die unterschiedliche Zusammensetzung von Lithium-Ionen-Batterien. Anfangs wurden als Kathodenmaterialien oft Mischungen aus NMC (Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid) und LMO (Lithium-Mangan-Oxid) verwendet. Heute dominieren in Europa im mobilen Sektor NMC-Zellen den Markt, gefolgt von NCA-Zellen (Lithium-Nickel-Kobalt-Aluminium-Oxid).
Wenig Verwertbares in LEP-Zellen
Während Lithium-Nickel-Mangan-Zellen (NMC) Kobalt brauchen, sind jene auf Basis von Lithium-Eisenphosphat (LEP) kobaltfrei. Da LEP-Zellen im Vergleich zu NMC eine geringere Energiedichte erzielen, werden sie vor allem stationär eingesetzt. NMC-Batterien haben heute eine Energiedichte von 150 bis 220 Wattstunden pro Kilogramm, LEP kommen auf 90 bis 120. Marktdaten über den Einsatz der verschiedenen Zelltypen im stationären Bereich – insbesondere für PV-Speicher – waren allerdings weder vom Bundesverband Solarwirtschaft noch vom Bundesverband Energiespeicher zu bekommen. Aus wirtschaftlicher Sicht stellt sich das Recycling der LEP-Zellen noch schlechter dar als bei NMC-Zellen. Denn die darin enthaltenen Rohstoffe bringen kaum Erlöse.
Die Zurückgewinnung von Lithium wird wohl erst dann gelingen, wenn sich eine neue Batterie-Generation, die Feststoffbatterie, durchsetzt. „In der Feststoffbatterie befindet sich 90 Prozent des Lithiums in der Anode“, sagt Professor Schubert. Dadurch lasse es sich einfach recyceln. Eine wirkliche Kreislaufwirtschaft mit Batterierohstoffen werde erst mit neuen Batteriekonzepten möglich.
Feststoffbatterie kein Thema für PV
Die französische Firma Blue Solutions bietet eine solche Feststoffbatterie bereits an; in Bussen von Mercedes-Benz – Modell eCitaro – wird sie optional schon verbaut. Das Problem im mobilen Sektor sei die notwendige Arbeitstemperatur der Feststoffbatterie von 50 Grad Celsius, sagt Schubert. Die sei nur bei Nutzfahrzeugen praktikabel. Im stationären Bereich ließen sich die Temperaturbedingungen zwar auch gewährleisten, gleichwohl biete sich der Feststoffbatterie im heimischen Keller kein attraktiver Markt – schlicht, weil ihre Vorteile, wie die höhere Kapazität und das schnelle Laden, dort kaum gefragt sind.
In Europa wächst nun der Druck, ein Recyclingsystem für Akkus aufzubauen. Die EU hatte bislang die Verwertung von Lithium-Ionen-Batterien (LIB) aus Altfahrzeugen durch die beiden Richtlinien 2000/53/EC und 2006/66/EC geregelt. Danach müssen die Mitgliedsstaaten für LIB einen Recyclinganteil von 50 Prozent des durchschnittlichen Gewichts erzielen. Das sagt aber noch nichts darüber aus, in welchem Maße die jeweiligen metallischen Rohstoffe zurückgewonnen werden. Deswegen überarbeitet die EU die Richtlinie derzeit. Nach einem Entwurf vom vergangenen Dezember sollen Kobalt, Nickel und Kupfer im Jahr 2026 zu 90 Prozent recycelt werden, das Lithium zu 35 Prozent. 2030 sollen die Anteile auf 95 Prozent und 70 Prozent bei Lithium steigen.
Mengen wachsen stark
Die „Modernisierung des Rechtsrahmens“ ergebe sich aus den „anderen sozioökonomischen Bedingungen, der technologischen Entwicklungen, den veränderten Märkten und Verwendungen von Batterien“, betont die Europäische Kommission. Zumal die Nachfrage nach Batterien „bis 2030 um das 14-fache steigen“ dürfte. Aktuell gelangten jedes Jahr 800.000 Tonnen Autobatterien, 190.000 Tonnen Industriebatterien und 160.000 Tonnen Verbraucherbatterien auf den Markt. Nicht alle diese Batterien würden bisher am Ende ihrer Lebensdauer ordnungsgemäß gesammelt und recycelt. Damit bestehe das Risiko, dass gefährliche Stoffe freigesetzt werden.
Auch strategische Überlegungen sprächen für das Recycling, wie das Öko-Institut in einer Studie vom Sommer 2020 zum Stand und den Perspektiven des Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien anmerkt. Das habe man „gerade in Deutschland sehr früh erkannt“. Mit einem hochwertigen Recycling schaffe man nämlich nicht nur einen „neuen High-Tech-Zweig der Kreislaufwirtschaft“. Vielmehr reduziere man auch die „Abhängigkeit Europas von außereuropäischen Quellen“.
17.8.2021 | Autor: Bernward Janzing
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