Energiesprong: Gebäudesanierung im Akkord

Eingerüstetes MehrfamilienhausFoto: Ecoworks
Serielle Sanierung eines Gebäudes in Hameln.
In Hameln wurden die ersten Häuser Deutschlands nach dem niederländischen Energiesprong-Prinzip seri­ell saniert. Es arbeitet mit vorgefertigten Dach- und Fassadenelemen­ten und vorgefertigter Haus­tech­nik.

Das Prinzip basiert auf seriellen, vorgefertigten Elementen (Dach, Fassade, Energiemodule), die am Computer entworfen und vor Ort montiert werden. Das Konzept serielle Sanierung nach Energiesprong-Prinzip wurde vor einem Jahrzehnt in den Niederlanden entwickelt. Dort gibt es bereits 5000 Gebäudesanierungen dieser Art. Nun wollen die Niederländer dieses Sanierungsprinzip internationalisieren. Es gibt erste Projekte in Frankreich und Großbritannien und nun auch das erste deutsche Beispiel in Hameln.

Der im Ausgangszustand stark sanierungsbedürftige, leerstehende Wohnblock aus den 1930er Jahren besteht aus drei zweigeschossigen Mehr­familienhäusern, insgesamt 12 Miet-Wohneinheiten. Eigentümerin ist die Arsago Gruppe in Frankfurt am Main, die deutschlandweit rund 4000 Wohnungen verwaltet. Die Sanierung hat die Ecoworks GmbH aus Berlin koordiniert, die sich auf Siedlungsmodernisierungen spezialisiert hat. In Hameln hat sie mit verschiedenen Partnern zusammengearbeitet. So lieferte ein Fertigbauunternehmen aus Brandenburg die Fassadenelemente. Fenster, Lüftung, Stromkabel, Glasfaserdämmstoff und Beschichtungen sind in den Elementen bereits integriert. Sie wurden vor Ort als neue Hülle an das Haus montiert.

PV-Module auf fertige Dachelemente

Ein anderes Beispiel sind die vorgefertigten Dachelemente, die auf den Dachstuhl aufgesetzt worden sind. Auf die Dachkonstruktion werden Photovoltaik-(PV)-Module montiert. Sie spielen eine zentrale Rolle im Energiekonzept.

Energiesprong soll große Bestände an Altbau-Mehrfamilienhäusern über ein Sanierungskonzept schnell auf einen neuen Energiestandard heben, der mit Net-Zero angegeben wird. Die nach Energiesprong sanierten Gebäude sollen also rechnerisch übers Jahr so viel Energie produzieren, wie die Bewohner für Raumwärme, Warmwasser und Strom benötigen.

Bilanziell wird diese Gesamtenergie über Photovoltaik erzeugt. In Hameln befinden sich auf den drei Gebäuden insgesamt 67 kWp Solarleistung. Der prognostizierte Jahresertrag beträgt 48.000 kWh. Eine Wärmepumpe und ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung vervollständigen die Haustechnik.

PV-Strom wird bilanziell verrechnet

Auf jeden Haushalt entfallen demnach rechnerisch 4000 kWh Ertrag aus Solarstrom, der dem Verbrauch gegenübergestellt wird. Die bilanzielle Energie-Rechnung soll aufgehen, weil die Wohnungen in Hameln durchschnittlich nur 65 Quadratmeter groß sind, die Häuser nach der Sanierung jetzt Passivhausstandard besitzen und Niedertemperatur-Heizsysteme in Form von großflächigen Radiatoren eingebaut wurden. Zudem leistet die Wärmerückgewinnung ihren Beitrag.

Die Mieter der 12 Wohnungen zah­len laut Projektierer eine ortsübliche Kaltmiete unter 6 Euro pro Quadratmeter und ortsübliche Nebenkosten. In den Gebäuden sind 500 Sensoren verbaut worden, die den Ener­gie­ver­brauch messen. Diese werden nach der ersten Heizperiode 2021/22 Informationen zur Energiebilanz des Hauses geben.

Auf Solarthermie wird in diesem Net-Zero-Konzept grundsätzlich verzichtet. Laut Stefan Oehler, zuständig für die Entwicklung von Net-Zero-Building und serielle Sanierung bei Ecoworks, weil Solarthermie verglichen mit PV unwirtschaftlicher, wartungsintensiver und weniger effizient sei.

Dena kümmert sich um serielle Sanierung

In Deutschland wird Energie­sprong von der Deutschen Energie-Agentur (Dena) koordiniert und im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vermarktet. Die Dena schätzt das Potenzial allein für kleine bis mittlere Mehrfamilienhäuser der 50er bis 70er Jahre in Deutschland auf rund 300.000 Gebäude. Die Umsetzung der ersten Pilotprojekte wird außerdem über das EU-Programm Interreg NWE im Rahmen des Projekts „Mustbeo“ gefördert. Dazu gehört auch das Projekt in Hameln. Weitere Energiesprong-Pilotprojekte befinden sich laut Dena in der Planung bzw. werden bereits umgesetzt, unter anderem im ostwestfälischen Herford. Perspektisch lässt sich das Prinzip nach Ansicht der Dena auch auf weitere Gebäudetypen wie Einfamilienhäuser und Nichtwohngebäude, etwa Schulen, übertragen.

12.8.2021 | Autor: Dittmar Koop
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