Studie zeigt 50 Maßnahmen, um Berlin klimaneutral zu machen
Auftraggeber für die Studie ist der Berliner Senat, also die Regierung des Stadtstaates. Neben dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) sind mehrere Fachpartner an der Studie beteiligt, darunter BLS Energieplan und das Reiner Lemoine Institut. Sie haben untersucht, was geschehen muss, damit Berlin so schnell wie möglich klimaneutral wird.
„Weiter so“ reicht nicht für ein klimaneutrales Berlin
Die Analyse zeigt, dass das Berlin bisher nicht auf Kurs ist, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Die CO2-Emissionen der letzten Jahre gehen langsamer zurück. Bei den Gebäuden stagnieren sie und beim Verkehr steigen sie sogar an. Im Energiesektor sanken sie dagegen deutlich. Das lag am begonnenen Kohleausstieg sowohl in Berlin als auch auf Bundesebene.
Der Anteil fossiler Energieträger an der Primärenergiebilanz liegt in Berlin bei 92 Prozent. Das sei ernüchternd, so die Autoren. Bundesweit sind es 83 Prozent. Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, müssen insbesondere im nächsten Jahrzehnt die Emissionen sehr stark gesenkt werden. Langfristig müsste der Primärenergieverbrauch fast um die Hälfte sinken, die Emissionen bei Strom und Wärme sogar auf null.
Berlin muss Verbindlichkeit erhöhen
Daher empfiehlt die Studie zusätzliche und verschärfte Maßnahmen für die Sektoren Energieversorgung, Gebäude, Verkehr, Wirtschaft und Konsum. Diese solle das Land verbindlich festschreiben. „Berlin muss die Verbindlichkeit erhöhen und die Steuerung verbessern“, sagt Energieexperte und Studienleiter Professor Bernd Hirschl vom IÖW. Das Land brauche eine neue Klima-Governance. Diese müsse das Ziel der Klimaneutralität in allen Sektoren und Ressorts hoch priorisieren und Probleme aktiv beseitigen. „Um emissionsfrei zu werden, braucht es endlich Entschlossenheit und Aufbruchsstimmung in allen Sektoren“, so Hirschl. Ambitionierte Sektorziele und die Einführung eines Klimasenats sieht er dabei als wichtige Bausteine. Zudem sollten Stakeholder sowie Bürgerinnen und Bürger mehr beteiligt werden. Neben technischen Fortschritten brauche man auch soziale Innovationen. Die in der Studie empfohlenen über 50 Maßnahmen müssten nun sehr schnell und konsequent angegangen werden.
Neue Szenarien: Fokus auf Restriktionen und deren Überwindung
Die Studie hat mehrere Szenarien untersucht, um Berlin klimaneutral zu machen. Dabei ging es weniger um theoretische Zielwerte als um Erreichbarkeit und Plausibilität. Der Fokus lag auf den Faktoren, die einem schnellen Erreichen der Klimaneutralität im Wege stehen. So wollen die Forschenden gleichzeitig größtmögliche Ambitionen annehmen und von Anfang an wahrscheinliche Verzögerungen berücksichtigen. Dazu zählen zum Beispiel „Hochlaufeffekte“ – also dass es bei Veränderungen immer einige Zeit dauert, bis die nötigen Kapazitäten vorhanden sind. Das schlägt zum Beispiel bei der der energetischen Gebäudesanierung, der Geothermie oder grünem Wasserstoff zu Buche. Aber auch Genehmigungsprozesse sowie der Mangel an Fachkräften und Verwaltungspersonal bremsen die Veränderung. Zudem gebe es Zielkonflikte etwa beim Denkmalschutz oder der Sozialverträglichkeit.
Viele Hemmnisse müssten auf Bundesebene gelöst werden. Dies könne einen weiteren Zeitverzug bedeuten. So ist zum Beispiel ein Verbot neuer Ölheizungen ab 2026 im Gebäudeenergiegesetz geregelt – die Länder können daher keine schärferen Regelungen treffen. Bis 2030 werden daher noch nicht alle Ölheizungen in Berlin ersetzt sein. Das selbe gilt für Verbrennerautos.
Die Restriktionen würden dazu führen, dass Berlin bis 2030 nur rund zwei Drittel seines Wegs bis hin zur Klimaneutralität gehen könne, sagt Hirschl. Das sei selbst in dem Szenario der Fall, in dem man den bundesweiten Kohleausstieg und eine weite Verbreitung klimafreundlicher Technologien angenommen habe. Die Politik müsse sich nun also vermehrt damit befassen, die Hemmnisse und Zielkonflikte zu beseitigen. Dafür müsse das Land alle Spielräume nutzen. Auch die Kooperation mit Brandenburg müssten die Berliner intensivieren, zum Beispiel für die Bereitstellung von Windenergie und die Kreislaufwirtschaft. Zugleich müsse aber auch der Bund den geeigneten Rahmen schaffen.
Berlin frühestens Anfang der vierziger Jahre klimaneutral
Die Klimaneutralität halten die Forschenden nach ihren Szenarioberechnungen in den vierziger Jahren zwischen 2042 und 2048 für erreichbar. „Um wie in unserem besten Szenario Anfang der 2040er Jahre klimaneutral werden zu können, muss sich nicht nur Berlin mächtig ins Zeug legen. Auch der Bund muss dann bereits klimaneutral sein und insbesondere Flächen- bzw. Partnerländer wie Brandenburg. Dieser Zusammenhang gilt umso schärfer für jedes Jahr, das Berlin noch früher klimaneutral werden will“, so Energieexperte Hirschl.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden.
Der Fokus auf Hindernisse und die Frage, wie sie zu beseitigen sind, ist auch ein Ansatz des Masterplans Solarcity in Berlin.
15.9.2021 | Quelle: IÖW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH