Solarer Wasserstoff durch künstliches Blatt

Foto: Oliver Ristau
Solche Solarzellen - künstliche Blätter - sollen Wasserstoff direkt erzeugen.
Um Wasserstoff mit Sonnenlicht herzustellen, sind Photovoltaik und Elektrolyseure nicht die einzige mögliche Kombination. Künstliche Blätter ver­su­chen es mit photoelektrochemischen Zellen, um solaren Wasserstoff direkt zu erzeugen. Gesteigerte Wirkungsgrade könnten mittelfristig zur Wirtschaftlichkeit führen, erwartet das Helmholtz-Institut Hereon in Geesthacht.

Thomas Klassen begeistert sich für Photosynthese. Denn dieser Prozess ist das wohl bedeutendste Beispiel einer durch Sonnenlicht ausgelösten chemischen Reaktion. Pflanzen erzeugen so aus Wasser und CO2 dank der Lichtenergie Zucker und Sauerstoff. Der Institutsleiter des Helmholtz-Zentrums Hereon aus Geesthacht will diese Fähigkeit des Lichts ähnlich nutzen: zur Spaltung von Wasser. Das Resultat ist solarer Wasserstoff für die Energiewende.

Die Schleswig-Holsteiner forschen dazu an künstlichen Blättern. „Diese vereinigen die Technologien der Photovoltaik und der Elektrolyse in einem“, erklärt der Professor. „Sie haben die gleichen Membranen wie ein Elektrolyseur und ähnliche Beschichtungen wie die PV.“ Die Blätter bestehen prinzipiell aus verschiedenen Schichten – Halbleitern für die Stromerzeugung, die wiederum eine andere Schicht anregt, ein Elektron aus dem Wasser herauszulösen und somit die Bindung zwischen Sauerstoff und Wasserstoff zu kappen.

30 Prozent Wirkungsgrad

Ein Vorteil: solche photoelektrochemischen Zellen produzieren deutlich geringere Ströme, verursachen also weniger Widerstand und können damit auch höhere Wirkungsgrade erreichen. „Der Gesamtwirkungsgrad von Photovoltaik und Elektrolyseur zur Wasserstoffproduktion liegt aktuell bei rund 20 Prozent. Das schaffen wir mit künstlichen Blättern auch schon.“ Die hätten aber im Zuge der Weiterentwicklung noch einige Effizienzsprünge vor sich. „30 Prozent sind mittelfristig realistisch“, so Klassen.

Das Problem: bisher haben Forscher weltweit noch keine Kombination gefunden, die dauerhaft hohe Erträge liefert. „Die Leistung degradiert relativ schnell“, so Klassen. Zum Beispiel, weil die Zellen durch den Kontakt mit Wasser korrodieren. Ein Material, das dies nicht tut, und mit dem die Forschenden aus Geesthacht arbeiten, ist Titanoxid. Das hat dafür den Nachteil, nur ultraviolettes Licht und damit nur einen kleinen Teil der verfügbaren Sonnenenergie zu nutzen. Sehr gute Ergebnisse liefert auch ein Mischoxid aus Wismuth und Vanadium.

Suche nach Materialen für technische Blätter

Das Wismuthvanadat genannte Material absorbiert deutlich mehr Lichtenergie aus dem Sonnenspektrum und strahlt nur gelbes zurück. Doch das Problem hier: Wismuth ist weltweit relativ knapp. Bei einem üppig verfügbaren Material wie Eisenoxid, das im Prinzip gut funktioniert, gibt es wieder ein anderes Hindernis. Wegen schneller Rückreaktionen müssen die Schichten sehr dünn sein und nehmen dann weniger Sonnenlicht auf.

Und so geht die Suche weiter: „Die Kombinationen an potenziellen Halbleitern sind unzählig. Bisher ist erst ein Prozent der Materialien untersucht“, sagt der Institutsleiter. Hereon geht den Lichteigenschaften der Materialien mit einem sogenannten Ellipsometer auf den Grund. Dabei wird Licht in einer Richtung auf die Materialien gelenkt und deren Reflexionen untersucht. Es geht darum herauszufinden, bei welchen Wellenlängen die Materialien angeregt werden und einen Strom fließen lassen. „Ein Ellipsometer gibt exaktere Ergebnisse als es mit einem Elektronenmikroskop möglich wäre“, erklärt Klassen.

Solarer Wasserstoff als Ergebnis

Im kommenden Jahr will das Institut so weit sein, mit einer neu entwickelten Zelle eine Stromstärke von zehn Milliampere pro Quadratzentimeter zu erreichen. Pro Quadratmeter könnte eine solche Zelle unter Hamburger Lichtverhältnissen eine Wasserstoffmenge von sechs Kilogramm pro Jahr produzieren. Damit käme ein Wasserstoffauto etwa 600 Kilometer weit. Ziel ist aber, eine Alternative vor allem für sonnenreiche Regionen etwa in Afrika zu schaffen. Dort läge die Ausbeute bei 16 Kilogramm pro Quadratmeter und Jahr. 

Bis solche künstlichen Blätter ausgereift und preislich konkurrenzfähig für die kommerzielle Produktion von solarem Wasserstoff werden, könnte es noch bis 2030 dauern, schätzt Klassen. Für Insellösungen dürfte das aber schon viel früher der Fall sein.

So arbeitet die kalifornische SunHydrogen bereits an der Kommerzialisierung der Technologie. Die Firma hat nach eigener Auskunft verschiedene Materialkompositionen mit Nanostrukturen untersucht. Anfang des Jahres beauftragte sie den deutschen Maschinenbauer Schmid aus Freudenstadt damit, die Massenproduktion für die selbst entwickelten photoelektrochemischen Zellen zu konzeptionieren. Die Materialien für das künstliche Blatt sind auch schon bestellt: Elektrochemiespezialist InRedox aus Colorado soll sie zur künftigen Wasserstoffproduktion liefern.

21.9.2021 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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