Christian Stadler: „7-MW-Solarheizkraftwerke werden in 5 bis 10 Jahren in Europa ein Standard sein“
Im Juni 2020 haben Sie die Leitung des Viessmann-Geschäftsbereichs für Solarthermie-Großanlagen übernommen. Wie ist die neue Arbeit?
Christian Stadler: Wir hatten einen guten Start und konnten unsere Arbeit im solaren Fernwärmemarkt nahtlos fortsetzen. Zusammen verfügen meine vier Kollegen und ich über viel Know-how in der Projektkonzeption, -planung und -umsetzung. Einer der großen Vorteile von Viessmann ist, dass Viessmann bereits langjährige Partnerschaften im Wärmemarkt besitzt, die für Gewerbekunden aus Wohnungsbau, Industrie, Gewerbe und Energie Wärmelösungen anbieten. Dies gibt uns eine großartige Gelegenheit, diese Unternehmen durch zusätzliche Engineering-Kapazitäten zu unterstützen. Wir konzipieren Anlagen von 500 bis zu mehreren Tausend Quadratmetern Solarkollektorfläche und liefern in Zusammenarbeit mit unseren Partnern schlüsselfertig.
Bieten Sie diese Dienstleistungen weltweit an?
Stadler: Unser Fokus liegt auf Europa. Das Interesse an unseren Lösungen ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich groß. Insgesamt haben auch osteuropäische Länder Potenzial für solare Wärmelösungen. Aber Kohle dominiert dort den Wärmesektor und ist extrem günstig. Das könnte sich ändern, wenn auch die EU einen CO2-Preis einführt.
Welche Rolle spielt die neue CO2-Steuer in Deutschland für die steigende Nachfrage nach Solarwärmelösungen?
Stadler: Der Start der ersten CO2-Bepreisungsphase in Deutschland mit 25 Euro pro Tonne CO2 hat wegen der überproportionalen Berichterstattung über die Pandemie in der Öffentlichkeit wenig Beachtung gefunden. Aber es hat sich deutlich ausgewirkt. Die Wohnungswirtschaft ist sich beispielsweise bewusst, dass sie diese zusätzlichen Kosten reduzieren muss, während die Versorger diese Kosten an die Kunden weitergeben.
Generell ist ein CO2-Preis für Brennstoffe eine ideale Dekarbonisierungspolitik. Es verhindert nicht den Wettbewerb zwischen erneuerbaren Technologien, sondern setzt das richtige Ziel.
Wie sieht es mit dem dänischen Markt für solare Fernwärme aus, der Cash Cow von Arcon-Sunmark in den letzten Jahren?
Stadler: Der dänische Markt für solare Fernwärme leidet unter einem ungünstigen politischen Klima. Vor drei Jahren hat die Regierung eine Wärmepumpenförderung eingeführt – in einem Energiemarkt, der zuvor hauptsächlich durch hohe Steuern auf Öl und Gas reguliert wurde. Dies hat in letzter Zeit zu einem Ansturm auf Wärmepumpen, vor allem bei Stadtwerken, geführt. Zusammen mit dem Hin und Her zwischen Energieunternehmen und dem dänischen Energieministerium bezüglich der Energieeinsparvereinbarung wurde es daher praktisch unmöglich, ein kontinuierliches Geschäft im Bereich der solaren Fernwärme zu betreiben.
Wo sehen Sie Ihren Geschäftsbereich in 5 Jahren?
Stadler: Wir haben keine spezifischen, weitreichenden Ziele. Aber ich bin mir sicher, dass in 5 bis 10 Jahren 7-MW-Solarthermieanlagen in Europa zum Standard gehören werden. Deutschland zeigt, wie eine Wachstumsrate in diesem Markt aussieht und könnte anderen Ländern in Europa, die irgendwann denselben Weg einschlagen werden, fünf Jahre voraus sein. Wir werden sowohl große Solarthermie-Freiflächenanlagen als auch kleinere Dachflächen für Solaranlagen in der Industrie und in Quartieren sehen.
Unser großer Vorteil ist, dass Viessmann eine Vielzahl von Heiztechnologien im eigenen Haus anbietet, sodass wir gewerblichen Kunden Lösungen anbieten können, die ihren Wärmebedarf zu 100 Prozent durch die Kombination von Biomassekesseln oder Blockheizkraftwerken und Solarthermie decken. Viessmann hat mit diesem Ansatz bereits große Erfolge in den Solar-Bioenergie-Dörfern in Deutschland erzielt.
Viessmann hat einen großen Vakuumröhrenkollektor mit 5 oder 10 Quadratmeter Solarkollektorfläche für Solarthermie-Großanlagen vorgestellt. Was ist die Zielanwendung?
Stadler: Ein wichtiges Merkmal des neuen Heatpipe-Vakuumröhrenkollektors ist seine horizontale Einbaulage. Die großen Kollektoreinheiten können wir sowohl aufständern als auch auf einem Flachdach bis zu einem Winkel von 3 Grad montieren. Mit Heatpipe-Vakuumröhrenkollektoren war dies bisher nicht möglich. Um dies zu erreichen, haben wir nicht nur die Flüssigkeitsmenge im Wärmerohr optimiert, sondern auch das Design des Rohres und des Wärmeübertragers. Die Vorteile liegen auf der Hand: Horizontale Montage führt zu geringeren Kosten und Windlasten. Dadurch ergibt sich auch ein geringeres Gewicht, was insbesondere bei der Verwendung von Industriehallendächern von großer Bedeutung ist, da diese oft geringere Festigkeits- und Stabilitätsanforderungen haben als die Dächer von Mehrfamilienhäusern.
Das Interview ist zuvor bereits auf Englisch auf der internationalen Solarthermie-Plattform www.solarthermalworld.org veröffentlicht worden.
Zum Flächenproblem der Solarthemrie-Großanlagen finden Sie mehr unter dem nebenstehenden Link vom Solarthermie-Jahrbuch.
Diesen Beitrag hat das Redaktionsteam des Solarthermie-Jahrbuchs verfasst. Sie können das Solarthermie-Jahrbuch 2023 unter diesem Link bestellen.