Agora Energiewende: EU muss Balkan-Staaten beim Kohleausstieg helfen – und Vorbild sein
Das Gipfeltreffen zwischen der EU und den westlichen Balkanstaaten findet am 6. Oktober in Slowenien statt, das derzeit bis Ende des Jahres die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat. Auf dem Gipfel werden die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ihre Amtskollegen aus der westlichen Balkanregion zusammenkommen. Hauptthema wird die Erweiterung der EU in den westlichen Balkan sein, wobei zu diesem Prozess auch ein Umwelt- und Klimapaket gehört – und damit auch ein Kohleausstieg.
Agora Energiewende weist in diesem Zusammenhang auf die Dringlichkeit eines schnellen Kohlausstiegs hin. Während für die EU-27 ein Kohleausstieg bis 2030 nötig sei, hält Agora Energiewende für die Staaten des westlichen Balkan einen Ausstieg bis 2040 für realistisch. Szenarien für einen Braunkohleausstieg bis 2040 beschrieb die Denkfabrik bereits in ihrer Studie „The future of lignite in the Western Balkans“. Für die 100-seitige Publikation arbeitete Agora Energiewende mit enervis energy advisors sowie den regionalen Think-Tank-Partnern Reset aus Bosnien und Herzegowina, Indep aus dem Kosovo und Asor aus Serbien zusammen.
Westliche Balkan-Staaten haben 2020 „Grüne Agenda“ angenommen
Zum westlichen Balkan gehören sechs Staaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nord-Mazedonien und Serbien. Sie haben sich in Sofia 2020 mit der Grünen Agenda für den Westbalkan bereits verpflichtet, ihre Umwelt- und Klimapolitik an die der EU anzugleichen. Darin erkennen sie den Europäische Green Deal als neue Wachstumsstrategie der Europäischen Union für eine moderne und klimaneutrale Wirtschaft an. Die Umsetzung in nationales Recht liegt allerdings bei den jeweiligen Staaten. Ein gerechter Übergang (Just Transistion Mechanism) und eine Finanzierung sind ebenfalls Thema der Grünen Agenda. Dabei geht es z.B. um neue Arbeitsplätze und Weiterbildungsprogramme für besonders stark betroffene Regionen. Im Dezember 2020 gründete die EU-Kommission die „Initiative für Kohle-Regionen im Übergang“, zu der neben dem Westbalkan auch die Ukraine gehört.
Kohleausstieg soll Stranded Investments verhindern
Aktuell sind in der westlichen Balkanregion dagegen 2 GW neue Braunkohlelkraftwerke geplant. Laut Modellrechnungen aus der Studie könnten diese bis 2050 zu Verlusten von insgesamt 30 Milliarden Euro führen. Das liegt am ineffizienten Braunkohleabbau, aber auch an strengeren Vorschriften für die Luftreinhaltung und wenig Chancen, den Kohlestrom in die bisherigen EU-Länder zu vermarkten. Um Verluste zu vermeiden, sei ein schneller Kohleausstieg daher die beste Strategie. „Die jüngste Ankündigung der chinesischen Regierung, die Finanzierung von Kohle im Ausland einzustellen, erhöht den finanziellen Druck auf bestehende und geplante Kohlekraftwerke in der Region erheblich“, sagt Matthias Buck, Director of European Energy Policy bei Agora Energiewende. Laut der Studie würde ein schrittweiser Braunkohle-Ausstieg zusammen mit einem raschen Ausbau der erneuerbaren Energien, besseren Verbundnetzen, regionaler Strommarktintegration, dem Ausbau bestehender Wasserspeicher und gezielten Investitionen in flexible Gaskraftwerke die Gesamtkosten des Energiesystems senken.
Schneller Umstieg auf Erneuerbare in der EU soll steigende Strompreise bremsen
Agora Energiewende nutzt die Gelegenheit auch, um einen Kohleausstieg der aktuellen EU-Staaten bis 2030 anzumahnen. Dieser sei nötig, um die Netto-Treibhausgasemissionen bis zu jenem Jahr wie beschlossen um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. „Die derzeit steigenden Energie- und Strompreise in Europa sind ein Weckruf: Wir müssen den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen, denn sie sorgen dafür, dass die Preise langfristig stabil bleiben“, sagt Matthias Buck, Direktor für europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende. „Der direkte Ersatz von Kohle durch erneuerbare Energien würde im Jahr 2030 zu einem moderaten Anstieg der Stromgroßhandelspreise von 0,5 Cent pro Kilowattstunde führen – eine Zahl, die im Vergleich zum derzeitigen Preisanstieg durch teures fossiles Gas winzig erscheint.“
Buck erinnert daran, dass das Jahr 2030 nur noch neun Jahre entfernt sei. Regionen, die noch von der Kohle abhängig seien, müssten schnell die Möglichkeit bekommen, Pläne für einen sozial gerechten Übergang zu entwickeln. Bisher haben sechs EU-Staaten noch kein Kohleausstiegsdatum vor 2030 beschlossen: Bulgarien, die Tschechische Republik, Deutschland, Polen, Rumänien und Slowenien. Sie erzeugten 2018 insgesamt 74 Prozent des Kohlestroms in der EU.
Mit welchen Instrumenten ein Kohleausstieg bis 2030 machbar wäre, zeigt die 30-seitige Publikation „Phasing out coal in the EU power system by 2030“ wurde von Agora Energiewende und enervis energy advisors. Dabei seien minimale Kosten und Versorgungssicherheit berücksichtigt.
Wie man es lieber nicht machen sollte, macht Deutschland vor.
5.10.2021 | Quelle: Agora Energiewende | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH