Klimaneutral Fliegen: Atmosfair weiht erste Fertigung für E-Kerosin ein

Blick durchs Publikum auf mehrere Personen, die ein rotes Band vor einer Industrie-Anlage durchschneiden: Einweihung der E-Fuel FertigungScreenshot: Solarserver, Quelle: atmosfair
In Werlte stellt atmosfair aus grünem Wasserstoff und CO2 flüssigen Kraftstoff her.
Die Nichtregierungsorganisation atmosfair und ihre Partner haben die weltweit erste Produktionsanlage für CO2-neutrales E-Kerosin in Betrieb genommen. Ab 2022 soll der synthetische Flugkraftstoff am Hambuger Flughafen zum Einsatz kommen.

Die Anlage im norddeutschen Werlte nutzt CO2 aus der Luft („Direct Air Capture“) und aus einer Biogasanlage, die Lebensmittelabfälle verwertet. Hinzu kommt grüner Wasserstoff, der mit Wind- und Solarenergie gewonnen wurde. Aus CO2 und Wasserstoff wird dann in mehreren Schritten synthetisches Kerosin. Mit diesem E-Kerosin soll es in Zukunft möglich sein, klimaneutral zu fliegen.

Eigentümerin der Anlage ist die Atmosfair-Tochterfirma Sunbelt. Das Engineering und die vollautomatische Anlagensteuerung hat das junge Unternehmen bei Siemens eingekauft. Die CO2-Abscheidung aus der Luft ist noch in weiten Teilen einen Eigenkonstruktion. Für die Wasserstofferzeugung kommt dagegen ein PEM-Elektrolyseur von Siemens mit einem Wirkungsgrad von rund 70 Prozent zum Einsatz.

Der zentrale Teil der Anlage stammt vom Karlsruher Start-up Eneratec. Darin wird zuerst aus dem Wasserstoff und CO2 ein Synthesegas. Im zweiten Schritt wird das Synthesegas im Fischer-Tropsch-Verfahren unter hohem Druck und Temperatur zu Rohparaffin verflüssigt. Das Paraffin wird in Tanklastern zur Raffinerie in Heide gebracht. Dort wird daraus Flugkraftstoff der Standardspezifikation „Jet A1“. Im kommenden Jahr soll die E-Kerosin-Produktion in den Regelbetrieb gehen. Doch sie ist noch klein: Zunächst soll sie acht Barrel Rohparaffin pro Tag liefern.

Einweihung mit Klimaforscher, Lufthansa-Managerin und Bundeumweltministerin

Die Bedeutung des Projekts zeigt sich an der prominent besetzten Einweihungsfeier. Moderator war der Klimaforscher und atmosfair-Schirmherr Mojib Latif. Er betonte die Bedeutung der Innovation nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Er hoffe darauf, dass die Technologie so schnell skaliert werden könne, dass die Luftfahrt spätestens Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sei.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte in ihrer Festreide: „Niemand will auf den Traum vom Fliegen verzichten. Deshalb brauchen wir klimafreundliches Kerosin. Das Projekt zeigt, dass die Technik vorhanden ist und funktioniert.“ Flugzeuge seien in der Regle 30 Jahre lang im Einsatz. Das bedeute, dass jetzt neue Kraftstoffe für den Antrieb der bestehenden Flotte eingeführt werden müssten. Durch die deutsche Zielquote von 0,5 Prozent E-Kerosin bis 2026 und zwei Prozent bis 2030 schaffe Deutschland eine „Absatzgarantie“ für Power-to-X-Kraftstoffe. Das werde dazu beitragen, die Branche zu vergrößern. Bundeskanzlerin Angela Merkel sandte eine Videobotschaft, in der sie den Pioniergeist von atmosfair lobte.

Auch Dorothea von Boxberg, CEO von Lufthansa Cargo, war angereist. Sie erhielt von Latif eine erste Flasche des synthetischen Kerosins. Die Lufthansa Group ist Pilotkundin für das E-Kerosin.

Bald klimaneutral Fliegen statt CO2-Kompensation?

Die Nichtregierungsorganisation atmosfair ist vor allem für ihre Angebote zur CO2-Kompensation für Privatleute bekannt. Wer auf Flugreisen nicht verzichten will oder kann, kann so zumindest Klimaschutzprojekte unterstützen, die von atmosfair entwickelt und betrieben werden. In der Regel sind diese Projekte zur CO2-Kompensation im globalen Süden angesiedelt. Künftig sollen atmosfair-Kunden aber E-Kerosin kaufen und so klimaneutral fliegen können, heißt es in einem Video der Organisation. Neben dem Handel mit Kompensationen berät Atmosfair auch Unternehmen bei der Dekarbonisierung.

5.10.2021 | Quelle: atmosfair | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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