Protest gegen Aquila-Solarpark in Portugal

Hügelige Agrar-Landschaft in PortugalFoto: Oliver Ristau
Eine der Flächen, auf denen deutsche Investoren in Portugal riesige Solarparks bauen wollen.
Im portugiesischen Alentejo protestieren Bürger gegen einen geplanten Mega-Solarpark des deutschen Investors Aquila Capital. Die Anwohner in Portugal befürchten Nachteile für den Tourismus und fühlen sich von Aquila übergangen. Investoren tun im Sinne der Akzeptanz gut daran, den Wunsch nach Beteiligung ernst zu nehmen.

Es ist die Ruhe, die die Menschen aus der Großstadt anlockt: der Blick auf die sanften Hügel unter blauem Himmel, Korkeichen in der Ferne, der Duft nach Rosmarin. Susana und Ricardo Vaz sind vor 20 Jahren aus der portugiesischen Hauptstadt Lissabon in das ländliche Alentejo gezogen, um Hektik gegen Beschaulichkeit zu tauschen und aus einem alten Bauernhof einen Ort für sanften Tourismus zu machen – mit stilvollen Zimmern, regionaler Küche und Angeboten, die Region zu Fuß, zu Pferd oder mit dem Kanu zu erkunden. Dafür haben sie ihre Jobs in einer Werbeagentur aufgegeben.

„Als ob man Dir einen Friedhof vor die Nase setzt“

Diese Idylle, die sie und ihre drei Kinder bisher ernährt, sehen Susana und Ricardo bedroht. „Wenn der Solarpark kommt, dann können wir dicht machen“, sagt Vaz frustriert und nippt auf der Veranda an einem Espresso. „Es ist, als ob man Dir einen Friedhof vor die Nase setzt. Dann kommt niemand mehr zu uns“. Er zeigt in die Ferne, wo eine Rinderherde pittoresk Aufstellung genommen hat. Im Hintergrund recken sich Hochspan­nungs­masten in die Höhe. Ein paar Windräder drehen sich langsam. Statt Kühen soll dort künftig ein Meer aus Solarmodulen stehen, das Ökostrom in das portugiesische Stromnetz einspeist.

Hier bei dem Landstädtchen Cercal, rund zwei Stunden Autofahrt von Lissabon entfernt, plant der Hamburger Entwickler Aquila Capital ein Photovoltaik-Großprojekt mit insgesamt 270 Megawatt (MW) und einem Investment von 164,2 Millionen Euro. Dafür will er 380 Hektar mit Solartechnologie, Trafostationen und Stromleitungen bestücken und einzäunen – verteilt auf mehrere Teilprojekte entlang der Hochspannungstrasse. Die Fläche entspricht umgerechnet mehr als 400 Fußballfeldern. Die nationale Umweltbehörde APA hat für das Vorhaben grünes Licht gegeben.

Aquila ist größter PV-Betreiber in Portugal

Aquila verwaltet in Portugal ein Photovoltaik-Portfolio von 700 Megawatt (MW), ist damit der vermutlich größte PV-Betreiber des Landes. Den Strom vermarktet das Unternehmen über Abnahmeverträge mit Dritten, so genannten PPA (power purchase agreements).

Das Land lockt mit hohen Erträgen. So beträgt die solare Einstrahlung im Süden Portugals 1.900 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In Norddeutschland sind es nur 1.000 kWh. Kaum irgendwo anders ist der Solarstrom so billig wie in Portugal. Bei einer Auktion im Sommer 2020 wurde der mit 1,1 Cent je kWh in Europa bisher günstigste Abschluss getätigt. Das freut auch Aquila: „Wir werden den Strom via PPA zu Marktkonditionen absetzen können.“

Stromlieferung in die Hafenstadt

Wer die Kundschaft sein wird, ist noch offen. Eine attraktive Option ist, den Grünstrom über die Hochspannungsleitung in der 50 Kilometer entfernten Hafenstadt Sines anzulanden, die künftig große Mengen an sauberen Strom benötigt. So steht im größten portugiesischen Seehafen nicht nur der Bau eines Elektrolyseurs an, der grünen Wasserstoff zum Export produzieren will. Sines unterhält dazu eine Kooperation mit Rotterdam. Auch eines der größten Datencenter Westeuropas ist in der Hafenstadt in Planung und benötigt in Zukunft 450 MW an Ökoenergien.

Die Menschen im Alentejo haben davon nichts, findet Vaz. „Diese Industrieanlage wird die Landschaft zerstören und damit die wichtigste ökonomische Grundlage der Region: den Tourismus.“ Um seinem Anliegen Gehör zu verschaffen, ist er der Bürgerinitiative „Juntos pela Cercal“ (Gemeinsam für Cercal) beigetreten. Sie versucht das Vorhaben von Aquila in Portugal noch zu stoppen.

Statement von Aquila

Der „Dialog mit unseren Stakeholdern und vor allem den Anwohnern und Gemeinden in der Nähe der Projektstandorte (ist uns) sehr wichtig“, lässt Aquila auf Medienanfrage erklären. Diese Aussage irritiert die Bürgerinitiative. „Von Aquila war hier niemand, obwohl wir das Unternehmen in einem offenen Brief zum Gespräch eingeladen haben“, sagt Sergio Maraschin, einer der Sprecher der Bürgerinitiative. Der Geologe ist im Ruhestand, kümmert sich um dezentrale Photovoltaik, hat im Nachbardorf geholfen, Gebäude wie das Seniorenheim mit Photovoltaik auszustatten.

Aquila verweist darauf, dass der Konsultationsprozess 30 Tage offen gewesen sei und es am Ende auch eine Bürgeranhörung gegeben habe. Ob dieser Prozess gesetzeskonform war, prüft gerade der Rechtsanwalt der Bürgerinitiative, der zudem dabei sei, eine Klage gegen das Projekt einzureichen, so Maraschin. Die Information sei irgendwo auf einer Homepage verfügbar gewesen, von der niemand gewusst habe. Der öffentliche Anhörungstermin habe dann nur zwei Tage vor Ende der Beteiligungsfrist stattgefunden.

Wut und Kopfschütteln über Aquila in Portugal

Auch mit der Botschaft, das Projekt werde erhebliche „positive wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region haben und zu deren Wachstum und Entwicklung beitragen“, sorgt Aquila bei den Menschen im Alentejo eher für Wut und Kopfschütteln. Denn tatsächlich bescheinigt die Umweltprüfung der APA unter dem Punkt Humanressourcen: „Der Betrieb des Photovoltaik-Kraftwerks wird schätzungsweise vier Dauerarbeitsplätze schaffen.“ Sollte sich die Sorge der Familie Vaz bewahrheiten und sie tatsächlich ihren Betrieb dicht machen müssen, gingen allein dadurch vier Arbeitsplätze verloren.

Aquila nennt als weiteren Positiveffekt die Pachten, die das Unternehmen an die Landbesitzer zahlen werde. Diese leben aber zum großen Teil gar nicht in der Region, geben folglich ihre Einnahmen dort auch nicht aus. Stattdessen könnte die Umstellung sogar Nachteile haben. Denn bisher sind Landwirte die Pächter, die vor allem extensive Viehwirtschaft betreiben. Diese müssen sich nun anderweitig umsehen. Offen wollen sich diese gegenüber Journalisten nicht äußern, fürchten dadurch persönliche Nachteile. Unklar ist zudem, wie viel an lokaler Grundsteuer, die Aquila zahlt, in der Gemeinde verbleibt.

Aufregung im Badeort

Der Photovoltaikpark sorgt nicht nur in Cercal für Unmut. Auch im 10 Kilometer entfernten Badeort Vilanova de Milfontes ist die Aufregung groß. „Das Projekt ist an den Menschen vorbeigeplant. Die Rendite machen ausländische Investoren“, sagt Elsa Rosa, die einen kleinen Lebensmittelladen mit Café unterhält. „Warum bauen sie den Park den Menschen direkt vor die Nase? Das Hinterland ist so bevölkerungsarm, dass er woanders niemanden stören würde.“ Tatsächlich könnte der Park in Cercal nach derzeitigem Planungsstand nur 50 Meter von den nächsten Häusern entfernt gebaut werden.

Elsa Rosas Ehemann, der für die deutsche Ingenieursfirma Würth arbeitet, nennt einen weiteren Punkt, der zur mangelnden Akzeptanz beiträgt: „In Portugal sprießen Photovoltaik-Großprojekte wie Pilze aus dem Boden. Doch für kleine Hausanlagen gibt es keine sinnvolle Förderung.“

Tatsächlich ist eine Einspeisevergütung für den privaten Solarstrom wie in Deutschland in Portugal unbekannt. Der Energieversorger EDP bietet Hauseigentümern lediglich die Option an, eine Anlage für 15,90 Euro im Monat zu leasen, deren Strom dann umsonst verbraucht werden darf. Allerdings ist das Speichern des Stroms verboten. Somit ist das Angebot kaum wirtschaftlich.

Modell Deutschland?

Die Bürgerinitiative betont, dass sie Solarstrom grundsätzlich befürworte. „Wir benötigen diese Quelle, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Bevor wir aber intakte Landschaften und Ackerland zupflastern, sollten wir zunächst mit Industriebrachen, alten Steinbrüchen oder wie in Deutschland entlang von existierenden Infrastrukturen wie Autobahnen anfangen“, sagt Sergio.

In Deutschland gibt es in der Tat für PV-Freiflächenanlagen nur dann eine Einspeiseförderung, wenn sie auf einer im EEG beschriebenen Flächenkulisse errichtet werden und die Gemeinde dafür einen Bebauungsplan erstellt hat. Mit dem Preisverfall der PV werden aber immer mehr Projekte ohne Förderung realisiert.

Dabei wird auch in Deutschland zunehmend Flächenkonkurren­z zum The­ma. Außerdem erwarten Menschen auch in Brandenburg und anderswo lokale Wertschöpfung und eine Beteiligung an der Rendite. Das sollten Investoren ernst nehmen, wenn sie Millionen schwere PV-Investitionen vornehmen.

„Wir wollen mit unserem Protest ein Beispiel gegeben, dass man künftig Regeln entwickelt und diese anwendet“, sagt Maraschin. „Es kann nicht sein, dass die betroffenen Gemeinden die Lasten tragen, während die Gewinne fast komplett abfließen.“ Klingt danach, dass die Bürgerinitiative Juntos pela Cercal noch einigen Widerstand gegen die Aquila-Pläne in Portugal leisten wird.

24.10.2021 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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