Joyce van de Garde: „Verbrauchern den Bezug von regionalem Ökostrom ermöglichen“

Zu sehen ist Joyce van de Garde, Leiterin Innovation und Digitalisierung bei der Alliander AG, die ihre Meinung zum Thema Kommunaler Klimaschutz durch Regionalstrom beschreibt.Foto: Alliander AG
Joyce van de Garde, Leiterin Innovation und Digitalisierung bei der Alliander AG: „Es ist eine Mehrzahlungsbereitschaft für regionalen Ökostrom vorhanden.“
Joyce van de Garde, Leiterin Innovation und Digitalisierung bei der Alliander AG, ist von der Notwendigkeit einer dezentralen Stromversorgung mit Blick auf die Ausbaugeschwindigkeit regenerativer Energien überzeugt. Regionalstrom bietet Energieversorgern zudem ökonomische Chancen.

Lesen Sie hier den Beitrag von Joyce van de Garde zum kommunalen Klimaschutz mit Regionalstrom

Mit dem steigenden Strombedarf droht den Bundesländern 2035 das Verfehlen der Ausbauziele für Erneuerbare Energien. Gleichzeitig streben mehr und mehr Kommunen die rechnerische Klimaneutralität bis 2045 an. Letztere halten dabei das Zepter für den Ausbau Erneuerbarer in der Hand. Verlassen sollten Sie sich dabei nicht auf den produzierten Ökostrom anderer Regionen. Die Klimaschutzziele sind nur zu schaffen, wenn der Ausbau Erneuerbarer vor Ort forciert wird – und Kommunen auf Ihren komparativen Vorteil setzen.

Bei den Kommunen laufen viele Fäden zusammen, von der Stromerzeugung bis zur Abfallwirtschaft. Mitunter deswegen ist Klimaschutz schon seit Jahren zentraler Bestandteil kommunaler Politik. Der Hebel ist groß – in Relation zu den Einsparpotentialen eines einzelnen Verbrauchers – und die politische Nähe ist gegeben, sodass auch die Chancen für die erfolgreiche Umsetzung von konkreten Projekten steigen. Städte und Gemeinden wollen nun vermehrt klimaneutral werden. Über konkrete Rahmenpläne stecken Sie das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 fest. Inhaltlich ist damit die Senkung der Emissionen auf zwei Tonnen CO2 pro Einwohner gemeint. Die Maßnahmen, die die Kommunen treffen können, um die Emissionen zu senken, sind zahlreich, aber unterschiedlich effektiv.

Drei Haupt-Handlungsfelder

Drei Haupt-Handlungsfelder lassen sich dabei identifizieren: Emissionseinsparungen in Form von Energiesparmaßnahmen, die Substitution fossiler Energie durch erneuerbare Energieträger und die Kompensation von Emissionen. Auswirkungen auf diese drei Bereiche hat die in diesem Jahr neu geregelte CO2-Besteuerung auf den Verkehrs- und Gebäudesektor. Die Emissionen werden seither mit einem kontinuierlichen Festpreis besteuert – mit Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung von Kommunen.

Besonders Energieversorgungsunternehmen sehen sich in den nächsten Jahren mit erheblichen Mehrkosten durch die CO2-Steuer konfrontiert. Die CO2-Bepreisung trifft Städte, Landkreise und Gemeinden, wenn diese weiterhin auf fossile Energien setzen, da Mehrkosten vor allem auf fossile Heiz- und Kraftstoffe entfallen. Daneben gibt es weiterhin den Dynamischen Emissionshandel der Energiewirtschaft und der Industrie. Es klingt einfach: Die Belastungen können über effektiven Klimaschutz wirksam gemindert werden. Langfristig, effektiv und rentabel wird hier jedoch nur die aufwendigste und langatmigste aller Optionen, der Umstieg von fossiler Energie auf Erneuerbare Energien, sein.

Der Ausbau erneuerbarer Energien sollte deswegen in der Kommune begonnen und als politische Aufgabe angenommen werden. Geld, das in Zukunft in Form von Abgaben in den kommenden zehn Jahren gezahlt werden müsste, kann heute investiert werden, die Finanzlage der Energieversorgungsunternehmen (EVU) der Kommunen langfristig verbessern und Emissionen senken. Vertrauen sollten Energieversorgungsunternehmen dabei auf die komparativen Vorteile ihrer Region, anstelle auf die Alleinstellungsmerkmale anderer Regionen zu setzen. Innerhalb Deutschlands zeigen sich deutliche Unterschiede in der Art der regenerativen Stromerzeugung. Indem Kommunen ihren komparativen Vorteil regional ausbauen, sichern Sie zugleich auch Ihre Unabhängigkeit in der Stromversorgung.

Regionalstrom und Klimaneutralität

Die nachhaltigste Form der Stromerzeugung ist die regionale Ökostromerzeugung. Doch erst seit 2019 ermöglicht der über das Umweltbundesamt geführte Regionalnachweis den Bezug von EEG-Strom aus der Region. Dementsprechend neu ist das Konzept des Regionalstromtarifes in der Energielandschaft, könnte aber eine Lösung für mehrere Probleme bei der Energiewende darstellen.

Schleppender Netzausbau

Im Versorgungsnetz treffen erneuerbare Energien noch immer auf konventionelle Kraftwerke, die bei Spitzenlasten nicht schnell genug heruntergefahren werden können. Netzbetreiber zahlen jährlich Milliarden für Not-Eingriffe ins Netz, die aufgrund fehlender Leitungskapazitäten erfolgen müssen – bei gleichzeitig stockendem Netzausbau. Der Ausbau von Übertragungsnetzen, die Windstrom aus dem Norden in den Süden transportieren, ist aufgrund aufwendiger Genehmigungsverfahren langwierig und teuer. Der regional erzeugte Ökostrom, wenn er direkt vor Ort bezogen wird, benötigt hingegen keine neuen Stromautobahnen. Die Energiewende vor der eigenen Tür voranzubringen, bedeutet also, quer durch Deutschland verlegte Stromnetze zu entlasten.

Der Ausbau erneuerbarer Energien – eine Frage von Akzeptanz

Strom ist ein Low-Involvement-Produkt. Es ist schwer, Aufmerksamkeit und Interesse von Verbrauchern für verschiedene Stromprodukte zu wecken und sie für die Vorteile der Energiewende zu sensibilisieren, wenn der konkrete Bezug zu den Anlagen fehlt. Diese Sensibilisierung ist jedoch notwendig, um einen anderen Blickwinkel auf vor Ort stehende Windkraftanlagen zu ermöglichen.

Regionalstrom bietet eine Möglichkeit der Produktdifferenzierung, insbesondere eine Abkehr der Kunden von einem Kaufentscheidungsverhalten, welches sich ausschließlich nach dem Preis richtet. Das Konzept lässt sich in Form von lokalen Energiemärkten oder mit Beteiligungsmöglichkeiten für Verbraucher in Form von digitalen Plattformen umsetzen. Letztere bieten den großen Vorteil, dass Verbraucher ihren Strombezug eigenständig aus Anlagen der Region zusammenstellen können und über diese direkten Beteiligungsmöglichkeiten Informationen über die konkreten Anlagen bekommen.

Ökonomische Potentiale von Regionalstrom

Die Rekommunalisierung der Energieversorgung bieten neben ökologischen Vorteilen auch ökonomische Potenziale für die regionale Wertschöpfung. Die Ausgaben für Energie bei der Selbstversorgung bleiben zu einem großen Teil in der Region, sodass Kommunen über den Eigenbetrieb mehr Einnahmen generieren. Es spielt Energieversorgern in die Hände, dass sich seit Jahren ein Trend hin zur Regionalität abzeichnet. Eine jüngste UBA-Studie nach zu urteilen, hat das Interesse an Regionalen Produkten erheblich zugenommen. Besonders urbane Räume stellen ein attraktives Vertriebsgebiet dar, da auf kleinem Raum eine hohe Anzahl an Kunden beliefert werden können und die Stadtbevölkerung zudem stärker auf Trends reagiert. Mithilfe von Marketing kann das Verbraucherbewusstsein gestärkt und bestenfalls mehr Nachfrage generiert werden.

Zudem ist eine Mehrzahlungsbereitschaft für regionalen Ökostrom vorhanden. Ein wichtiges Signal, gegeben der Bedingungen, dass Regionalstrom derzeit teurer vermarktet wird als herkömmlicher Strom. Gesamtgesellschaftliche Vorteile ließen sich durch Änderungen in der Regulatorik besser nutzen. Eine Vergünstigung regionalen Stroms lässt sich allein schon systemisch, aufgrund einer geringeren Netznutzung, begründen.

Das Ziel der Klimaneutralität kann nur erreicht werden, wenn der Ausbau erneuerbarer Energien in den Kommunen als Chance begriffen wird, um die Zukunft positiv zu gestalten. Verbrauchern den Bezug von regionalem Ökostrom zu ermöglichen, könnte hier den entscheidenden Unterschied machen. Die Herausforderungen der Energiewende lassen sich nur über die kollektiven Anstrengungen jeder einzelnen Kommune bewerkstelligen. Wenn hier nicht Klimaschutz gemacht wird, wo sonst?

27.10.2021 | Quelle: Alliander AG | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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