Mieterstrom für Quartiere

Luftbild einer Siedlung der 50er/60er Jahre mit Photovoltaikanlagen auf allen DächernFoto: Mainova AG
Mit dem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz ist es etwas leichter geworden, Mieterstromprojekte zu realisieren. Doch ein Selbstläufer sind Photovoltaikanlagen auf Wohngebäuden damit noch lange nicht.

Mit den letzten Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, also dem EEG 2021, gibt es insbesondere vier Änderungen, die speziell die PV-An­la­gen betreffen, deren Strom an Mieter geliefert werden soll. Das ist zunächst die Vergütungshöhe: Bei Mieterstromanlagen laut EEG gibt es eine feste Einspeisevergütung. Die liegt bei Anlagen mit mehr als 40 Kilowatt und bis zu 100 kW Leistung, die in die­sem Oktober in Betrieb gehen, bei 2,09 Cent je Kilowattstunde. Bei An­lagen, die später in Betrieb ge­hen, ist der Mieterstromzuschlag entsprechend der im EEG festgelegten Degression geringer. Der Zuschlag summiert sich bei einer 100-kW-Anlage auf etwa 2000 Euro im Jahr, sofern Mieter:innen den komplet­ten Solarstrom abnehmen.

Verknüpft damit ist ein Freiraum bei der Bestimmung der Anlagengröße. Sofern mehrere Anlagen keinen gemeinsamen Netzanschlusspunkt haben, werden sie nicht – wie zuvor – als eine Anlage gezählt, auch wenn sie sich in räumlicher Nähe zueinander befinden. So kann die Mieterstromvergütung teils etwas höher liegen.
Die dritte Änderung ist eher eine Klarstellung. Mit dem EEG 2021 ist nun ganz deutlich, dass Vermieter:innen Projekte gemeinsam mit Dienstleistern realisie­ren dürfen, ohne den Verlust des Mieterstromzuschlags zu riskieren.

Mieterstrom-Ausweitung auf Quartiere

Wesentlich ist allerdings die Auswei­tung der Mieterstrom-Regelung auf Quar­tiere. Vor dem EEG 2021 war es nur erlaubt, die Mieter:innen mit Solarstrom zu versorgen, die auch im selben Ge­bäu­de wohnten – und dies gilt wei­ter­hin für Anlagen, die vor dem 1. Januar 2021 in Betrieb gingen. Bei neuen Anlagen darf Mieterstrom von PV-Anlagen auch in andere Gebäude geliefert werden. Voraussetzung dafür sind aber eigene Netze. Sobald Strom über ein öffentliches Netz transportiert wird, ist der Mieterstromzuschlag perdu.

Große Sprünge lassen sich mit den neuen Regelungen nicht machen. Mieterstromprojekte sind weiter­hin selten. Von Januar bis August 2021 sind laut Marktstamm­datenre­gis­ter Anlagen mit insgesamt rund 18 Megawatt in Betrieb gegangen. Der Bruttozubau aller PV-Anlagen in Deutsc­hland erreichte im sel­ben Zeitraum rund 3618 MW.

Marktbelebung

Eines der Unternehmen, die relativ häufig an Mieterstrom-Projekten für Quartiere betei­ligt sind, ist die Naturstrom AG. Deren Vorstand Tim Meyer erklärte gegenüber Energiekommune, im Bestand sei es nach wie vor schwierig, Mieterstromprojekte zu realisieren. Denn hier sei es deutlich aufwändiger, die Technik – u.a. fürs Messen – zu installieren. Zudem sei es schwieriger, die Mieter:innen zum Wechsel des Stromlieferanten zu bewegen. Im Neubau seien sie noch nicht so festgelegt.

Mieterstromangebote seien in der Regel kein Preisbrecher, so Meyer. Meist seien billigere Angebote zu fin­den. Doch bei qualitativ hoch­werti­geren Öko­­stromangeboten könne solarer Mie­­terstrom gut mithalten. So sei dieses Produkt in der Regel auch günstiger als der reguläre Naturstrom-Tarif. Der konkrete Preis für Mieterstrom hänge dabei von den Umständen ab.

Meyer beobachtet alledings eine Belebung des Marktes. „Es ist wirklich so, dass die EEG-Novelle etwas gebracht hat.” Das Interesse von Wohnungsbaugesellschaften steige. Das zeige sich vor allem bei Neubauprojekten, die einen höheren energetischen Standard erreichen sollen. Hier kämen schnell Photovoltaik-Anlagen mit ins Spiel – und dann sei Mieterstrom automatisch eine Option, auch für ganze Quartiere.

Effizienz fördert Mieterstrom

Die Investitionsförderung energieeffizienter Gebäuden sei auch Mieterstromförderung, findet Florian Henle, Geschäftsführer der Polarstern GmbH, die ebenfalls im Mieterstrom-Segment aktiv ist. Mit dem Gebäudeenergie­ge­setz (GEG) habe der Gesetzgeber einen ersten Schritt in diese Richtung ge­macht. Denn lokal erzeugter Solarstrom lasse sich damit auf den Jahresprimärenergiebedarf eines Gebäude anrech­nen. Und die Bundesförderung effizien­ter Gebäude (BEG) sei der nächste Schritt, der das Potenzial habe, Mieterstrom endlich zum breiten Durchbruch zu verhelfen.

In den vergangenen Monaten sind einige Hürden gefallen. Meyer hebt auch die Änderungen im Gewerbesteuerrecht hervor. „Das ist super wichtig.” Vermieter:innen können seitdem in einem bestimmten Umfang selbst Phovoltaikanlagen betreiben, ohne ihre Befreiung von der Gewerbesteuer zu gefährden.
Der neue Quartiersansatz sei bedeutsam, so Meyer, auch wenn es da noch Unschärfen gebe. Tat­sächlich ist der Begriff des Quartiers nicht klar umrissen. Laut Gesetzes­begrün­dung ist ein Quar­tier ein zu­sam­men­hän­gender Gebäudekomplex, der den Eindruck eines einheitlichen Ensembles macht. Aber etwa im Förderprogramm der KfW für energetische Stadtsa­nie­rung wird eine andere Quartiersdefinit­ion zu Grunde gelegt. In der Praxis spielt diese Un­schärfe derzeit aber wohl keine so große Rolle. Denn ein Mieter­strom­projekt ist in der Regel Sache einer Wohnungsbaugesellschaft, die dieses in einem eher einheitlichen Quartier realisieren möchte. Und hier, erläutert Meyer, wirke es sich auf die Wirtschaftlichkeit positiv aus, wenn nun eine größere statt mehrerer kleiner Anlagen installiert werden könne.

Verbesserungsbedarf sieht Meyer bei starren Regelungen des EEG. „Die 100-kW-Grenze nervt.” Gerade in größeren Quartieren wäre mehr Spielraum sinnvoll. Und generell wäre es gut, das Gesamtmodell zu überdenken und sich dem Geist der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie anzuschließen. Dann stünde es Vermietern und Dienstleistern frei, wie sie hinter einem Netzanschlusspunkt agie­ren. So sei es ja auch im Wärmesektor. Wie solle man Sektorenkopplung in Quartieren vernünftig organisieren, wenn für Strom und Wärme ganz unterschiedliche Regelungen gälten, fragt Meyer.

Das andere Mieterstrom-Modell

Für Quartiere ist das Mieterstrom-Mo­dell à la EEG jetzt leichter zu rea­lisieren. Doch keine Verbesserung ha­ben die gesetzlichen Änderungen dem sogenannten kleinen Mieterstrom gebracht. Das betrifft Gebäude mit nur wenigen Wohnungen. So hält Meyer Neubauprojekte dann für interessant, wenn sie mindestens 20 Wohnungen umfassen. Bei kleineren Gebäuden haben es Vermieter:innen schwer, einen Dienstleister zu finden.

Es gibt allerdings auch eine Alternative, auf die die Bundesnetzagentur hinweist. Vermieter:innen, die auf die rund 2 Cent Mieterstromvergütung verzich­ten, sind in der Vertragsgestaltung mit ihren Mieter:innen freier. Sie können die So­larstromlieferung sogar mit dem Miet­vertrag koppeln. Und sie müssen auch keine Vollversorgung garantieren. Sie liefern lediglich Solarstrom zu.

Wichtig ist es dann, den gelieferten Solarstrom exakt zu messen und den jeweiligen Parteien genau zuteilen zu können. Dies ist ein Geschäftsfeld, in das Unterneh­men einsteigen. So wolle die Pionier­kraft GmbH bereits ab dem kom­men­den Jahr eine technische Lösung auch für Mehrfamilienhäuser und über eigene Leitungen verbundene Ge­bäu­de anbieten, erklärt Geschäftsführer Nicolas Schwaab.

21.10.2021 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

Titelbild der Zeitschrift Energiekommune 7/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 7/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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