Christoph Bühler: „Die solare Fernwärme könnte größer sein, wenn es ausreichend Flächen gäbe“
Ritter XL ist als Geschäftsbereich der deutschen Ritter Energie zum Marktführer für solare Nah- und Fernwärmeanlagen in Deutschland aufgestiegen. Sein Team konnte von den letzten elf in Deutschland ausgeschriebenen Solarthermie-Großanlagen mit mehr als 1.000 Quadratmetern Kollektorfläche sieben gewinnen. Darunter die bundesweit größte Solarthermie-Freiflächenanlage in Greifswald mit 13 Megawatt, die zum Jahreswechsel fertig gestellt sein soll.
Herr Bühler, Sie sind seit zwölf Jahren bei Ritter XL. Wie hat sich das Geschäft mit Solarthermie-Großanlagen in dieser Zeit verändert?
Christoph Bühler: 2009 existierte in Deutschland noch kein Großanlagenmarkt. Vereinzelt haben wir eine Anlage wie 2007 die von Festo mit 1.330 Quadratmetern, oder wie 2011 die Anlage auf der Messehalle in Wels mit knapp 3.400 Quadratmetern realisiert. Das waren wenige Anlagen, die allerdings noch keinen Markt darstellten.
Heute sehe ich endlich eine wachsende Nachfrage, wie wir sie die Jahre zuvor bereits erwartet und erhofft hatten. Der Großanlagenmarkt könnte meiner Meinung nach bereits jetzt viel größer sein, bestünde nicht das Hemmnis der Flächenfindung.
Stellen Flächen den Flaschenhals schlechthin dar?
Bühler: Durchaus. Stadtwerke suchen in der Regel bis zu drei Jahre, um eine geeignete und verfügbare Fläche zu finden und deren Nutzbarkeit sicherzustellen. In machen Projekten prüfen wir ein Dutzend Standorte und machen dafür jeweils eine erste Auslegung. Das ist sicherlich kein böser Wille der Kommunen. Es gibt einfach vielfältige Interessen an Flächen in und um städtische Räume – sei es für Baugrundstücke, Einkaufsmöglichkeiten, Naherholungsgebiete, Vorkaufsrechte oder Umweltschutz. Die Flächenkonkurrenz wird aus meiner Sicht noch zunehmen.
Der solare Nahwärmemarkt in Deutschland hat sich in den vergangenen fünf Jahren stark vergrößert. Was treibt die Nachfrage an?
Bühler: Die wachsende Nachfrage von Seiten der Stadtwerke. Das sie sich in der Umsetzung konkreter Projekte niederschlägt, spüren wir eigentlich erst seit 2019. Selbst die Anlage in Senftenberg aus dem Jahr 2016 war noch nicht der Beginn eines spürbaren Wachstums.
Welche Faktoren haben die Situation vor zwei Jahren geändert?
Bühler: Zunächst haben sich die politischen Rahmenbedingungen verbessert. Es gibt eine Reihe von neuen Förderinstrumenten, darunter die innovative Kraftwärmekopplung, kurz I-KWK-Gesetz genannt, was äußerst attraktiv ist. Der Zuschlag auf der Stromseite erhöht sich auf bis zu zwölf Cent pro Kilowattstunde – gegenüber maximal sieben Cent pro Kilowattstunde für konventionelle KWK-Anlagen. Dazu muss das Stadtwerk 35 Prozent der Referenzwärme aus regenerativer Wärme bereitstellen. Bis Ende 2020 lag dieser Anteil noch bei 30 Prozent. Die derzeit im Bau befindliche Anlage in Greifswald ist die erste Solarwärmeanlage, die vom I-KWK-Gesetz profitiert.
Darüber hinaus kommt dieses Jahr wohl noch die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze. Wir gehen davon aus, dass bei Solarthermie 40 Prozent der Investition sowie zwei Cent pro Kilowattstunde in den ersten zehn Betriebsjahren vergütet werden. Auch diese Förderung wird das Wachstum des Markts weiter vorantreiben.
Gleichzeitig wirkte 2019 aber auch die starke Stimme der Klimaaktivistin Greta Thunberg und die Ankündigung der Bundesregierung, eine CO2-Steuer auf fossil erzeugte Wärme einzuführen.
Aber es gibt auch Ritter-interne Gründe, die für ein wachsendes Vertrauen der Energiewirtschaft in die Solarthermie sorgen. Wir geben für jede Freiflächenanlage eine Ertragsgarantie. Bis heute ist mir keine Anlage bekannt, bei der wir den prognostizierten Ertrag unterschritten hätten. Mein Eindruck ist, dass sich der wirtschaftliche und zuverlässige Betrieb großer Ritter-Solarthermieanlagen nach und nach innerhalb der Stadtwerke herumspricht.
Erwarten Sie ein weiteres Wachstum des solaren Fernwärmemarktes in Deutschland?
Bühler: Wir erwarten ein weiteres, wenn auch verhaltenes Wachstum. Es gibt viele Stadtwerke, die bereits seit Jahren an dem Bau einer Anlage interessiert sind, jedoch keine Fläche finden, die dafür nutzbar wäre. Die Politik sollte Kommunen stärker unterstützen, damit sie Flächennutzungspläne einfacher ändern können, um Bereiche für die Energiewende zu priorisieren. Auf diese Weise könnte die Wärmewende weiter an Fahrt aufnehmen.
Wie erleben Sie die Konkurrenzsituation bei Ausschreibungen seit die dänische Firma Arcon Sunmark ihre Tore geschlossen hat?
Bühler: Arcon-Sunmark hatte einen Konzern im Hintergrund, wir sind Mittelstand. Natürlich gibt es unterschiedliche Stellschrauben in der Preisgestaltung. Es sind neue Wettbewerber nachgekommen. Jede Ausschreibung ist umkämpft. Und ein bisschen Glück gehört natürlich auch dazu.
Wie hat es Ritter XL geschafft, zum Marktführer für Solarthermie-Großanlagen in Deutschland zu werden?
Bühler: Ich denke, dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Die Basis unseres Erfolges ist eine hocheffiziente und ausgereifte Systemtechnologie. Ein Alleinstellungsmerkmal ist sicherlich der ökologisch sinnvolle Betrieb mit Wasser statt Glykol im Solarkreis, auf den wir bereits 2004 umgestellt haben.
Aber der Erfolg beruht auf vieler Jahre harter Arbeit mit dem stetigen Antrieb, die Technik weiterzuentwickeln und dabei guten Service zu bieten. Die beste Werbung kommt von zufriedenen Kunden.
Ebenso ist unser Fokus auf den deutschen Markt wichtig für den Erfolg. Wir wollen vom ersten Kontakt mit dem Kunden bis hin zum Wartungsservice eine gute Leistung liefern. Das bedarf unserer Erfahrung nach geographischer Nähe.
Solare Prozesswärme wird in Deutschland gut gefördert, macht allerdings nur einen kleinen Anteil am Umsatz von Ritter XL aus. Warum?
Bühler: Industriebetriebe sind eine anspruchsvolle Kundengruppe. Sie bemessen eine Investition gänzlich anders als Stadtwerke. In 19 von 20 Fällen ist eine Prozesswärmeanlage mit einer Amortisationszeit von über drei Jahren uninteressant. Das kann die Solarthermie nicht leisten. Stadtwerke wollen auch eine Rendite erwirtschaften, aber sie bewerten die Anlage auf eine Dauer von 15 bis 25 Jahren. Das Vertriebsmodell ist meiner Ansicht nach nicht entscheidend beim Verkauf von solaren Prozesswärmeanlagen, sondern nur der Preis.
Firmenchronik von Solarthermie-Großanlagen-Spezialist Ritter XL
Ritter XL wurde 2010 von der Ritter Gruppe gegründet, um weltweit Solarthermie-Großanlagen für Wärmenetze und Prozesswärme zu realisieren. Das Tochterunternehmen startete mit fünf Mitarbeitern und sollte die Internationalisierung der Ritter Energie auf Basis eines starken deutschen Marktes voranbringen. Nachdem der deutsche Markt ab 2010 kontinuierlich schrumpfte, wurde Ritter XL 2017 als Geschäftsbereich wieder in die Ritter Energie eingegliedert. Seitdem konzentriert er sich auf den deutschen Markt der Nah- und Fernwärme.
Heute beschäftigt Ritter XL zehn Mitarbeiter und erhält Unterstützung von anderen Bereichen der Ritter Energie mit derzeit 250 Beschäftigten. Das Kerngeschäft von Ritter Energie sind regenerative Energiesysteme für Ein- und Zweifamilienhäuser unter dem Markennamen Paradigma und die Herstellung von OEM-Kollektoren für andere Markenanbieter. Das 2001 gegründete Joint-Venture Linuo Paradigma mit der chinesischen Linuo-Gruppe wurde während der Konsolidierungsphase 2017 aufgelöst und die Firmenanteile an die Linuo Gruppe verkauft. Heute gibt es keine Geschäftsbeziehungen mehr mit China.
Das Interview von Bärbel Epp ist im Original auf Englisch auf dem Newsportal www.solarthermalworld.org erschienen.
Diesen Beitrag hat das Redaktionsteam des Solarthermie-Jahrbuchs verfasst. Sie können das Solarthermie-Jahrbuch 2023 unter diesem Link bestellen.
Weitere Informationen zu Solarthermie in der Fernwärme finden sich
– auf der Website www.solare-waermenetze.de und
– in einem Hintergrundartikel auf dem Solarserver sowie
– in einem Solarthemen-Artikel zum neuen Förderprogramm BEW für erneuerbare und effiziiente Fernwärme