Solarkollektor-Herstellung im Maschinentakt
Absorber, Dämmung, Rückwand, diese Komponenten wandern im Takt der großen Maschine von der einen Seite der Halle heran. Von der anderen Seite nähern sich im 90-Grad-Winkel wie von Geisterhand die Glasscheiben für die Solarkollektor-Abdeckung. Sie werden auf ihrem Weg von einer Mitarbeiterin geprüft und mit einem Dichtungsprofil präpariert. Manufaktur sieht anders aus. Das hier ist Industrie. Solarthermie-Industrie.
Acht Leute arbeiten pro Schicht an der Anlage der Solmetall GmbH im ostwestfälischen Spenge. Zwei von ihnen, Patrick Fischer und Ringo Kausch, stehen jetzt dort, wo die beiden Stränge des Fördersystems zusammentreffen (Foto oben). Hier werden die Komponenten zum Kollektor gefügt. Auch an dieser Station erledigt unter einer demonstrativ angebrachten Made-in-Germany-Deutschlandflagge das meiste die Maschine. Allerdings unter den wachsamen Augen der beiden Mitarbeiter. Die füttern die Anlage mit Aluprofilen für den Kollektorrahmen und kontrollieren ansonsten den Prozess: Rückwand mit Dämmmatte und Absorber kommen automatisch von unten, Glasscheibe schwebt von oben ein, Maschine verpresst die Profile mit den übrigen Komponenten zu einem Solarkollektor und vercrimpt sie an den Ecken.
Tagessoll und Potenzial
Überall wachen Lichtschranken, damit niemand im falschen Moment den Aktionsradius der mächtigen Apparatur betritt. Deren Takt dokumentiert die große Anzeigentafel unter der Hallendecke in roten Lettern. „Soll: 160“ steht da als Tagesziel für heute. Gemeint ist die Stückzahl an Solarkollektoren. Das liegt weit unter den Möglichkeiten der Anlage. Aber um sie ganz auszulasten, müssten die Dinge für die Solarthermiebranche insgesamt anders laufen als zurzeit. „Wir können hier einen Solarkollektor pro Minute bauen“, sagt Andreas Rosenwirth.
Die moderne Fertigungsstraße ist der ganze Stolz des Maschinenbauingenieurs. Er kennt quasi jede Schraube der Anlage, hat sie seinerzeit mit entwickelt. Das war 2009. Rosenwirth war damals noch nicht, was er heute ist, einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter der Solmetall GmbH. Und auch die Anlage stand ursprünglich nicht in der 8500 Quadratmeter großen Fabrikhalle im ostwestfälischen Spenge, sondern im nahen Bielefeld. Rosenwirth stand als Solarthermie-Projektleiter ebenso wie seine beiden Mitgesellschafter Alexander Altemeier und Uwe Berg bis 2012 bei der Bielefelder Schüco International in Lohn und Brot. Das Trio war dort seit Jahren für die Solarthermiesparte verantwortlich. 2013 folgte der Management-Buyout, der sie zu Unternehmern machte. Nicht ganz freiwillig, aber doch voller Überzeugung, wie Rosenwirth in ostwestfälischer Sachlichkeit betont: „Wir wollten unbedingt Solar weitermachen.“
Branchen-Euphorie anno 2008
Die Vorgeschichte erzählt einiges über die Solarthermiebranche in jenen Jahren: Wie etliche andere namhafte Unternehmen in Deutschland hatte Schüco gegen Ende der Nullerjahre große Pläne in Sachen Solarwärme. Kein Wunder, war doch der Markt seit der Jahrtausendwende mehr oder weniger kontinuierlich gewachsen. Und Schüco war einer der großen Player. „120.000 Kollektoren haben wir 2008 produziert“, erinnert sich Rosenwirth. Die neue, selbst entwickelte Fertigungslinie sollte fortan das Doppelte leisten können.
Beim Absorber, Herzstück jedes Solarkollektors, vollzog Schüco, etwas später als der Rest der Branche, in diesen Jahren zugleich den Wechsel von Kupfer zu Aluminium für die Absorberplatte. Hintergrund war der Kupferpreis-Schock des Jahres 2006.
Einzigartiges Verfahren
Das Rohrregister, durch das später das Solarfluid fließt, fertigen die meisten Hersteller allerdings bis heute aus Kupfer. Um die beiden Metalle mit ihrem verschiedenen Ausdehnungsverhalten zu verbinden, setzte Schüco auf ein einzigartiges, patentiertes Verfahren. Es macht heute den Markenkern der Solmetall GmbH aus.
Die Absorber werden nämlich nicht wie branchenüblich mittels Laser- oder Ultraschall-Schweißroboter verbunden. In Ostwestfalen werden die Teile vielmehr geklebt. Um den Wärmeübergang vom Alublech zu optimieren, gibt man zunächst dem Kupferrohr einen D-förmigen Querschnitt. Anschließend wird es mittels eines
u-förmigen Wärmeleitbleches aus Aluminum mit der Aluplatte verklebt. Das Alublech umschließt das Kupferrohr fest und zugleich flexibel. Das Wärmeleitblech wird mit einem hochdrucksensitiven Kleber auf der Rückseite der Absorberplatte flächig verklebt.
Rosenwirth schwört auf die Langlebigkeit dieser Verbindung, da sich Kupfer und Aluminium nun mal unter Temperatureinfluss unterschiedlich dehnten – eine Dauerbelastung für starre Schweißverbindungen.
Pressen ist schnell und günstig
Die für den Klebevorgang benötigte Presse drückt mit 300 kg pro Quadratzentimeter und braucht pro Pressung nur ganze 15 Sekunden. Viel zeitaufwändiger sei das Bestücken der Maschine, verrät Rosenwirth. Aber bei Bedarf könne dieser Arbeitsschritt leicht vervielfältigt werden. Denn so eine Presse könne man von der Stange kaufen. Und zwar zu Preisen, die um Größenordnungen unter den Kosten einer Laserschweißanlage lägen.
Alles in allem verfügte Schüco ab 2010 über ein sehr innovatives und bis heute einzigartiges Verfahren der Solarkollektor-Herstellung. An dem der weltbekannte Bauzulieferer allerdings bald das Interesse verlor. Nicht zuletzt, weil Schüco zeitgleich in der großen Photovoltaik-Krise mit einem teuren PV-Joint-Venture viel Geld verbrannte. Die Einschläge bei der Solarthermie waren zwar weniger brutal, doch der hiesige Solarthermiemarkt schrumpfte nach 2009 kontinuierlich Jahr für Jahr um 10 bis 20 Prozent. 2019 lag er nur noch bei einem Viertel seines 2008er Rekordvolumens von fast
Schwierige Jahre für Solarkollektor-Hersteller
Mitarbeitergeführte Solarthermiespezialisten wie Wagner und Solvis konnten sich in der Zwischenzeit nur über schmerzhafte Insolvenzen sanieren. Bevor es dazu kommen konnte, gab auch die KBB Kollektorbau als zwischenzeitig größte deutsche OEM-Herstellerin ihre Berliner Fabrik vor Jahresfrist auf. Selbst große Konzerne wie Vaillant, Viessmann und Bosch hatten sich mit ihren in der Boomphase aufgebauten In-House-Fertigungskapazitäten verkalkuliert. Statt dreischichtig zu arbeiten, laufen alle diese Linien heute maximal in einer Schicht.
Andreas Rosenwirth beschreibt die Situation nüchtern: „Es gibt heute mehrere Fabriken, die den derzeitigen deutschen Solarthermiemarkt wohl jeweils fast im Alleingang versorgen könnten.“ Allein bei Solmetall könnten jährlich 600.000 Quadratmeter Kollektorfläche vom Band laufen.
Denn als die Schüco International im Jahr 2012 Hals über Kopf einen Schlussstrich unter ihr Solarengagement zog, übernahmen deren leitende Solarthermiker den Maschinenpark sowie die Patente der Solarkollektor-Fabrik. Als Partner, dem heute drei Viertel der GmbH-Anteile gehören, gewannen sie die Investment-Firma Surikate AG. Ein Viertel der Solmetall besitzen die drei Gründer.
Fliegender Start
Solmetall verzichtet auf eine eigene Marke und fertigt ausschließlich OEM-Ware für Markenartikler und Großhändler. Nachdem der fliegende Start im Jahr 2013 gut klappte, bekam es aber auch dieses Geschäftsmodell mit der weiterhin negativen Marktdynamik zu tun. „2015 war für uns der Tiefpunkt“, erinnert sich Rosenwirth.
Damals machte sich das Unternehmer-Trio auf die Suche nach einem zusätzlichen Standbein neben dem Solarkollektor und fand dieses in der Lohnfertigung von Aluminiumteilen. Denn mit den Präzisionsmaschinen, mit denen sie die Montagesysteme der Kollektoren herstellen, ließ sich Metallbearbeitung auch für andere Unternehmen anbieten. Inzwischen läuft dieses Geschäft so gut, dass Solmetall 61 Mitarbeiter:innen beschäftigt – fünfmal so viele wie beim Start 2013. Um weiter wachsen zu können, hat die Firma jetzt im benachbarten Städtchen Enger die mehr als doppelt so große Halle einer ehemaligen Möbelfabrik gekauft. Zum Jahreswechsel steht der Umzug an.
Marktbelebung und Kostendruck
Dass es auch mit dem Solarthermiemarkt inzwischen wieder aufwärts geht, trägt zur guten Stimmung bei. 2021 habe Solmetall für 70 Kunden Solarkollektoren mit insgesamt rund 75.000 Quadratmetern gefertigt, berichtet Rosenwirth. Das sei deutlich mehr als im Vorjahr und bringe etwa 60 Prozent des Gesamtumsatzes.
Um dem Kostendruck des Marktes gerecht zu werden, konnte Solmetall im Laufe der Jahre den Materialeinsatz vor allem beim Kupfer verringern. Startete die Absorber-Fertigung 2013 mit einem Rohrdurchmesser von 12 Millimetern und 0,6 Millimeter Wandstärke, so kommen in der neuesten Kollektorgeneration Absorberrohre mit nur noch 8 x 0,35 Millimeter Konfektionsmaß zum Einsatz. Auch im sparsamen Materialbedarf sieht Rosenwirth einen Wettbewerbsvorteil des Klebeverfahrens gegenüber dem Laserschweißen.
20.12.2021 | Autor: Guido Bröer
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