Digitalisierung kann Klimaschutz in Gebäuden ergänzen
Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und co2online haben die Studie „Klimaschutzpotenziale der Digitalisierung“ im Auftrag des Umweltbundesamts durchgeführt. Sie haben anhand von fünf Fallbeispielen bewertet, wie sich smarte Lösungen in Gebäuden und Haushalten auf die Energie- und Klimaschutzziele und die Umwelt auswirken. Das Ergebnis: Die Digitalisierung kann wichtige Klimaschutz-Maßnahmen wie die energetische Sanierung von Gebäuden oder den Ausbau erneuerbarer Energien sinnvoll ergänzen. Allerdings ist sie kein Ersatz, denn die Einsparpotenziale sind begrenzt.
Die Forschenden haben fünf für den Strom- und Wärmemarkt relevante Fallsbeispiele für digitale Consumer-Anwendungen untersucht. Dazu gehörten die Heizungssteuerung über Wetterprognosen, die Online-Effizienzüberwachung von Heizungen, die digitale Erfassung des Stromverbrauchs über Smart Meter mit Feedbacksystem und Tools für den netzdienlichen Betrieb von Wärmepumpen Ladepunkten für E-Autos.
Sie entwickelten eine übertragbare Methode, um die Umweltauswirkungen der Anwendungen zu bewerten. Auf der einen Seite stehen die direkten Umwelteffekte der Technologien – etwa deren Herstellung, Nutzung und Entsorgung. Auf der anderen Seite stehen die indirekten Effekte, wie ein höherer Einsatz erneuerbarer Energien oder die Steigerung der Energieeffizienz sowie nutzerbezogene und strommarktseitige Effekte. Die Bewertung erfolgte mit der etablierten Methode der Ökobilanzierung und einer systematischen Einteilung der potenziell auftretenden Umweltwirkungen.
Klimaschutz-Potenzial bis 2030 deutlich unter 1 Prozent der Einsparziele
Die Ergebnisse zeigen, dass smarte Energielösungen für Haushalte zum Klimaschutz beitragen können. Sie unterscheiden sich jedoch. Bei der digitalen Optimierung und Überwachung der Heizung sind die Vorteile durch die Energieeinsparung größer als die Umweltbelastungen für Bau und Betrieb der digitalen Tools. Schwieriger zu bewerten sind dagegen Anwendungen, bei denen die Kundinnen und Kunden selbst aktiv werden müssen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Smart Meter den Stromverbrauch analysiert und eine App Tipps zum Stromsparen gibt. Hier ist noch wenig Wissen zu mittelfristigen Einspareffekten vorhanden. Dennoch zeige sich, dass die potenziellen Umweltchancen tendenziell größer ausfallen als die Umweltrisiken. Wichtig sei aber, die Potenziale nicht zu überschätzen, betonen die Forschenden.
„Hochgerechnet auf ganz Deutschland können die Emissionseinsparungen der untersuchten Lösungen in Verbindung mit ihrem derzeitigen Marktwachstum nur einen geringen Beitrag zu den Klimaschutzzielen 2030 leisten“, resümiert Hannes Bluhm, Experte für Umweltbewertungen am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Zu den erforderlichen Einsparungen der Energiewirtschaft in Höhe von 113 Millionen Tonnen CO2 bis 2030, können die untersuchten Tools lediglich zwischen 0,07 und 0,21 Prozent beitragen.
Auch wenn digitale Lösungen nicht der zentrale Hebel für Klimaschutz in Gebäuden sind, haben sie einen Vorteil. Sie könnten nämlich als überwiegend gering-investive Maßnahmen kurz- oder mittelfristig umgesetzt werden. Die smarte Steuerung von Heizungsanlagen zum Beispiel kann einerseits bei noch ungedämmten Gebäuden zu einer relevanten Reduktion beitragen. Andererseits kann sie auch bei gut gedämmten Gebäuden noch ein paar zusätzliche Prozentpunkte Einsparung erzielen. „Die Digitalisierung kann die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und den Wechsel zu erneuerbaren Energien im Gebäudebereich sinnvoll ergänzen. Für die Erreichung von Klimaneutralität im Gebäudesektor, ist der Einsatz entsprechender Anwendungen sogar eine Voraussetzung“, sagt Laurenz Hermann von co2online.
Forscher:innen empfehlen breitere Untersuchung der Klimaschutz-Wirkung von Digitalisierung in Feldstudien
Da die meisten smarten Lösungen erst seit wenigen Jahren am Markt angeboten werden, fehlt oft eine unabhängige, wissenschaftliche Bewertung zu deren Wirkung und Potenzialen. Deshalb empfiehlt das Forschungsteam eine breitere Untersuchung in Feldstudien. Diese sollen die ökologische Wirkung entsprechender Anwendungen nachweisen und absichern.
In diese Richtung geht bereits das Verbundprojekt Wärmewende Nordwest. Es ist im April 2021 gestartet, läuft bis 2025 und erhält vom BMBF eine Förderung von 16 Millionen Euro. Die 21 Projektpartner Mit dem Geld wollen die Partner Konzepte zur Digitalisierung entwickeln, um die Umsetzung von „Wärmewende- und Mehrwertanwendungen“ voranzubringen.
Zudem sollten Technikanbieter und Marktakteure gemeinsame Standards entwickeln, damit für die digitalen Anwendungen keine aufwändigen Nachrüstungen benötigt werden und sie unabhängig von einzelnen Anbietern gesteuert werden können. Essenziell sei auch, dass neue Techniken immer mit entsprechender Qualifizierung der für den Vertrieb und die Installation zuständigen Stellen einhergehen. „Damit die Anwendungen in die Breite kommen, sind tragfähige Geschäftsmodelle notwendig, die häufig von der Ausgestaltung des einschlägigen Rechtsrahmens einschließlich der Höhe bestehender Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiebereich abhängig sind“, sagt Professor Matthias Knauff, der die untersuchten Fälle von juristischer Seite beleuchtet hat. Hier sei die neue Bundesregierung gefragt, diese auf ihre klimapolitische Wirkung zu überprüfen und bei Bedarf Förderinstrumente zu etablieren.
06.01.2022 | Quelle: IÖW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH