EU-Taxonomie: Gaskraftwerke als Booster für Power-to-Gas?

Im Vordergrund und hinten Windkraftanlagen, in der Mitte ein GaskraftwerkFoto: Kara / stock.adobe.com
Im Rahmen der Taxonomie gilt ein Gaskraftwerk künftig nur dann als nachhaltig, wenn deutlich mehr Wind- und Solaranlagen gebaut werden.
Die Europäischen Kommission handelt bei der EU-Taxonomie, in der sie Atom und Gaskraftwerken Nachhaltigkeit attestieren möchte, mit ungedeckten Schecks. Denn die Anforderungen, die sie an Anlagen stellt, können beide Technologien wohl nur schwerlich erfüllen. So ist der Betrieb von Gaskraftwerken nur möglich, wenn die Zahl der Photovoltaik- und Windkraftwerke noch massiver wächst.

Die Europäische Kommission möchte in ihrer Taxonomie – wie inzwischen hinlänglich bekannt – Atom- und Gaskraftwerke mit einem grünen Label versehen. So will sie Kapital für diese Technologien mobilisieren. Sie erhofft sich davon offenbar, die Zielsetzungen des Green Deals zur Reduktion von Treibhausgasen einhalten zu können. Doch der Bau von Atom- und Gaskraftwerken ist an Bedingungen geknüpft. Das sind zum einen sichere Endlager und zum anderen die Mindestnutzung von Gas aus regenerativen Quellen, zum Beispiel aus Power-to-Gas.

Frist für Stellungnahmen verlängert

Jetzt sind die Mitgliedsstaaten aufgerufen, dem Plan zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Die Frist für Stellungnahmen hat die EU-Kommission nun kürzlich vom 12. auf den 21. Januar verlängert. Offenbar gibt es eine Mehrheit, die den Atomkurs unterstützen will. Andere Länder, wie Deutschland, sind dagegen. Doch die Aufnahme von Gaskraftwerken in die Taxonomie ist für sie möglicherweise ein Grund, das Vorhaben dennoch zu unterstützen.

Allerdings gibt es für Kapitalfonds, die Atom- und/oder Gaskraftwerke integrieren wollen, gleich zwei Risiken. Zum einen müssen sie Investoren finden, die Atom oder Gas tatsächlich für nachhaltig halten. Zum anderen ist nicht sicher, ob die Bedingungen der EU-Kommission einzuhalten sind. Bei Gaskraftwerken sind sie schon bald in der Praxis nachzuweisen. Atomkraftwerksbetreiber können auf Zeit spielen.

Sicheres Endlager ist gefordert

Eine wichtige Voraussetzung bei Atomkraftwerken ist der Nachweis eines sicheren Endlagers für den Atommüll. So soll die Betriebsfirma des Atomkraftwerks einen Plan mit detaillierten Schritten vorlegen, wie sie bis 2050 ein sicheres Endlager in Betrieb nimmt. Die Frage ist aber schon, was eigentlich passiert, wenn es dieses Endlager dann doch nicht gibt.

Nina Scheer, die Sprecherin für Energie und Klimaschutz der SPD-Bundestagsfraktion, fordert, für Atomkraftwerke sei bereits zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung ein Endlager sowie ein Nachweis für die Versicherbarkeit vorzuhalten. „Andernfalls lässt sich keine seriöse Investitionsentscheidung in Bezug auf Atomenergie treffen.“ Wenn aber die EU-Kommission in ihrem Taxonomie-Vorschlag für Atomkraftwerke erst für 2050 einen tatsächlichen Nachweis für ein Endlager verlange, verleite dies zu Fehlkalkulationen zulasten der Allgemeinheit und künftiger Generationen

Taxonomie: Gaskraftwerke nur mit Power-to-Gas

Auch Gaskraftwerke müssen einige Bedingungen einhalten, die nicht einfach sind. So müssen sie schon im Jahr 2026 mindestens 30 Prozent regeneratives Gas oder Gas mit niedrigem CO2-Ausstoß einsetzen. Bis 2030 muss der Anteil auf 55 Prozent steigen.

Sofern es sich hier nicht um einen Etikettenschwindel handelt, müssen also entsprechend viele Photovoltaik- und Windkraftwerke zur Verfügung stehen. Diese produzieren zunächst Strom, den man zur Wasserstoffelektrolyse nutzt, kurz gesagt also Power-to-Gas. Und im nächsten Schritt geht es im Gaskraftwerk dann um Gas-to-Power. Aufgrund der Umwandlungsverluste wäre es allerdings deutlich effizienter, den Solar- und Windstrom direkt zu verwenden. Gaskraftwerke mit Power-to-Gas, wie faktisch in der Taxonomie gefordert, sind in dieser Konstellation letztlich eine Stromspeichertechnologie, die in Konkurrenz zu anderen steht.

So ist es nicht verwunderlich, wenn der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nicht begeistert ist von den Anforderungen in der Taxonomie an Gaskraftwerke und die erforderliche Kopplung mit Power-to-Gas. Kerstin Andreae, die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, bezeichnet die Kriterien für als grün einzustufende Gaskraftwerke als nicht zielführend. Mit Blick auf Prognosen zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in den kommenden Jahren seien sie auch nicht realistisch. „Der derzeit vorgesehene Einsatz von 30 Prozent Wasserstoff schon im Jahr 2026 wäre nur bei einem massiven Anstieg der Wasserstoff-Verfügbarkeit erreichbar, für den die Politik dann sehr schnell die richtigen Rahmenbedingungen setzen muss“, so Andreae.

Wasserstoff ist ein knappes Gut

Vor allem regenerativ erzeugter Wasserstoff wird in den kommenden Jahren ein sehr knappes Gut sein. So sind die Stahlindustrie und der Luftverkehr auf ihn angewiesen, um ihre Treibhausgasreduktionsziele zu erfüllen. Für den Automobilsektor hat zuletzt schon Verkehrsminister Volker Wissing abgewunken. Er hält es selbst nicht mehr für realistisch, hier breit auf die Option von Power-to-Liquid für Verbrennungsmotoren zu hoffen. Und da ist dann noch der Wärmesektor. Hier wollen auch einige Stadtwerke Erdgas durch regenerativ erzeugtes Gas ersetzen. Experten, wie der Leiter des Power-to-X-Labs Harry Lehmann und Max Peters, Bereichsleiter für kommunale Wärmeplanung bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg, sehen hier nicht die ersten Einsatzgebiete.

Übrigens gibt es von der EU-Kommission keine Vorgabe, dass grün gelabelte Gaskraftwerke als Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu betreiben sind.

16.1.2022 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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