Marktwert der Photovoltaik: Solarstrom wertvoll wie nie
Des einen Freud, des anderen Leid: Während viele Stromverbraucher über steigende Strompreise stöhnen, erzielen Erzeuger von Solarstromanlagen aktuell so hohe Vermarktungserlöse wie noch nie. Der von den Übertragungsnetzbetreibern ermittelte Jahres- Marktwert der Photovoltaik stieg 2021 auf ein Rekordniveau von 7,552 Cent je Kilowattstunde. Das war mehr als dreimal so viel wie 2020, als er mit 2,45 Cent den historisch bisher niedrigsten Wert erreicht hatte. Grund für beides waren die Preise an der Strombörse. 2020 lagen sie wegen des Wirtschaftseinbruchs als Folge der Coronamaßnahmen am Boden. Aktuell aber sind sie so hoch wie nie.
Der Jahresmarktwert gibt den bereinigten Durchschnitt für den Verkauf von Solarstrom an der Börse im Gesamtjahr an. Der Rekordpreis freut vor allem die Betreiber von ausgeförderten Ü20-PV-Anlagen. Denn wie im EEG 2021 festgelegt, bildet der solare Jahresmarktwert die Basis ihrer Vergütung. Die PV-Pioniere erhalten damit eine höhere Auszahlung, als aktuell mit Neuanlagen über das EEG drin ist. Selbst in der höchsten Vergütungsstufe für neue Kleinanlagen bis 10 kW gibt es aktuell nur 6,83 Cent.
Marktwert der Photovoltaik bei 27 Cent pro Kilowattstunde
Für alle PV-Kraftwerke, die noch im 20-jährigen EEG-Mechanismus stecken, ist der solare Monatswert entscheidend. Dieser gibt die durchschnittlichen Erlöse des Solarstroms an der Börse wieder, die mit der Direktvermarktung in dem jeweiligen Monat erzielt wurden. Das Grundprinzip: Liegt dieser Marktwert tiefer als die EEG-Vergütung, wird die Differenz vom Netzbetreiber aus dem EEG-Umlagekonto finanziert. Das war zuletzt nicht mehr nötig. Sind doch die Monatswerte seit September 2021 zweistellig. Damit übertreffen sie die Vergütungen deutlich. Zuletzt erlöste Solarstrom im Dezember im Schnitt 27 Cent je Kilowattstunde – einen Betrag, den die Vermarkter meist eins zu eins an die Anlagen-Betreiber weiterleiten.
„Wir behalten nichts von den höheren Erlösen ein“, sagt Jan Aengenvoort, Sprecher von Next Kraftwerke. „Im Markt ist das aber immer eine Frage der Vertragsdetails, und der Betreiber sollte genau hinschauen“, empfiehlt er. Zugleich ist aber klar: Nur diejenigen erhalten den Monatsmarktwert – und damit aktuell die üppigen Erlöse –, deren Strom über Direktvermarkter an die Börse geht. Alle älteren PV-Kraftwerke, die feste EEG-Vergütungen vereinnahmen, profitieren davon nicht. Kein Wunder also, dass viele von ihnen versuchen, in die Direktvermarktung zu wechseln.
„Wir haben aktuell so viele Anfragen wie noch nie“, sagt Aengenvoort. Das Unternehmen ist laut eigener Auskunft der größte Aggregator für solare Direktvermarktung in Deutschland. Im letzten Jahr habe Next Kraftwerke rund 1 GW Photovoltaik neu hinzubekommen. Das solare Gesamtportfolio des Direktvermarkters liegt bei gut 5 GW. Für Anlagen kleiner als 100 Kilowatt hat sich die Direktvermarktung bisher für beide Seiten kaum gelohnt, denn die für den Direktvermarkter anfallende Pauschale macht das Ganze unwirtschaftlich. Mit den hohen Monatsmarktwerten könnte das anders aussehen. Denn nach Abzug der Pauschale fließt den Betreibern der Marktwert komplett zu.
Redispatch
Der Run im vergangenen Jahr lag aber vor allem an der neuen Verpflichtung zum Redispatch und damit zur Fernsteuerung von PV-Anlagen ab 100 Kilowatt. Das hat auch die EnBW mit ihrem offensiv vermarkteten Virtuellen Kraftwerk festgestellt. Darin sind insgesamt 5200 Erneuerbare-Energien-Anlagen verbunden. Nun fragten wegen der hohen Strompreise auch zunehmend Betreiber von Anlagen unter 100 kW an. „Diese Kunden können wir jetzt natürlich auch einfach und ohne große Bürokratie für die Anlagenbetreiber aufnehmen“, so eine Sprecherin.
Das machen längst nicht alle Direktvermarkter mit großer Freude. Denn der Aufwand für die Kleinanlagen ist hoch. Für die zum französischen EDF-Konzern zählende Energy2Market sind größere Neuanlagen interessanter. Die Leipziger bieten zudem spezialisierte Produkte an, mit denen sich Solarstrombetreiber gegen die schwankenden Monatsmarktwerte absichern können.
„Kunden können einen Fixpreis vereinbaren statt der volatilen Monatsmarktwerte“, sagt Marc Uhlig, PPA- und Direktvermarktungs-Spezialist bei Energy2Market. Damit verzichten die Betreiber zwar auf die Maximalerlöse. Sie erzielen dafür aber planbare Einnahmen.
Ohnehin ist es reine Spekulation, wohin die Preis-Reise geht. Der Bundesverband Solarwirtschaft jedenfalls erwartet nicht, dass die jüngste Entwicklung beim Jahresmarktwert Solar von Dauer sein wird. „Denn dem aktuell ungewöhnlich hohen Börsenstrompreis liegen neben dem steigenden CO2-Preis im EU-Emissionshandel mehrere vorübergehende Sondereffekte zugrunde“, erläutert BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. „Dazu gehören aktuell hohe Steinkohle- und Gaspreise im Kontext der Erholung der Weltwirtschaft sowie verhältnismäßig leere Gasspeicher in Europa.“ Sprich: die Solarmarktwerte könnten mittelfristig wieder sinken.
Stärkere Schwankungen?
Das legen auch die aktuellen Abschlüsse bei bilateralen Stromlieferverträgen (PPA) nahe. Bei solchen Solarstrom-PPA sei das Preisniveau zwar gestiegen, wie mehrere Marktteilnehmer den Solarthemen bestätigten. Dennoch lägen gängige PPA-Indizes deutlich unterhalb des aktuellen Börsenstrompreises, so Inka Klinger, Head of Project Finance bei der Hamburg Commercial Bank. Das „impliziert, dass die aktuelle Entwicklung nicht dauerhaft sein wird und sich das Niveau auf einem Level unter den aktuellen Marktwerten einpendelt. Wir gehen für die kommenden Jahre von stärkeren Marktschwankungen aus.“
Nicht minder spannend ist die Entwicklung aus Sicht von Windkraftbetreibern. Zwar blieb der Monatsmarktwert Wind aufgrund des saisonal anderen Erzeugungsprofils deutlich hinter dem des in der dunklen Jahreszeit raren Sonnenstroms zurück. Doch 16,08 Cent, der Monatsmarktwert im Dezember für Onshore-Wind, lässt auch bei manchem Windmüller die Kasse unerwartet klingeln. Gerade für den einen oder anderen rüstigen Ü20-Windpark, für den das EEG 2021 bei dessen Beschluss im Sommer 2020 zunächst kaum eine sinnvolle Weiterbetriebsperspektive zu eröffnen schien, bringt die Börsensituation jetzt einen hübschen Geldsegen.
EEG-Umlagekonto entlastet
Die hohen Preise entlasten derweil aber das EEG-Umlagenkonto, denn die Übertragungsnetzbetreiber müssen bei anhaltend hohen Monatsmarktwerten den PV-Betreibern nichts mehr beisteuern. „Auch deshalb kann die Regierung jetzt deutlich einfacher sagen, dass die EEG-Umlage abgeschafft wird“ heißt es beim Virtuellen Kraftwerk der EnBW. „Da die aktuellen Terminmarktpreise an der Strombörse auch für die nächsten Jahre größtenteils bei über 8 ct/kWh liegen, wird sich dieser Effekt, besonders bei den neueren Anlagen mit geringerem anzulegendem Wert fortsetzen“, sagt die Sprecherin. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte angekündigt, die EEG-Umlage 2023 ab- schaffen zu wollen.
Grundsätzlich gäbe es zu dem hiesigen Marktprämienmodell auch Alternativen wie die so genannten CFDs (Contracts for Difference). Die funktionieren nach der Idee eines fixen Preiskorridors, der den Stromerzeugern garantiert wird: eine Art Marktprämie gleicht niedrige Strompreise aus. Übersteigen aber die Börsenpreise diesen Preiskorridor, flösse der Überschuss nicht an den Betreiber – wie aktuell in Deutschland – sondern zurück in das Fördersystem. Eine solche CFD-Konstruktion wird in Frankreich und Großbritannien angewendet.
20.1.2022 | Autor: Oliver Ristau undGuido Bröer
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