Rezension: Energierevolution jetzt! – von Cornelia und Volker Quaschning

Coverbild des Buches "Energierevolution jetzt" von Volker und Cornelia QuaschningGrafik: Carl Hanser Verlag
Einfach, eindringlich und für alle verständlich ist der Stil des neuen Quaschning-Buches. Diesmal handelt es sich um ein Gemeinschaftswerk des Berliner Professors Volker Quaschning mit seiner Frau Cornelia.

Nichts weniger als eine Energierevolution möchten Conelia und Volker Quaschning ausrufen, und zwar jetzt! Der Titel dieses kürzlich erschienenen Buches kann niemanden überraschen, der Volker Quaschnings Vorträge kennt. Der Klimaschutz ist sein großes Thema als Autor, und die erneuerbaren Energien sind sein Thema als Professor. Mit dem Lehrbuch „Regenerative Energiesysteme“, das bereits in der 11. Auflage erschienen ist, hat er sich einen Namen gemacht. Das für breiteres Publikum geschaffene Pendant „Erneuerbare Energien und Klimaschutz“ ging 2021 in die sechste Auflage. Und mit seinen anschaulichen und kurzweiligen Vorträgen, die häufig in radikalen Forderungen gipfeln, hat Quaschning sich eine treue Fangemeinde geschaffen – nicht zuletzt über Social Media. Seit vielen Jahren setzt er sich für eine drastische Kursänderung der Energiepolitik und den möglichst schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien ein.

Mit seiner Frau Cornelia gestaltet er den Podcast Das ist eine gute Frage. Nun hat er gemeinsam mit ihr ein Buch geschrieben, das sich an den interessierten Laien wendet und einen möglichen Weg aus der Klimakrise skizziert. Das Autoren-Duo hat diesen Weg anschaulich beschrieben und die Argumentation mit einer Fülle von Fakten untermauert. Vieles muss notgedrungen spekulativ bleiben, denn der Weg zur vollständigen solaren Energieversorgung ist noch weit. Bisher decken die erneuerbaren Energien erst 16 Prozent des Primärenergiebedarfs.

Quaschning & Quaschning wählen griffige Formulierungen – manchmal auch zugespitzt

Das Bestreben, mit kurzen Sätzen und griffigen Formulierungen eine möglichst breite Leserschaft zu überzeugen, kommt deutlich zum Ausdruck. Das Bemühen um Allgemeinverständlichkeit ist auch sinnvoll, denn die Energiewende, die uns bevorsteht, ist so einschneidend, dass eine knappe Mehrheit nicht ausreichen wird.

Die Energiewende nähert sich einem kritischen Punkt. Beispielsweise stockt der Ausbau der Windenergienutzung, weil sich ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung gegen die Errichtung neuer Windparks stemmt. Die Energiewende muss also so gestaltet werden, dass sie der Unterstützung der weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung sicher sein kann. Dieser Maßstab muss natürlich auch an ein Buch gelegt werden, das eine Energierevolution fordert.

Kann das Autoren-Duo die überwiegende Mehrheit überzeugen? Zweifel sind angebracht, denn die von ihrer treuen Leserschaft geschätzte Zuspitzung schießt manchmal übers Ziel hinaus. Beispielsweise soll die Zwischenüberschrift „Kühe rülpsen das Klima kaputt“ griffig zusammenfassen, dass man möglichst auf den Verzehr von Rindfleisch verzichten sollte. Wer aber gern am Samstagnachmittag ein Steak auf den Grill legt, den wird diese Argumentation nicht überzeugen. Er wird spätestens an dieser Stelle die Lektüre beenden, denn wer will schon als Klimakaputtmacher dastehen?

An einer anderen Stelle findet man die Feststellung: „Es ist erstaunlich, dass so viele Menschen das Fliegen toll finden.“ Nein, toll finden so viele Menschen das Fliegen nicht, aber mit dem Auto kommt man nun mal nicht nach Mallorca. Wer kein Verständnis für diese Art von Fernweh hat, muss sich schon gute Argumente einfallen lassen, um die breite Mehrheit von einer klimafreundlichen Art des Reisens zu überzeugen.

Warum ist Handeln in der Klimakrise so schwer?

Wie schwer es ist, einer Energierevolution den Weg zu bahnen, ist dem Autoren-Duo durchaus bewusst. Das letzte Kapitel widmet sich dem Thema: „Warum ist Handeln in der Klimakrise so schwer?“ Cornelia und Volker Quaschning setzen sich mit der mangelnden Bereitschaft des Menschen auseinander, sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Sie beschreiben den Dualismus von pain and pleasure, der schon oft dazu beigetragen hat, die Mehrheit zum Handeln zu motivieren. Vieles hängt nun davon ab, wie groß der Leidensdruck ist und ob Menschen den Klimaschutz als angenehmes Lebensgefühl empfinden. Denn nur mit Verboten kann keine Regierung dieser Welt die Energiewende durchsetzen.

Europäischer Kontext der „Energierevolution“ bleibt bei Quaschning außen vor

Schließlich bleibt noch anzumerken, dass ein wichtiges Kapitel im Buch fehlt. Denn dass Deutschland mitten in Europa liegt und deshalb seine Nachbarn möglichst in die Energiewende einbeziehen sollte, wird völlig ausgeblendet. Die Deutschen haben sich auf einen Weg gemacht, den unsere europäischen Nachbarn mit einer Mischung aus Interesse und Befremden verfolgen. Bisher ist kein einziges Land bereit, sich an der deutschen Energiewende ein Beispiel zu nehmen. Unser größter Nachbar hat einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Frankreich setzt weiterhin unbeirrt auf die Kernenergie. Und unser zweitgrößter Nachbar will nicht von der Steinkohleverstromung lassen. Leider ist dieser Rohstoff in Polen so leicht verfügbar, dass die Energiewende dort auf die lange Bank geschoben wird.

Angenommen, die Energierevolution würde Deutschland gelingen – was würde sie nützen, wenn die Nachbarländer nicht mitzögen? Der Klimawandel würde erbarmungslos weiter voranschreiten, mit kaum verminderter Geschwindigkeit. Eine deutsche Energierevolution auszurufen, hat also überhaupt keinen Sinn, und deshalb wird das Buch in dieser Hinsicht seinem universalen Anspruch nicht gerecht. Aber weil die Bücher aus dem Hause Quaschning sich meist gut verkaufen, ist bald mit der 2. Auflage zu rechnen. Ein Kapitel über die europäische Energiewende darf dort nicht fehlen.

Volker und Cornelia Quaschning, Energierevolution jetzt! Mobilität, Wohnen, grüner Strom und Wasserstoff: Was führt uns aus der Klimakrise – und was nicht? Carl Hanser Verlag, 1. Aufl., München 2022

01.02.2022 | Autor: Detlef Koenemann | solarserver.de
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