Agora-Studie: Worauf es bei Klimaschutzverträgen ankommt

Zu sehen ist ein Industriekomplex. Klimaschutzverträge sollen Stahl-, Ammoniak- und Zementproduktion grün machen.Foto: christian42 / stock.adobe.com
Die Klimaschutzverträge sind in der Grundstoffindustrie zentral, denn diese verantwortet 63 Prozent der gesamten Industrieemissionen.
Bis zum Sommer will die Bundesregierung Klimaschutzverträge als Absicherungsinstrument für Investitionen in klimafreundliche Industrieanlagen auf den Weg bringen. Eine Studie von Agora Industrie zeigt, worauf es bei der Ausgestaltung so genannter Carbon Contracts for Difference (CCfD) ankommt.

Die von der Bundesregierung geplanten Klimaschutzverträge können die Emissionen der Stahl-, Chemie- und Zementindustrie in dieser Dekade um über zwanzig Millionen Tonnen CO₂ jährlich reduzieren. Das zeigt eine neue Studie von Agora Industrie. Dies entspricht etwa einem Drittel der laut Klimaschutzgesetz erforderlichen Minderungen in der Industrie von 68 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr bis 2030. Die sogenannten Carbon Contracts for Difference sollen die Mehrkosten einer klimafreundlichen Produktion staatlich absichern. Sie sind somit eine wichtige Voraussetzung für den frühzeitigen Aufbau einer klimaneutralen Industrie in Deutschland. Und ebenso wichtig für den Erhalt der rund 280.000 Arbeitsplätze in Stahl-, Chemie- und Zementfabriken.

Klimaschutzverträge garantieren Refinanzierung von Investionen

Durch Klimaschutzverträge garantiert der Staat die Refinanzierung von Investitionen in klimafreundliche Industrieanlagen, die Unternehmen nicht über den Markt erzielen können. Über diese Absicherung der klimafreundlichen Produktion kann man ein Angebot an grünen Grundstoffen für nachhaltige Produkte schaffen. Die Kosten für diese Technologieförderung in der Produktion von Stahl, Ammoniak und Zement liegen laut den Berechnungen von Agora bei insgesamt zwischen 10 und 43 Milliarden Euro. Die Höhe, der über die Laufzeit der Klimaschutzverträge fälligen Zahlungen, hängt von anderen Politikinstrumente wie dem europäischen Emissionshandels ab.

„Die Bundesregierung muss sich jetzt zügig an die Ausgestaltung der Klimaschutzverträge machen. Und die notwendigen finanziellen Mittel im Haushalt bereitstellen, um die Transformation deutscher Fabriken zur Klimaneutralität rechtzeitig und wirksam anzustoßen“, sagt Frank Peter, Direktor von Agora Industrie.

Die auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegten Verträge zwischen Staat und Unternehmen ermöglichen den Anschub der Industrietransformation, auch wenn die klimafreundliche Produktion aktuell noch unwirtschaftlich ist. Denn Investitionen in Industrieanlagen, die eine lange Lebenszeit haben, muss man schon heute auf Klimaneutralität 2045 ausgerichten. Nur sind Fehlinvestitionen und damit die zukünftige Schließung von Industriestandorten zu vermeiden.

Kombination der Instrumente entscheidet über die Höhe der Absicherungskosten der Kliamschutzverträge

Für den Aufbau von klimafreundlichen Anlagen in der Stahl-, Zement und Ammoniakproduktion, rechnet Agora mit Mehrkosten für Investitionen von bis zu 8 Milliarden Euro. Um höhere Betriebskosten – etwa durch den Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff statt fossiler Brennstoffe – auszugleichen, veranschlagt Agora die benötigten Garantien auf bis zu 34 Milliarden Euro. Die effektiven Kosten für Klimaschutzverträge kann man aber mit einer geeigneten Reform der deutschen und europäischen Klimapolitik auf 2 Milliarden Euro senken. So kann der Bedarf an staatlichen Zuschüssen für die Transformation dieser Industrien auf insgesamt rund 10 Milliarden Euro sinken.

Die Transformationskosten der Stahl-, Ammoniak- und Zementproduktion

Die Klimaschutzverträge sind besonders in der Grundstoffindustrie zentral, denn diese verantwortet 63 Prozent der gesamten Industrieemissionen. Die Stahlindustrie ist der größte industrielle CO₂-Emittent in Deutschland. Sie steht vor der Aufgabe, die konventionelle Stahlproduktion über die Hochofenroute auf die klimafreundliche Direktreduktion mit Wasserstoff umzustellen. Hier belaufen sich die abzusichernden Mehrkosten für den Betrieb laut der Agora-Studie auf 2 bis 27 Milliarden Euro.

Auch die Produktion von Ammoniak soll künftig nicht mehr über fossile Energieträger, sondern über erneuerbaren Wasserstoff erfolgen. Die Mehrkosten für den Betrieb, die über Klimaschutzverträge abgesichert werden müssen, liegen bei bis zu 6 Milliarden Euro. Diese können aber durch den Aufbau grüner Leitmärkte im besten Falle auf null sinken.

In der Zementindustrie lassen sich mit Technologien für das Abscheiden und Lagern von CO₂ (CCS) ansonsten unvermeidbare Prozessemissionen mindern. Der Aufbau einer Infrastruktur für CCS und die Entwicklung geeigneter Regularien sind eine Voraussetzung für die Klimaneutralität der Branche. Die betrieblichen Mehrkosten für erste kommerzielle Anlagen, die Klimaschutzverträge abfangen müssen, liegen um die 100 Millionen Euro. Mit weiteren 500 Millionen Euro für den Betrieb mit Biomasse können diese Anlagen auch negative Emissionen von bis zu einer Millionen Tonnen CO2 pro Jahr erzielen.

Die Studie „Klimaschutzverträge für die Industrietransformation“ ist in Zusammenarbeit mit Future Camp, Ecologic Institut und Wuppertal Institut erschienen. Die 120-seitige Publikation enthält umfassende Ausführungen zur übergreifenden Definition und Funktion von Klimaschutzverträgen. Zudem umfasst sie Informationen zur spezifischen Ausgestaltung des Instruments für die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie. In der Reihe ist bereits eine Studie zu Klimaschutzverträgen für die Stahlindustrie erschienen. Zwei weitere Publikationen zur Transformationsförderung einer klimaneutralen Ammoniak- und Zementproduktion stehen noch aus.

7.2.2022 | Quelle: Agora Energiewende | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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